Gesundheitspolitik

Anzeige gegen Unbekannt

Arzneimittel-Diebstähle in Italien: Roche erstattet Strafanzeige

BERLIN (ks) | Die großen Pharmakonzerne, deren Arzneimittel in den vergangenen Monaten nicht zuletzt deshalb im Gespräch waren, weil sie gestohlen bzw. gefälscht und zurückgerufen wurden, stehen ihren Gegnern meist machtlos gegenüber. Kriminelle haben Arzneimittelfälschungen schon lange als lukrative Geldquelle entdeckt. Bislang fanden diese Präparate allerdings kaum den Weg in die öffentlichen Apotheken Deutschlands. Das hat sich mittlerweile geändert. Nun werden auch die Unternehmen aktiver: So hat Roche anlässlich der Vorfälle in Italien kürzlich Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Unter den in italienischen Krankenhäusern gestohlenen Arzneimitteln fanden sich auch Präparate des Schweizer Konzerns, etwa Avastin, Herceptin und MabThera. Zahlreiche Chargen verschwanden und gelangten über Zwischenhändler unter anderem zu deutschen Arzneimittelimporteuren. Im Juli hatte die italienische Polizei erklärt, die wichtigsten Tatverdächtigen gefasst zu haben. Die polizeilichen Untersuchungen liefen bereits seit 2012. Auch das Paul-Ehrlich-Institut meldete kürzlich unter Bezugnahme auf die italienische Arzneimittelbehörde AIFA, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Italien stünden kurz vor dem Abschluss. Doch nicht nur in Italien verschwanden Medikamente, auch in Deutschland wurden Ende Mai beim Logistikdienstleister Transoflex/ThermoMed in Neuss zahlreiche Arzneimittel gestohlen – darunter viele Importarzneimittel.

Für die betroffenen Hersteller eine höchst missliche Situation – vor allem, wenn die Präparate am Ende tatsächlich derart gefälscht sind, dass sie für den Patienten zur Gefahr werden können. Sie setzen unter anderem auf mehr Sicherheit durch SecurPharm. Doch bis dieses System läuft, wird noch etwas Zeit vergehen.

Roche will mit Anzeigeein Zeichen setzen

Jetzt hat sich Roche entschieden, Strafanzeige zu stellen – und zwar direkt beim Bundeskriminalamt. Mit der Behörde hat Roche bereits zusammengearbeitet. Das Unternehmen will damit auch ein Signal setzen. Die Hoffnung ist nun, dass die Strafverfolgungsbehörden weitere Spuren auftun, die in Deutschland verfolgt werden können, auch wenn sie zunächst gegen Unbekannt ermitteln müssen.

„Das sind wir unseren Patienten schuldig“

Angezeigt hat Roche einen ganzen Strauß möglicher Vergehen und Verbrechen. Von der Verletzung arzneimittelrechtlicher Vorschriften, etwa zum Inverkehrbringen gefälschter Arzneimittel, bis hin zu Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit. Dabei geht es allein um gefälschte Ware, die in Deutschland in den Verkehr gebracht wurde. „Das sind wir unseren Patienten schuldig“, sagt Hagen Pfundner, Deutschland-Chef von Roche und Vorstandsvorsitzender des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa). „Die haben schließlich vor allem den Schaden.“ Gegenüber der „WirtschaftsWoche“ machte er auch nochmals deutlich, dass ihm die deutsche Importförderklausel ein Dorn im Auge ist. Der Großteil der gestohlenen Italienware landete sicher nicht ohne Grund in Deutschland. Pfundner ist überzeugt: „Diese Importförderklausel schafft mittlerweile einen Absatzmarkt für kriminelle Machenschaften.“

Nachahmer nicht ausgeschlossen

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch andere Hersteller zur Strafanzeige schreiten werden. Ob sie damit tatsächlich etwas bewirken können, ist unklar. Zumindest ist das Thema auch in der Politik durchaus präsent. Bei der Justizministerkonferenz letzte Woche in Berlin wurde auf Antrag Hamburgs ein Beschluss gefasst, der die Verbesserung der Bekämpfung der Produktpiraterie und der Industriespionage zum Gegenstand hat. Darin bitten die Justizminister der Länder die Bundesregierung, den aktuellen EU-Aktionsplan für einen neuen Konsens über die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten zu unterstützen. Dabei soll auch geprüft werden, ob die bestehenden Vorschriften ausreichende Handhabe bieten, um gegen bandenmäßig organisierte Produktpiraterie und Industriespionage im In- und Ausland wirksam genug vorzugehen. 

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