Gesundheitspolitik

Kurzsichtig

Dr. Benjamin Wessinger
Chefredakteur der AZ

Letzte Woche sorgte ein Schreiben der DAK Gesundheit an alle Apotheken für Aufregung (s. auch S. 3). Bereits 2012 hatte die Kasse den Hilfsmittel-Liefervertrag für die Produktgruppe der Vernebler gekündigt. Seitdem müssen diese über einen Versandhändler bezogen werden. Das scheint jedoch nicht ganz reibungslos zu funktionieren, denn die DAK möchte, dass die Apotheken sich wieder an der Vernebler-Versorgung beteiligen – allerdings nur in Notfällen nach 15 Uhr, am Wochenende und im Nachtdienst. Der Apotheker als Lückenbüßer.

Neben Geringschätzung des Berufsstands zeugt das Verhalten der DAK (und das vieler anderer Krankenkassen) von ausgeprägter Kurzsichtigkeit. Die Apotheker werden durch ständig neue, oft an Schikane grenzende Anforderungen bei gleichzeitig immer niedrigeren Margen systematisch aus der Hilfsmittelversorgung gedrängt. Doch, oh Wunder: Für die Preise, die die Kassen noch bereit sind zu bezahlen, lässt sich keine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung aufbauen. Und die Versicherten stehen Freitagnachmittag mit einem röchelnden Kind in der Notaufnahme, weil die Inhalationsbehandlung nicht bis Dienstag warten kann.

Die gleiche Kurzsichtigkeit legen die Verbraucher und Patienten an den Tag, die sich ausgiebig in der Apotheke beraten lassen – dann aber lieber im Internet kaufen, um ein oder zwei Euro zu sparen (s. S. 4). Auch hier gilt: Wer seine Apotheke vor Ort bei der „Standardversorgung“ ignoriert, der wird sie eines Tages bitter vermissen, wenn er dringend Hilfe benötigt.

Leider ist gegen Kurzsichtigkeit kein Kraut gewachsen — und Brillen bezahlen die Kassen schon lange nicht mehr ...

Dr. Benjamin Wessinger

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