Arzneimittel und Therapie

Gute Heilungschancen durch Stuhltransplantation

Seit der Einführung von Breitbandantibiotika ist die Antibiotika-induzierte Diarrhö eine bekannte Nebenwirkung. Dadurch können sich Keime wie Clostridium difficile im Darm ausbreiten. Beobachtungsstudien mit der fäkalen Transplantation zeigten positive Effekte bei der Wiederherstellung einer gesunden Darmflora [2]. Dabei werden Portionen des Mikrobioms aus dem Darm eines Spenders auf den Erkrankten übertragen. So soll die Darmflora wieder in den gesunden Zustand versetzt werden. Jetzt zeigte eine erste klinische Studie eine überzeugende Wirkung der Transplantation von Fäzes bei der Behandlung chronischer Infektionen mit Clostridium difficile.
Darmkeime nach Verdünnungsreihe Die Darmflora des Menschen ist ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet und die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Individuums werden sicherlich noch viele Überraschungen hervorbringen.
Foto: Agiltera GmbH & Co KG

In den USA, wo der Gebrauch von Breitbandantibiotika weit häufiger ist als in Europa, sterben an einer Clostridium-difficile-Infektion mehr Patienten als an Aids. Bei Antibiotika-induzierter Diarrhö werden zur Milderung der Symptome Lebende Arzneimittel auf Basis von E. coli (Mutaflor®, Symbioflor 2®), Saccharomyces spp. (Perenterol®) oder Nahrungsergänzungsmittel mit mehreren Keimen wie zum Beispiel UK-Darmflora empfohlen [1]. Infektionen durch Clostridium difficile werden hingegen durch stark wirksame Antibiotika bekämpft, so zum Beispiel mit Vancomycin. Die Heilungschancen sind enttäuschend, auch aufgrund einer deutlichen Tendenz zu Remissionen. Hingegen wurden seit Jahren in Beobachtungsstudien positive Effekte durch fäkale Transplantation festgestellt [2].

Infusion von Spenderkot

Bei der fäkalen Transplantation werden Portionen des Mikrobioms eines Spenders durch die Infusion einer Fäzes-Lösung auf den Erkrankten übertragen. Trotz fehlender evidenzbasierter Studien und der gewöhnungsbedürftigen Übertragung von Stuhl durch Nasensonden, Darmsonden oder rektale Darmspülungen haben jedoch weltweit verschiedene Arbeitsgruppen versucht, diesen erfolgversprechenden Ansatz zu verifizieren. Nunmehr liegt neben einer Reihe von Fallstudien eine erste klinische Studie aus Europa vor, die eine ausgeprägte Wirkung erwarten lassen. Niederländische Forscher um Els van Nood berichten im New England Journal of Medicine von einer dreiarmigen randomisierten klinischen Studie [3] mit 43 bereits mindestens einmal mit einer Antibiotikatherapie vergeblich behandelten Patienten mit einer Clostridium-difficile-Infektion, wobei mindestens 500 mg Vancomycin/Tag mindestens zehn Tage lang appliziert wurde oder 1500 mg Metronidazol/Tag vergeblich zum Einsatz kamen. Die Studie mit dieser noch wenig verbreiteten Therapie, die vom Niederländischen Gesundheitsministerium gefördert wurde, war erfolgreich. So wurde die Studie wegen der erheblichen Vorteile in der Patientengruppe mit einem Stuhltransplantat abgebrochen. Die Patienten, die klassisch mit Antibiotika behandelt wurden, bekamen aufgrund der signifikant besseren Heilungschancen im anderen Studienarm das Angebot, die Therapie zu wechseln.

Erfolgreich gegen Clostridium difficile

Von den 43 an Clostridium difficile erkrankten antibiotisch nicht erfolgreich behandelten Patienten wurden randomisiert 16 Patienten mit der Stuhltherapie durch eine Nasalsonden-Transplantation behandelt. Je 13 Patienten wurden mit Vancomycin behandelt, wovon die eine Gruppe nur das Reserveantibiotikum erhielt, die zweite Gruppe zuvor einer intensiven Darmspülung unterworfen wurde. Letzteres ist zur Verringerung der mikrobiellen Grundbelastung des Darms mit Mikroorganismen vorgesehen. Von den 16 Patienten in der Stuhltherapie wurden 13 schon nach der ersten Dosierung des Stuhltransplantats remissionsfrei geheilt. Die verbliebenen drei Patienten wurden nach 14, 50 und 53 Tagen erneut mit einem Transplantationsstuhl eines jetzt anderen Spenders behandelt, wodurch zwei weitere Patienten geheilt wurden (Heilungsrate 94%). In der Standardtherapie mit Vancomycin wurden vier der 13 Patienten geheilt (31%). Nur 23% (3 von 13) der Patienten in der Gruppe, die zusätzlich eine Darmspülung erhielt, wurden über die Beobachtungszeit der Studie von zehn Wochen nachweislich von Clostridium difficile befreit. Damit war die Stuhltherapie der Vancomycin-Behandlung hochsignifikant (p < 0,01) überlegen. Auch wenn die Stuhltherapie in dem gewählten Studiendesign nicht verblindet wurde und daher aufgrund der besonderen Implikationen ein erheblicher Placeboeffekt zu unterstellen ist, ist die Stuhltherapie als wirksame Behandlung mit Lebenden Arzneimitteln einzustufen. Es gilt allerdings zu berücksichtigen, dass die Studienpopulation sich aus bereits mit Antibiotika nicht erfolgreich behandelten CD-Patienten rekrutierte, üblicherweise mit Vancomycin, so dass der (Miss)-Erfolg der beiden Studienarme mit Vancomycin-Gabe vorhersehbar erscheint.

