Recht

Die Akte des Arztes ist tabu ...

Was darf der Chef über kranke Mitarbeiter wissen?

mh/bü | Es soll Chefs geben, die „Krankmeldungen“ der Mitarbeiter argwöhnisch beäugen. Aber was darf ein Arbeitgeber eigentlich offiziell wissen? Und wann müssen Ärzte und Arbeitnehmer reinen Wein einschenken? Die wichtigsten Fragen – und Antworten:

Darf mein Chef mich fragen, woran ich erkrankt bin?

Ja, er darf schon – je nachdem, wie das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem ist, ist das sogar üblich. Und vielleicht ja sogar wünschenswert. Allerdings ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, die Frage richtig – oder überhaupt zu beantworten. Weigert er sich, den Grund seiner Arbeitsunfähigkeit zu nennen, so dürfen ihm daraus keine Nachteile entstehen.

Dürfte der Arbeitgeber dann die Krankenakte vom Arzt anfordern – oder sie einsehen?

Nein. Die Eintragungen in der Akte (unter anderem Diagnose, Therapie und die persönlichen Eindrücke des Arztes) fallen unter das Arztgeheimnis.

Kann der Boss verlangen, Diagnosen-Infos über eine Arbeitsunfähigkeit seiner Mitarbeiter zu erhalten?

Nein. Zwar erhält er – oder die Personalabteilung – eine Kopie des „gelben Scheins“. Daraus ist jedoch nicht zu entnehmen, warum der Mitarbeiter arbeitsunfähig ist. Der Grund steht lediglich auf der Ausfertigung für die Krankenkasse – und dort im Regelfall verschlüsselt.

Und was ist mit einem Betriebsarzt? Erfährt er von einem Leiden? Und dürfte er es an den Arbeitgeber weitergeben?

Nein. Er erfährt nichts über den Besuch bei einem Haus- oder Facharzt. Erstellt der Betriebsarzt die Diagnose allerdings selbst, so hat er das Recht, den Arbeitgeber darüber zu informieren, ob der Angestellte für die aktuell ausgeübte Tätigkeit oder für eine künftige Position gesundheitlich geeignet ist. Aber er darf nicht „aus dem Nähkästchen plaudern“ und die Diagnose weitergeben.

Hat der Arbeitgeber das Recht, Fehlzeiten zu dokumentieren?

Ja, ohne die Diagnose eintragen zu dürfen (die er ja im Regelfall ohnehin nicht kennt). Schließlich kann eine lange krankheitsbedingte Abwesenheit zu einer – ordentlichen – Kündigung führen. Die droht, stark vereinfacht ausgedrückt, wenn

a) der Mitarbeiter mindestens zwei Jahre in Folge mehr als sechs Wochen im Jahr krank ist und keine Aussicht auf Besserung besteht

oder

b) der Mitarbeiter länger als ein halbes bis dreiviertel Jahr arbeitsunfähig daheim bleiben muss und die Zukunftsprognose ebenfalls negativ ist.

Darf mir der Arbeitgeber einen Detektiv „auf den Hals schicken“, um herauszukriegen, was ich während meiner Krankheitszeit treibe?

Ja. Besteht der Verdacht, dass sich der Arbeitnehmer „genesungswidrig“ verhält, so ist der Einsatz eines Detektivs legitim. Das zeigen auch folgende Urteile:

  • Detektivkosten dürfen nicht ins Uferlose steigen. Ein Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die durch den Einsatz eines Detektivs entstandenen Kosten zu erstatten, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung übertragen hat und der Arbeitnehmer überführt wird, seinen Arbeitgeber vorsätzlich geschädigt zu haben. Der Arbeitgeber hat allerdings nur Anspruch auf Erstattung für solche Maßnahmen, „die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber“ nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung beziehungsweise zur Verhütung eines Schadens „nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde“. (Hier stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass der Arbeitgeber in diesem Fall die geforderte Erstattung von rund 40.000 Euro Detektivkosten schon deshalb nicht verlangen könne, weil sein Verdacht, der auf Eigenkündigung ausscheidende Mitarbeiter habe während des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt, zu diesem Zeitpunkt noch nicht konkret bestanden haben konnte. Da der Mitarbeiter durch die Detektei aber durch den ersten Auftrag dennoch überführt wurde, wären dann weitere Aufträge entbehrlich gewesen, so dass die dadurch verursachten Kosten ebenfalls nicht erstattungsfähig seien.) (BAG, 8 AZR 547/09)
  • So wird aus einer ordentlichen Kündigung eine fristlose. Ist einem Schweißer betriebsbedingt gekündigt worden und steigt sein Krankenstand im Verlaufe der Kündigungsfrist stark an, so kann er fristlos entlassen werden, wenn der Arbeitgeber – über einen Detektiv – herausfindet, dass er seine Arbeitskraft auf dem „Schwarzarbeitsmarkt“ anbietet. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde dadurch erschüttert, so das Hessisches Landesarbeitsgericht. Auch eine 20-jährige Betriebszugehörigkeit und die Tatsache, dass der Mann mehreren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, ändere nichts an der Tatsache, dass der Mann seine Krankheit vorgetäuscht und dem Arbeitgeber die Arbeitskraft vorenthalten hatte. Darin liege eine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige, so das Gericht. (Az.: 6 Sa 1593/08)
  • Wer die Musik „bestellt“, muss sie auch bezahlen.Wird ein – angeblich – arbeitsunfähiger Briefzusteller der Post dabei beobachtet, dass er seiner Ehefrau in deren Geschäft hilft, so kann er entlassen werden. Darüber hinaus muss er die Kosten tragen, die seinem Arbeitgeber für den Einsatz eines Detektivs entstanden sind, der den Betrug aufgedeckt hatte. Der Postbote habe die Überwachungskosten schuldhaft veranlasst, so das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. (Az.: 7 Sa 197/08) 

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