Arzneimittel und Therapie

Tiefe Hirnstimulation auch in frühen Stadien

Die EARLYSTIM-Forschungsgruppe um Prof. Dr. Günther Deuschl von der Neurologie der Uni-Klinik Schleswig-Holstein in Kiel hat am 14. Februar eine viel beachtete Studie im New England Journal of Medicine zur frühzeitigen tiefen Hirnstimulation veröffentlicht. Sie könnte zu einem Paradigmenwechsel in der Parkinsonbehandlung führen und eine Option auch in wesentlich früheren Krankheitsstadien werden.

Bei der Parkinsonbehandlung stößt die Pharmakotherapie früher oder später an ihre Grenzen. Eine etablierte und häufig angewendete Option bei austherapierten Patienten ist die tiefe Hirnstimulation (THS). Dazu werden ein bis zwei Elektroden über ein Bohrloch in der Schädeldecke in die Substantia nigra oder den Globus pallidus eingeführt und mit einem Impulsgeber verbunden, der unter dem Schlüsselbein implantiert wird. Der Impulsgeber sendet dann die stimulierenden Impulse in die betreffende Region.

Bisher nur bei austherapierten Patienten

Parkinsonpatienten sind typischerweise nach elf bis 13 Jahren medikamentöser Therapie an einem Punkt angekommen, an dem die Wirkung der Medikamente ausgereizt ist und die Symptome der Krankheit nur noch unzureichend kontrolliert werden können. Dies war bislang der Zeitpunkt, an dem eine tiefe Hirnstimulation erwogen wurde.

In der neuen Studie sollte nun geklärt werden, ob auch Patienten in einem früheren Krankheitsstadium von der tiefen Hirnstimulation profitieren. Dazu wurden Patienten aufgenommen, bei denen im Durchschnitt erst vor 7,5 Jahren Parkinson diagnostiziert wurde und bei denen die Krankheit sich noch in einem früheren Stadium mit milden Symptomen befindet.

In die Studie eingeschlossen wurden 251 Patienten in 17 Zentren in Deutschland und Frankreich. Bei 120 Patienten wurde eine tiefe Hirnstimulation in Kombination mit der "bestmöglichen Pharmakotherapie" vorgenommen, 125 Patienten erhielten nur die "bestmögliche" medikamentöse Behandlung. Gemessen wurde die Lebensqualität mit dem Parkinson‘s Disease Questionnaire (PDQ-39) nach 5, 12 und 24 Monaten. Sekundäre Endpunkte wurden auch mit der UPDRS (Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale) und anderen Scores erfasst.


Neurostimulation und medikamentöse Therapie im Vergleich Änderungen von Subscores des PDG_39-Scores, der wichtige Bereiche der Lebensqualität von Parkinson-Patienten erfasst.

Gesteigerte Lebensqualität

Im Ergebnis profitierten die neurostimulierten Patienten in dieser Studie mit deutlich gesteigerter Lebensqualität, der PDQ-39-Score als primärer Endpunkt verbesserte sich um 26%, während er sich in der Beobachtungsgruppe minimal um 1% verschlechterte. Die motorischen Fähigkeiten (im UPDRS-Teil III Score) verbesserten sich ebenfalls deutlich um 53% in der THS-Gruppe, aber nicht in der Beobachtungsgruppe. Messungen im UPDRS-Teil IV Score, der besonders die L-Dopa induzierten Probleme misst, ergaben 61% bessere Scores in der THS-Gruppe.

Signifikante Verbesserungen ergaben sich für die THS-Patienten auch bei der Zeit mit guter Beweglichkeit (plus 20%), Zeiten besonders schlechter Beweglichkeit waren pro Tag um 1,8 Stunden kürzer. Der Gebrauch dopaminerger Medikamente (gemessen als L-Dopa-Äquivalent) ging in der THS-Gruppe um 39% zurück, während er in der Kontrollgruppe um 21% anstieg. Die tiefe Hirnstimulation führte auch zu Besserungen beim Wohlbefinden, bei Stigmatisierungen, bei sozialer Einbindung und bei kognitiven Fähigkeiten (siehe Abbildung). Depressionen waren unter Neurostimulation allerdings häufiger, der Beck Depression Inventory II Score verschlechterte sich deutlich.

Die klaren Aussagen und die harten Daten dieser Studie werden sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Tiefe Hirnstimulation in Zukunft bereits in früheren Krankheitsstadien angewendet wird. Bei Parkinsonspezialisten ist die Studie bereits auf sehr großes Interesse gestoßen.


Quelle

Schuepbach WMM, Rau J, Knudsen K et al. Neurostimulation for Parkinson‘s Disease with Early Motor Complications. N Engl J Med 2013; 368: 610 – 622.


Apotheker Olaf Rose, PharmD



DAZ 2013, Nr. 9, S. 37

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