Recht

„Mamma Mia“ auch in der Bundesrepublik?

Frauen dürfen bei der Beförderung nicht benachteiligt werden

Mh/bü | Zwar ging es in einem Fall vor dem Europäischen Gerichtshof um eine Arbeitnehmerin in Italien. Doch der Gerichtshof in Luxemburg machte ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Entscheidung gleichermaßen „andere nationale Gerichte“ (also auch deutsche) binde, die „mit einem ähnlichen Problem befasst werden“. Welches Problem bestand?

Eigentlich keins, denn: Die staatlich im Justizvollzugsdienst angestellte Frau wurde Mutter, was in Italien sonst für besonders große Freude sorgt. Das Negative hier zeigte sich jedoch später: Sollte doch Bambini dafür verantwortlich werden, dass Mama nicht an einem Ausbildungskurs teilnehmen durfte, der Grund- lage für (weitere) Beförderungen war.

Wofür hatte sie zwei Jahre zuvor in einem Auswahlverfahren für diesen Kurs gekämpft und sich durchgesetzt? Dafür, dass ihr nun die „Mutterschutz“-frist im Wege stehe? In Italien gelten 30 Tage, in denen Frauen nach der Geburt nicht arbeiten dürfen (in Deutschland sind es 8 Wochen). Weil der Kurs 3 Wochen nach der Entbindung begann, wurde sie ausgeschlossen (offiziell „geschützt“). Zwar sollte sie automatisch zum „nächsten veranstalteten Kurs“ zugelassen werden, doch das reichte ihr nicht. Wobei nicht mal feststand, ob und wann überhaupt ein solcher Kurs nochmal durchgeführt werden soll.

Ihr Argument: Sie wird „im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub aufgrund des Geschlechts diskriminiert“. Der Europäische Gerichtshof sah das auch so. Der automatische Ausschluss, ohne zu prüfen, wie viel die Frau zum Beispiel tatsächlich verpassen würde, wenn sie nach Ablauf der Schutzfrist in den Kurs einstiege, und die Ungewissheit darüber, wann der nächste Kurs denn überhaupt stattfinden wird, benachteilige die Frau gegenüber ihren männlichen Kollegen.

Der Arbeitgeber müsse „Abhilfe schaffen“ und beispielsweise für Nachschulungskurse sorgen, die gewährleisten, dass sich die berufliche Karriere von Frauen nicht langsamer entwickelt, nur weil sie Frauen sind. (EuGH, C 595/12)

Nun ging es um den öffentlichen Dienst. Kann das auch für „normale“ Arbeitnehmerinnen gelten? Wohl ja. Denn die Bestimmungen der Richtlinie über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen (RL 2006/54/EG) haben unmittelbare Wirkung. Der Gerichtshof schließt insoweit mit den Worten, dass die Bestimmungen der Richtlinie „hinreichend klar, genau und unbedingt sind, um unmittelbare Wirkung entfalten zu können.“ So sei jedes nationale Gericht verpflichtet, deren „volle Wirksamkeit dadurch zu gewährleisten, dass es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Bestimmung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt.“ Damit müsste jeder öffentliche und private Arbeitgeber die Richtlinie beachten, will er nicht riskieren, dass ein Gericht die Regelung kassiert.

Aber: Mit Blick auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird jeder Einzelfall betrachtet werden müssen. Der Gerichtshof hat hier ja wohl auch darauf abgehoben, dass es lediglich keinen Automatismus geben darf. Werden also zum Beispiel die Karrierechancen im Vergleich zu anderen Frauen und Männern konkret behindert, so gilt es sicherlich abzuwägen zwischen dem Gesundheits- und Mutterschutz auf der einen und der vertanen oder verzögerten Chance auf der anderen Seite.

Zumindest haben die Arbeitgeber es jetzt ein wenig schwerer. Es soll Fälle gegeben haben, in denen eine bedeutende Fortbildung (wie die in dem Fall aus Italien) genau in die Zeit des Beschäftigungsverbotes gelegt worden war, um die Chance einer weniger geliebten Mitarbeiterin zu verringern.

Wegen des Mutterschutzgesetzes in Deutschland, das 8 (bei Mehrlingsgeburten 12) Wochen Frist vorsieht, wird die Problematik auch nur in diesen verhältnismäßig kleinen Zeiträumen auftauchen. Aber immerhin für diese ist der Schutz für Frauen gestiegen. Andererseits können bei den ärztlich verordneten Beschäftigungsverboten vergleichbare Probleme zu lösen sein – und dies für erheblich längere Zeiträume als bei den gesetzlichen Mutterschutzfristen.

Der Gerichtshof hat im Übrigen auch nicht das Beschäftigungsverbot per se infrage gestellt. Es wurde lediglich betont, dass der Frau hieraus keine Nachteile erwachsen dürfen. Der Arbeitgeber könnte also die Mitarbeiterin so stellen, als hätte sie die Fort- oder Weiterbildung während des Beschäftigungsverbotes besucht. Dann wäre sie bei der nächsten Beförderung „sauber“ dabei – trotz Babyfreuden … 

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