Fortbildungskongress

Therapie ambulant erworbener Atemwegsinfekte

Ambulant erworbene Atemwegsinfektionen sind die häufigsten Erkrankungen des Menschen, zeichnen sich aber in der Regel durch eine sehr niedrige Letalität aus – mit Ausnahme der ambulant erworbenen Pneumonie und der Influenza. Durch die häufig nicht indizierte Antibiotika-Therapie der Atemwegsinfekte gibt es im ambulanten Bereich eine Resistenzselektion der Erreger, die sich dann – sekundär – auch im stationären Bereich niederschlägt. Darauf wies Professor Gert Höffken vom Universitätsklinikum Dresden in seinem Vortrag hin.
Prof. Dr. Gert Höffken, Dresden: Die empfohlenen Schutzimpfungen sollten durchgeführt und regelmäßig aufgefrischt werden. Foto: DAZ/wes

Die meisten Atemwegsinfekte haben eine sehr unspezifische Symptomatik, was die sichere Diagnosestellung und Zuordnung erschwere, so Höffken. Die Krankheiten werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und können viralen wie bakteriellen Ursprungs sein. Viele Atemwegserkrankungen folgen einem ausgeprägten saisonalen Rhythmus, das heißt sie sind im Winter viel häufiger als im Sommer. Problematisch sei dabei vor allem die Co-Saisonalität von Influenza und Pneumokokken, so Höffken.

Da eigentlich alle akuten Infektionen der oberen Atemwege selbstlimitierend sind, betonte Höffken wiederholt, dass eine Antibiotikagabe in den allermeisten Fällen nicht indiziert sei. Bei der akuten Rhinosinusitis beispielsweise habe eine Antibiotikatherapie keinerlei Einfluss auf die Heilungsrate – wohl aber Nebenwirkungen. Meist reiche eine symptomatische Therapie aus, beispielsweise ein Antipyretikum. Bei einer akuten Otitis media empfahl er die zusätzliche Anwendung von Xylometazolin-Nasentropfen und/oder einer inhalativen NaCl-Lösung, bei Tonsillitis eine desinfizierende Gurgellösung.

Antibiotika sinnvoll

Sehr wohl indiziert ist eine antibiotische Therapie dagegen bei der Pertussis. Zwar gibt es gegen Bordetella pertussis und Bordetella parapertussis, das leichtere Erkrankungen verursacht, eine Schutzimpfung, doch kommt es bei Geimpften ab dem 30. Lebensjahr zu Reinfektionen. Deshalb muss die Pertussisimpfung aufgefrischt werden. Akute Infektionen mit diesem hoch ansteckenden Erreger werden mit Makroliden behandelt – meist kämen die Patienten aber erst in einem späten Erkrankungsstadium in die Praxis, in dem eine Antibiotikatherapie nicht mehr helfe, erklärte Höffken. Die Influenza (echte Grippe) wird durch Orthomyxo-RNA-Viren ausgelöst, die sich durch rasche Mutation (Drift- und Shift-Varianten) auszeichnen. Deswegen muss eine Schutzimpfung jährlich mit den aktuellen Virenstämmen wiederholt werden. In Deutschland erkranken pro Jahr rund 200.000 Menschen an der echten Grippe, es kommt zu circa 10.000 Grippe-assoziierten Todesfällen. Inzidenz und Letalität sind bei Menschen über 60 am höchsten, weshalb hier die Schutzimpfung empfohlen ist. Zur Therapie der Influenza stehen Neuraminidase-Hemmer zu Verfügung, deren Wirksamkeit aber aktuell kontrovers diskutiert werde, so Höffken. Es gebe aber wahrscheinlich einen Nutzen bei Hochrisiko-Patienten.

Impfempfehlungen


Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut aktualisiert in der Regel einmal jährlich ihre Empfehlungen: www.rki.de

Über die aktuelle Influenzaaktivität informiert die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am RKI in ihren Wochenberichten: www.influenza.rki.de

Gefürchtete CAP

Jährlich erkranken in Deutschland 600.000 bis 800.000 Menschen an einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP, Community-acquired Pneumonia). Sie führt in ungefähr 20% der Fälle zu einer Hospitalisierung und weist je nach Schwere der Erkrankung eine Letalität von 1 bis 38% auf. Wegen der Gefahr von Komplikationen wie Sepsis, septischer Schock, Pleuraemphysem oder ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) ist eine sofortige antibiotische Therapie angezeigt. Diese sollte möglichst innerhalb von zwei, spätestens nach vier Stunden begonnen werden, so Höffken. Da die Erreger einer ambulant erworbenen Pneumonie in fast 50% der Fälle Pneumokokken sind, ist Ciprofloxacin aufgrund seiner Pneumokokken-Lücke kontraindiziert.

Die Grippeimpfung senkt auch die Inzidenz der ambulant erworbenen Pneumonie, weitere Präventionsmaßnahmen sind eine Pneumokokkenimpfung, Nichtrauchen und gegebenenfalls das Absetzen von Protonenpumpeninhibitoren, deren chronische Anwendung eine Pneumokokkeninfektion begünstigt.


wes



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DAZ 2013, Nr. 7, S. 50

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