Gesundheitspolitik

Mit Brief und Siegel

Nur ehrlich kommuniziert ist ein Siegel wirklich wertvoll

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Gütezeichen – dies vorneweg – sind erprobt und sie spielen auf den unterschiedlichsten Ebenen eine bedeutsame, wenn auch bisweilen leicht inflationäre Rolle. Ob ein Unternehmen offizieller Sponsor der deutschen Fußballnationalmannschaft ist oder aber ein Grünes X oder ein Gelbes Y usw. aufweist, es soll einen positiven Imagetransfer für das Produkt oder das Unternehmen nachweisen. Verbraucher haben ein gewachsenes Interesse an verlässlichen Informationen rund um die von ihnen gekauften Produkte in den von ihnen bemühten Geschäften. Dies betrifft Nahrungs- und Genussmittel und die entsprechenden Geschäfte besonders. Für eine sachgerechte Informationsbereitstellung soll mitunter die Warenkennzeichnung sorgen. Hier geht es sowohl um Informationen an den vermittelnden Handel wie auch um Fakten für den Verbraucher. Neben der reinen Warenkennzeichnung haben sich eine Reihe weiterer Gütesiegel entwickelt, bisweilen weiß man aber nicht genau, welches Siegel wofür steht.

Überträgt man die Grundidee auf ganze Unternehmen, werden hier Dinge wie die Service- oder Beratungsqualität, die Barrierefreiheit oder Behindertengerechtigkeit und Ähnliches geprüft und „besiegelt“.

Was ist nun davon zu halten? Für den Verbraucher soll das Siegel das Gefühl vermitteln, hier wurde unter Anlegung objektiver Maßstäbe der später kommunizierte Sachverhalt geprüft und für gut befunden. Bisweilen werden auch Noten oder Punkte vergeben, so dass das Erreichte auch noch eingeordnet werden kann. Für den Verbraucher kann dies hilfreich sein. Warum nur „kann“? Die Fülle an Siegeln und die Reputation manch etabliert erscheinender Siegel hat das Thema in Misskredit gebracht. Für alles und jeden gibt es ein Siegel. Und namhafte Unternehmen und Institutionen wie der ADAC oder auch die Stiftung Warentest sind nicht zu Unrecht ins Gerede gekommen, weil sie es mit der Erarbeitung von Rankings oder Benotungen dann doch nicht ganz so objektiv genommen haben wie suggeriert wurde. Auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurden im ZDF bei „Unsere Besten“ Plätze verschoben, weil es für den einen oder anderen opportun erschien.

Bei Awards, in denen neutrale Jurys über Anträge befinden, mag die Idee eines Siegels gelungen sein, dort aber, wo der Besiegelte für die Analyse selbst bezahlt, bekommt es schon ein „Gschmäckle“. Wie wird bewertet? Wann muss nachgebessert werden? Wie oft kann nachgebessert werden? Wie sicher ist, dass die verbesserte Leistung dauerhaft anhält und das Siegel demnach keine einmalige Momentaufnahme mit Ausschlag nach oben ist? Fragen über Fragen. In Apotheken gibt es solche Siegel auch. Ob sie hilfreich sind, muss jeder einzelne Apotheker für sich entscheiden. Zunächst ist das erste Gütesiegel der Apotheke das Gotische Apotheken-A. Mag sich mancher auch darüber lustig machen, es zeigt dem Verbraucher, was er in diesem Geschäft zu erwarten hat. Ob die eine oder andere Kooperationsmarke ebenfalls wie ein Qualitätssiegel wirkt, mag von Fall zu Fall und von Region zu Region unterschiedlich sein, es kann wirken. Inwieweit dann noch Siegel das positive Empfinden der Verbraucher verstärken, kann nicht pauschal beantwortet werden.

Positiv an derlei Bemühungen ist, dass sich die jeweilige Apotheke thematisch mit dem zu prüfenden Inhalt befasst und in der Regel auch gut sein will. So dürfte abseits der reinen Vergabe eines Siegels der Lerneffekt nachweisbar sein. Und positiv ist, dass die Apotheke etwas für die Außenkommunikation erhält, sei es um in klassischen Medien auf sich aufmerksam zu machen oder um zu twittern, facebooken oder andernorts tätig zu werden.

Am allerwichtigsten ist aber, dass bei Rückfragen der Kunden auch Auskunft durch alle Mitarbeiter gegeben werden kann. Das reine Aufhängen eines Siegels, ohne dass die Mitarbeiter eine Ahnung haben, was, wann und wie untersucht wurde, ist kontraproduktiv. Einer Apotheke, die in dieser Art aufgestellt wäre, müsste das Vertrauen entzogen werden, denn mehr Schein als Sein passt nicht zum generellen Auftreten und Image einer Apotheke in der Öffentlichkeit.

Für Apotheken muss es also eine wohlüberlegte Wahl sein, sich einem Siegel zu unterwerfen. Verbände und Kammern könnten dieses Angebot selbst anbieten, dann wäre eine weitere hoheitliche Aufgabe in deren Händen. Und es müsste sichergestellt werden, dass objektive, verlässliche und valide Ergebnisse herauskommen, also das Untersuchte wahrhaft besiegelt werden kann. Denn welchem Siegel wünscht man das Schicksal von ADAC, Stiftung Warentest oder ZDF. Übrigens steht ZDF ja auch für Zahlen, Daten, Fakten – na dann! 

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