Gesundheitspolitik

Zahlreiche falsche Abrechnungen

Krankenkassen und Krankenhäuser im Clinch - Politik setzt auf Schlichtungsstelle

BERLIN (jz) | Mehr als jede zweite genau überprüfte Klinik-Abrechnung ist nach Erhebungen der gesetzlichen Krankenkassen fehlerhaft. Im ersten Halbjahr 2013 waren nach vorläufigen Zahlen des GKV-Spitzenverbands bundesweit fast 53 Prozent nicht richtig – im Gesamtjahr 2012 waren es ebenfalls gute 52 Prozent. Auf ihnen waren Behandlungen aufgelistet, die nicht in dem behaupteten Umfang oder sogar überhaupt nicht erbracht wurden. Damit lag die Quote im dritten Jahr in Folge über 50 Prozent.

Krankenkassen sind nach dem Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, mithilfe des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) die Krankenhaus-Abrechnungen zu überprüfen. Sie prüfen diese in einem zweistufigen Verfahren: In einem ersten Schritt werden sie auf Anzeichen möglicher Fehler durchgesehen. In einem zweiten Schritt werden bundesweit rund elf bis zwölf Prozent aller Abrechnungen einer genauen Prüfung unterzogen. Ist die geprüfte Abrechnung richtig, muss die Krankenkasse dem Krankenhaus eine „Aufwandspauschale“ in Höhe von 300 Euro zahlen. Ergibt die Prüfung, dass die Rechnung falsch war und zugunsten der Krankenkasse korrigiert werden muss, hat das Krankenhaus den zu viel erhaltenen Betrag an die Krankenkasse zurückzuzahlen.

Insgesamt beläuft sich das zu prüfende Volumen auf über 66 Milliarden Euro. Den entstandenen Gesamtschaden beziffern die Kassen auf hochgerechnet etwa 2,3 Milliarden Euro. Würden die rund 2000 Kliniken richtig abrechnen, könnte der Beitragssatz in der Krankenversicherung der „Frankfurter Rundschau“ zufolge um 0,2 Punkte auf 15,3 Prozent sinken.

Krankenhäuser weisen Vorwurf zurück

Der Vorwurf der Kassen sei „schlichtweg falsch“, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum. Von gezielten Falschabrechnungen könne überhaupt keine Rede sein. Rund 70 Prozent der MDK-Prüfungen stellten infrage, ob Patienten ins Krankenhaus hätten aufgenommen werden sollen bzw. ob sie früher hätten entlassen werden können. Hier gehe es nicht um Abrechnungen, sondern um die Infragestellung der von den Kliniken umfassend geleisteten medizinischen Versorgung. Hinsichtlich dieser Fälle könne es aufgrund der Systematik des DRG-Systems dazu kommen, dass medizinische Sachverhalte unterschiedlich beurteilt werden – doch, so meint die DKG: „Ein Betrugsvorwurf kann darin nicht gesehen werden.“

Die Kliniken betonen außerdem, dass von den rund 18,6 Millionen Behandlungsfällen jährlich mehr als 95 Prozent der Klinikrechnungen unbeanstandet blieben. Zudem handle es sich bei den vom GKV-Spitzenverband als Schaden genannten 2,3 Milliarden Euro um das von Kassen ausgelöste Prüfvolumen. Das tatsächliche Kürzungsvolumen belaufe sich auf weniger als die Hälfte. Und das auch nur, weil die Kliniken vielfach Rechnungskürzungen akzeptierten, da sie – von der „überbordenden Flut von MDK-Prüfungen mürbe gemacht“ – kein Interesse an langwierigen Auseinandersetzungen mit den Kassen hätten.

Kritik: Kassen „diskreditieren“ Krankenhäuser ...

Mit seiner Aussage „diskreditiert“ der GKV-Spitzenverband nach Meinung der DKG die „seriös und sozial verantwortlich arbeitenden Kliniken“. Sie fordert daher einen sachlichen Beitrag dort, wo das komplizierte Abrechnungssystem Anlass zu unterschiedlichen Einschätzungen gibt. Hierzu könne auch die neu eingerichtete Bundesschiedsstelle beitragen, die in den nächsten Wochen ihre Arbeit aufnehmen wird.

... und halten sie kurz

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg, ergriff Partei für die Kliniken: Es gehe den Kassen „nur darum, die Krankenhäuser noch knapper zu halten“, kritisierte er. Seiner Meinung nach prallen hier medizinische Erwägungen direkt auf ökonomische Forderungen. Er fordert ein Abrechnungssystem, das Krankenhausleistungen bedarfsgerecht finanziert, einfacher ist und den Wettbewerb unter den Krankenhäusern reduziert. „Solange wir das nicht haben, wird die Diskussion um Falschabrechnung immer weitergehen.“

Schlichtungsstelle soll Abhilfe schaffen

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), kritisierte: „Alle paar Monate kommt es zum immer gleichen Streit – Krankenhäuser und Krankenkassen werfen sich gegenseitig Schikane und Betrug vor.“ Ähnlich wie die Kliniken setzt er jetzt „große Erwartungen“ in die Arbeit der Schlichtungsstelle – für unbürokratische und schnelle Lösungen. Voraussetzung sei allerdings die Bereitschaft beider Seiten, konstruktiv zu arbeiten. „Sonst braucht es tatsächlich härtere gesetzliche Strafen – für beide Seiten.“ Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, forderte Kassen und Kliniken auf, ihre „Querelen“ umgehend zu beenden und zu einer vernünftigen und kompromissorientierten Arbeitsweise zu finden. Mit der Bundesschlichtungsstelle sei ein notwendiges Instrumentarium dafür geschaffen, dass die Verantwortlichen zeitnah zu eigenständigen Lösungen kommen. Aber auch sie mahnt: „Wir werden genau beobachten, ob man gewillt ist, zu Ergebnissen zu kommen. Ansonsten wird der Gesetzgeber erneut handeln.“

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