Management

Der beste Moment: die persönliche Beratung

Ohne Emotionalität kein Erlebnis – Menschen streben nach Wertschätzung, Unterhaltung und der Befriedigung eines konkreten Bedürfnisses

diz | Trotz boomenden Internethandels: Die persönliche Beratung, von Angesicht zu Angesicht, ist für viele Menschen der beste Moment beim Einkaufen. Die Menschen suchen erlebnisorientiertes Einkaufen. Warum gerade die Apotheke hier hervorragende Chancen hat, erklärt Prof. Dr. Claudius Schmitz in unserem Gespräch. Er ist Professor für Marketing und Handel an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Er berät den Hauptverband des deutschen Einzelhandels und verschiedene Handelskonzerne. Auf dem Managementkongress auf Mallorca Anfang November befasst er sich mit der Emotionalisierung der Apotheke, dem Arbeiten mit Imagefaktoren, Marketing-Innovationen und der Lust auf Einzelhandel.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
Prof. Dr. Claudius Schmitz Apotheken zu einem positiv aufgeladenen Ort der Lebensqualität machen.

AZ: Herr Professor Schmitz, ganz allgemein gefragt: Kann Einzelhandel im Zeitalter von Internet noch Lust machen?

Schmitz: Vor dem Hintergrund, dass circa 8,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes über Internet getätigt werden, sind die Bedenken berechtigt. Aber die Faszination des Einzelhandels besteht immer noch darin, die Ware direkt anfassen, ausprobieren und mitnehmen zu können. Des Weiteren steht dem Kunden im guten Fachgeschäft Beratung- bzw. Verkaufspersonal zur Seite. Dieser Vorteil wird zwar von einigen Betrieben nicht genutzt, dennoch ist dieser Tatbestand von größtem Wert für die Kunden und letztlich für das Geschäft. Ja, das reale Geschäft macht immer noch Lust. Allerdings sind die Anforderungen seitens der Kunden und durch die Konkurrenz im Internet enorm gewachsen.

 

AZ: Gibt es Marketing-Innovationen, die die Lust auf Einzelhandel steigern können?

Schmitz: Der beste Moment beim Einkaufen ist für viele die persönliche Beratung von Angesicht zu Angesicht. Dies lässt sich durch kein Medium ersetzen. Und wenn die Bedienung dann auch noch ausgesprochen freundlich, einfühlsam und kompetent ist, dann stellt dies in vielerlei Hinsicht einen guten Kontrapunkt gegenüber einer virtuellen Geschäftsbeziehung dar. Lust wird auch durch ein tiefes Sortiment mit Bedarfsausrichtung in entsprechender Atmosphäre mit themengerechter Warenpräsentation gesteigert. Angenommen man möchte eine Abenteuerreise unternehmen, dann kann der auf diese Themenwelt ausgerichtete Betrieb dem Kunden ein Rundum-Paket anbieten. Alles was er für diese spezielle Reise braucht. Das wäre technisch übers Internet auch möglich, wird aber noch nicht umgesetzt. Hier ist der erfahrene Berater gefragt, der sich in diesem spezifischen Thema bestens auskennen sollte.

Überall dort, wo eine spezifische Problemlösung gebraucht wird, die weit mehr darstellt als die Zurverfügungstellung von Artikeln, ist zurzeit das reale Geschäft nicht ersetzbar. Alleine die Inspiration für den Einkauf neuer, modischer oder seltener Artikel ist im stationären Einzelhandel ein gutes Motiv für den Kunden, bummeln zu gehen. Solche Geschäfte, die sich intensiv mit ausgefallenen Artikeln auseinandersetzen, innovative (erklärungsbedürftige) Lösungen oder nachweislich beste Qualität anbieten, faszinieren die meisten Konsumenten. Vor allem dürfte es sich um Handelskonzepte handeln, die für die Kunden bezogen auf das Sortiment und den Service ein gutes Stück Lebensqualität und für die Verweilzeit im Geschäft Aufenthaltsqualität bedeuten. Es muss einfach Spaß machen, die Artikel im Regal anzuschauen und die Bedienung anzunehmen. Dafür sollten die Händler in erster Linie sorgen.

Die vorhin skizzierten Bedingungen für ein erlebnisorientiertes Einkaufen sind eigentlich gar keine Innovationen. Sie stellen dennoch etwas dar, wonach der Mensch seit Urzeiten strebt: Wertschätzung, Unterhaltung und die Befriedigung eines konkreten Bedürfnisses.

Nicht zuletzt kann die betriebsspezifische Verknüpfung von Online-Shopping und stationärem Geschäft Lust machen. Online wird beispielsweise über eine individualisierte, mobile App bestellt und im Geschäft wird die Ware abgeholt. Oder im Schaufenster scannt man den QR-Code und im Netz wird später (hoffentlich) beim selben Anbieter bestellt. Beide Richtungen funktionieren zugunsten eines modernen Geschäfts. Damit dieses „Mehrkanalgeschäft“ auch funktioniert, müssen tatsächlich innovative Ideen gefunden werden, den Kunden zu halten. Beispielsweise über Anreize, die preisliche Vorteile bieten, oder über die Chance, als Erster in den Genuss bestimmter Neuheiten oder Serviceleistungen zu kommen.

AZ: Emotionalität im Handel avanciert zum Zauberwort. Wie könnten Sie sich vorstellen, Apotheke und Emotionalität zusammenzubringen? Wo sehen Sie Ansatzpunkte für eine emotionale Positionierung der Apotheke?