Die Nebenwirkungen dieser Therapie waren sehr häufig Blähungen, Darmkrämpfe, Diarrhö, Verstopfung und Harninfektionen. Gemessen am Therapieziel sind diese als akzeptabel einzustufen und durch die massive Veränderung des sonst individuellen Mikrobioms erwartet. Sie traten zudem überwiegend nur in den ersten drei Stunden nach der Transplantation auf. 18 mit Vancomycin auch in dieser Studie vergeblich behandelter Patienten wechselten daraufhin den Studienarm, und 15 (83%) wurden so ebenfalls geheilt.

Artenvielfalt im Darm erhalten

Die Patienten wurden neben der Untersuchung auf Abwesenheit von Clostridium difficile auch auf die Artenvielfalt ihres jeweiligen Mikrobioms untersucht. War diese vor der Transplantation deutlich geringer als bei Gesunden, wurde nach der Intervention eine Angleichung bis zum Normalzustand gefunden.

Anhand dieser Ergebnisse kann festgestellt werden, dass die Vorstellung, eine bakterielle Darminfektion mit einem Regime der "Desinfektion" zu behandeln, nicht den gleichen Erfolg verspricht wie Maßnahmen, die versuchen, das Ökosystem Darm wiederherzustellen. Sind durch Antibiotika Schäden an der Darmflora entstanden, sind diese nicht durch Darmspülungen und gleichzeitige Einnahme von starken Antibiotika zu beheben, sondern nur durch "Aufforsten", das heißt durch Gabe von Darmbakterien. Im Trend wird diese Interpretation gestützt durch die noch schlechteren Heilungschancen, wenn nicht nur antibiotisch behandelt wurde, sondern auch noch der Darm gespült wurde. Bei einer mikrobiologischen Rekultivierung des Darms ist allerdings zu beachten, dass eine Applikation von einzelnen ausgesuchten Keimen wie in den bekannten und zugelassenen Lebenden Arzneimitteln ebenfalls wenig erfolgversprechend ist, da das Mikrobiom sich aus 100 bis 1300 verschiedenen Bakterienarten zusammensetzt und eine "Monokultur" mit einem oder wenigen Arten kein stabiles Biotop verspricht.

Die Erkenntnis, dass Breitbandantibiotika relevante Schäden in der Darmflora des Patienten hinterlassen, verstärkt die Forderung nach Entwicklung selektiver Antibiotika [4] möglichst gegen Einzelkeime aus dem letztlich begrenzten Spektrum der humanpathogenen Bakterien. Nachdem wir heute Methoden zur schnellen Identifizierung der Bakterienspezies haben, ist eine "Schrotschuss"-Methode mit Breitbandantibiotika nicht mehr zu rechtfertigen und kann gegebenenfalls durch Verwendung von selektiven Antibiotika wie Fidaxomicin [5] verbessert werden.


Quelle

[1] Heuer H, Heuer L, Saalfrank V. Lebende Arzneimittel, Dtsch Apoth Ztg; 2010; 150, 4122.

[2] Heuer H, Heuer L. Fäkale Bakteriotherapie, Dtsch Apoth Ztg 2011; 151, 2880.

[3] van Nood E, et al. Duodenal Infusion of Donor Feces for Recurrent Clostridium difficile, N Engl J Med 2013; 1-9, DOI: 10.1056/NEJMoa1205037.

[4] Heuer L. Kampf gegen Krankenhausinfektionen, VAA Magazin, 2011; August, 46 – 47.

[5] Fessler B. Clostridium difficile im Visier. Dtsch Apoth Ztg 2013; 153, 380 – 382.


Apothekerin Heike Heuer, Dr. Lutz Heuer



DAZ 2013, Nr. 6, S. 56

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.