DAZ aktuell

Gericht untersagt "Abholerentschädigung"

MÜNCHEN (ks). Eine Apotheke, die ihren Kunden einen 10-Euro-Gutschein für ihr Selbstbedienungssortiment verspricht, wenn sie ein Rezept nicht sofort beliefern kann und der Kunde das Arzneimittel später selbst abholt, handelt wettbewerbswidrig. Dies entschied das Landgericht München I in einem aktuellen Urteil. (Landgericht München I, Urteil vom 20. November 2012, Az.: 33 O 571/12 – rechtskräftig)

Der Inhaber einer in einer Fußgängerzone gelegenen Apotheke warb in seiner Apotheke sowie im Internet mit seiner "Abholerentschädigung": Kunden, die auf ihr verordnetes Arzneimittel warten mussten und den Lieferservice der Apotheke nicht in Anspruch nahmen, sollten für den Aufwand, nochmals in die Apotheke zu kommen, entschädigt werden. Für zehn Euro sollten sie sich aus der "Selbstbedienungszone" der großzügig angelegten Apotheke bedienen dürfen.

Die Bayerische Landesapothekerkammer sah in diesem Angebot eine Vielzahl von Verstößen wettbewerbsrechtlicher Art. Über die Wettbewerbszentrale wurde der Apotheker zunächst erfolglos abgemahnt – dann ging es vor Gericht. Dort können Kammer und Wettbewerbszentrale nun einen Erfolg für sich verbuchen. Das Landgericht München I hatte keinen Zweifel an einem Verstoß gegen die Preisbestimmungen des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung.

Verstoß gegen Preisbindung

Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung sind die Feststellungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in seinen Boni-Urteilen. Danach liegt ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen sind auch verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb ein Vorteil gewährt wird, der ihm den Kauf wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Ein Gutschein kann ein Vorteil in diesem Sinne sein. Abweichendes, so der BGH, könne allenfalls dann gelten, wenn der Gutscheineinlösung wesentliche Hindernisse entgegenstünden "oder die Vorteile nicht alleine für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels, sondern auch aus anderem Anlass gewährt werden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss".

Ausnahmefall nicht gegeben

Anders als der Beklagte konnte das Landgericht vorliegend keinen solchen Ausnahmefall erkennen. Es könne eben nicht unterstellt werden, dass die Abholung durch den Kunden für diesen stets eine besondere Unannehmlichkeit darstelle, heißt es im Urteil. Insbesondere wegen der zentralen Lage seiner Apotheke in der Innenstadt werde es zahlreiche Kunden geben, die nicht extra wegen der Abholung des Medikaments, sondern bereits aus anderen Gründen wieder an der Apotheke vorbeikommen. Sie könnten die Selbstabholung gar aus freien Stücken einer Lieferung vorziehen. Zudem: Dass ein Arzneimittel in Apotheken nicht stets vorrätig ist, stelle sich als "durchaus üblicher Sachverhalt und nicht als besondere Unannehmlichkeit dar". Auch verstoße die Marketingaktion gegen den Sinn und Zweck der Preisbindungsvorschriften: Sie stelle Kunden vor die Frage, warum sie die nötigen Arzneimittel in einer anderen Apotheke kaufen sollten, wenn sie in der Apotheke des Beklagten die Aussicht auf einen 10-Euro-Gutschein haben. "Dies läuft dem Gesetzeszweck der Verhinderung eines Preiskampfes zuwider und führt zu einem unerwünschten Verdrängungswettbewerb", so die Richter.

Die hier einschlägigen preisrechtlichen Bestimmungen seien auch Marktverhaltensregelungen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – ein Unterlassungsanspruch sei damit gegeben. Ausnahmetatbestände griffen nicht ein, insbesondere handele es sich nicht um eine "geringwertige Kleinigkeit".



DAZ 2013, Nr. 8, S. 11

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