Schmitz: Natürlich muss jede Apotheke ihren eigenen Weg finden, ihre eigene Positionierung. Dennoch gibt es allgemeingültige Konzeptideen. Die Apotheke wird im durch Internet, Parfümerien und Drogerien hart umkämpften Markt den Weg einer auf Gesundheit fokussierten Lebensqualität gehen müssen. Die Ladenatmosphäre, das Personal, die Artikel im Freiwahlverkauf und die Kommunikation sollten allesamt auf genau dieses Thema einzahlen. Ohne Emotionalität kommt ein Erlebnis nicht zustande. Man sollte sich von der Grundidee verabschieden, als müsse man im Umgang mit Apothekenkunden stets eine ernste Miene machen. Schließlich sind Krankheiten nicht lustig. Aber ich meine, dass die Apotheke ein Ort ist, an dem Mut gemacht werden kann, wo Hilfe unmittelbar über den Tresen gereicht wird. Darüber hinaus trägt die Umgebungssituation enorm dazu bei, die Stimmung der Kunden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beeinflussen. Eine helle, farbige Gestaltung, die weg geht von Sterilität und Distanz, eine Dialoggestaltung an einem Stehtisch, ohne distanzschaffende Barrieren (nichts anderes sind die veralteten Tresen) werden neben den persönlichen Gesprächen ergänzende Image-prägende Instrumente sein, auf die es ankommt.

 

AZ: Beim Managementkongress werden Sie sich u.a. mit dem Thema Imagefaktoren befassen. Was sind Imagefaktoren im Zusammenhang mit Apotheke?

Schmitz: Image bedeutet Bild. Also das Bild, das in den Köpfen der Kunden entsteht, wenn sie eine Apotheke betreten. Eigentlich entsteht das Bild schon über das Schaufenster, der Visitenkarte des Unternehmens. Hier kommt es darauf an, die gewünschten Bilder oder Vorstellungen über diesen Ort beim Betrachter wachzurufen. Das können Bilder der Vergangenheit sein, vielleicht aus der Kindheit, ebenso Bilder der Vitalität, Freundschaft, Fröhlichkeit, Geborgenheit, Hilfe, Urlaub, Sonne, Gemeinschaft mit der Familie, Wandern, Naturkräuter, Meditation, Klettern, Sport, Schwangerschaft, gutes Gedächtnis und viele weitere mehr. Wenn es dem Apotheker gelingt, derartig positive Reize zu inszenieren, beispielsweise durch Gestaltungselemente oder Gesprächsthemen, dann wird die Apotheke zu einem positiv aufgeladenen Ort der Lebensqualität, nach der sich jeder sehnt. Aber diese Bilder bzw. Themen sollten auch offensiv und mit ganzer Kraft wachgerufen werden, damit die Gefühle wirklich intensiv erlebt werden können. Man möge sich nur an die Entwicklung der Drogerien in letzter Zeit erinnern. Viele Konsumenten zählen den Einkauf bei dm oder Budni in der norddeutschen Region zu den Highlights einer wöchentlichen Versorgung mit bestimmten Artikeln. Auch dort geht es um die richtige Präsentation, Sortimentierung und Bedienung. Kunden erklären, sie gingen zu Budni, weil sie sich dort wie in einer Familie fühlen. Daher resultieren die besten Kundenzufriedenheitsquoten im deutschen Einzelhandel.

 

AZ: Wie kann man mit Imagefaktoren arbeiten?

Schmitz: Eine Positionierung zu finden, ist das eine. Die Gestaltung professionell umzusetzen das andere. Images lassen sich nicht bloß mit etwas Dekoration bewerkstelligen. Tatsächlich müssen alle Mitarbeiter mit ganzem Herzen davon begeistert sein, bestimmte Themen durchgängig umzusetzen. Und so sollten sich auch alle daran beteiligen, ihren aktiven Beitrag zu leisten, damit das angestrebte Erlebnis für den Kunden auch rüberkommt. Diese Tätigkeiten gehören nicht zur Ausbildung des Apothekerberufs. Daher würde ich professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen, damit nicht der Eindruck von Halbherzigkeit entsteht. Viele Unternehmen aus anderen Branchen erarbeiten in zahllosen Workshops Ideen, wie man neue Kunden gewinnen kann, wie man sie vom Onlineshopping weglockt und in das Geschäft vor Ort zieht. Warum sollte man meinen, man könne nebenbei ein Kundenerlebnis schaffen, wenn andere für ein nachhaltiges Konzept Monate oder Jahre brauchen. Nur die freundliche Begrüßung und kompetente Beratung reichen hierbei nicht aus.

 

AZ: Herr Professor Schmitz, vielen Dank für das Gespräch. 

Management-Kongress Mallorca

Der Marketingexperte Prof. Dr. Claudius Schmitz ist mit seinen Vorträgen „Marketing-Innovationen und die Lust auf Einzelhandel“ und „Emotionalisierung der Apotheke: Thesen und Techniken“ Referent beim diesjährigen Management-Kongress. Der von Lauer-Fischer und DAZ gemeinsam veranstaltete Kongress unter dem Motto „Lust auf Apotheke“ findet vom 29. Oktober bis 1. November auf Mallorca statt. Die Kongressteilnehmer dürfen sich auf Ideen für eine Apotheke freuen, die Spaß machen und ihre Kunden begeistern.

Lust auf den Management-Kongress? Unter www.lauerfischer.de finden Sie Programm und Anmeldeunterlagen.

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