Gesundheitspolitik

Vorteil24 in doppelter Hinsicht unzulässig

Umstrittenes Pick-up-Modell hat mehrfach gegen Wettbewerbsrecht verstoßen

BERLIN (jz) | Das bereits seit zwei Jahren eingestellte Modell „Vorteil24“ hat nicht nur gegen die deutschen arzneimittel-preisrechtlichen Vorschriften verstoßen – es war außerdem geeignet, die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Apotheker unangemessen unsachlich zu beeinflussen. Das hat das Oberlandesgericht München entschieden und gab damit der gegen einen ehemals am Modell teilnehmenden bayerischen Apotheker klagenden Wettbewerbszentrale Recht. Das Landgericht hatte zuvor keine inhaltliche Entscheidung getroffen, weil es ihm für die Prüfung bereits an der erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlte. (Oberlandesgericht München, Urteil vom 26. Juni 2014, Az. 29 U 800/13 nicht rechtskräftig)

Nachdem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes im August 2012 entschieden hatte, dass die deutschen Preisvorschriften auch für Apotheken mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat gelten, die im Wege des Versandhandels an deutsche Endverbraucher abgeben, erfolgte im Oktober 2012 eine klarstellende Änderung des Arzneimittelgesetzes. Zu diesem Zeitpunkt war das Vorteil24-Modell bereits eingestellt. Doch die Klage gegen den bayerischen Apotheker lief bereits – und die Wettbewerbszentrale ging gegen die Landgerichtsentscheidung in Berufung.

Verstoß gegen Preisrecht

Das Oberlandesgericht beurteilte die Situation dann auch anders: Seiner Meinung nach war die Wiederholungsgefahr nicht bereits durch die Klarstellung des Gesetzgebers in § 78 AMG entfallen. Der Beklagte habe nicht erklärt, die beanstandeten Handlungen nicht mehr vorzunehmen, weil sich das Gesetz geändert habe, sondern weil das Modell inzwischen eingestellt worden sei. Er sei somit der Auffassung gewesen, die Gesetzesänderung habe ihn gar nicht betroffen und sein Verhalten verstoße auch in der Neufassung nicht gegen die Vorschrift. Die Richter kamen daher auch zu einer inhaltlichen Prüfung und stellten fest, dass das Vorteil24-Modell gegen arzneimittel-preisrechtliche Vorschriften verstieß, weil die Regelung zum Erfüllungsort allein der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts diente.

Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit

Darüber hinaus sei das Modell geeignet, „die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Apotheker unangemessen unsachlich zu beeinflussen“ und habe damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Denn: Jeder Apotheker habe bei seiner geschäftlichen Entscheidung (auch) die gesundheitlichen Interessen seiner Kunden zu wahren. Bei Arzneimitteln mit einem Apothekenverkaufspreis ab 29 Euro war der Provisionsbetrag, den der Apotheker für die Vermittlung an die niederländische Apotheke erhielt, höher als der regulär im eigenen Namen zu erzielende Ertrag. „Damit bestand ein strukturell verankerter finanzieller Anreiz für die teilnehmenden Apotheker, einem Kunden nicht die Abgabe aus dem eigenen Sortiment anzuraten, sondern die für sie ertragreichere Bestellung bei der niederländischen Apotheke“, so die Richter. Das begründe die Gefahr, dass sie bei der Darstellung des Modells dem Kunden gegenüber sowie bei der Prüfung, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine umgehende Abgabe erforderlich machten oder die Verzögerung unter medizinischen Gesichtspunkten bedeutungslos wäre, auch die eigenen Erwerbsmöglichkeiten beachten könnten. Die Provisionsklausel sei daher unzulässig.

Entscheidung stärkt Unabhängigkeit der Apotheker

„Die Entscheidung stellt einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Unabhängigkeit der deutschen Apotheker dar“, betonte Rechtsanwalt Dr. Stefan Eck, Partner bei KLAKA, der das Verfahren für die Wettbewerbszentrale betreut. Andernfalls wäre das in Deutschland geltende Fremdbesitzverbot ausgehebelt und eine flächendeckende Arzneimittelversorgung nicht mehr sicher gewährleistet.

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