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Zwischen Jobsuche und Hungerlohn

Wie geht es der Generation Praktikum?

Jahr für Jahr werden in Deutschland etwa 600.000 Praktika absolviert: teils als Pflicht im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums, teils aber auch im Anschluss, um einen Arbeitsplatz zu bekommen. Zwar wächst die Zufriedenheit von Praktikanten – ihre Perspektiven haben sich aber kaum verbessert.

Wie es inzwischen um die „Generation Praktikum“ bestellt ist, hat Clevis, eine Unternehmensberatung aus München, jetzt herausgefunden. In ihren aktuellen „Praktikantenspiegel 2012“ flossen Bewertungen von rund 5500 Praktikanten ein. Etwa 82 Prozent waren mit ihrem Unternehmen zufrieden – Top-Noten erzielte die pharmazeutische Industrie, gefolgt von IT-Firmen und vom Handel. Öffentliche Apotheken wurden jedoch nicht erwähnt.

Branchenübergreifend kritisierten die Studienteilnehmer aber fehlende Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten – eigentlich der tiefere Sinn von Praktika.

Mangelnde Perspektiven

Mit den beruflichen Aussichten sieht es eher düster aus. Weniger als jeder zehnte Praktikant bekam im Unternehmen später auch eine Festanstellung, berichtet Clevis weiter.

Und laut der Umfrage „Generation Praktikum“, herausgegeben von der DGB-Jugend, müssen 38 Prozent aller Hochschulabsolventen weitere Praktika machen, um – vielleicht – einen Job zu finden. Bis dahin haben sie im Schnitt schon vier Hospitanzen hinter sich gebracht.

Mindestlohn im Praktikum?

Ein Blick auf den Gehaltszettel: Laut „Praktikantenspiegel“ ist die durchschnittliche Entlohnung auf nunmehr 700 Euro pro Monat gestiegen – das macht bei durchschnittlichen Arbeitszeiten von 40 Wochenstunden etwas mehr als vier Euro pro Stunde.

Geschlechtergerechtigkeit ist auch hier noch nicht verwirklicht: Frauen bekommen bis zu 30 Euro weniger als Männer. Und Firmen in den östlichen Bundesländern zahlen deutlich schlechter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Mindestlohn

„… die Tatsache, dass wir heute Regionen haben, in denen vielleicht 70 Prozent der Betriebe gar keine Tarifverträge mehr haben, entspricht nicht unseren Vorstellungen von funktionierender sozialer Marktwirtschaft und der Aufgabe der Tarifvertragsparteien.“

Quelle: ARD-Aufzeichnung vom kleinen CDU-Parteitag am 9. Dezember 2013

Jetzt ist die Politik gefragt: Union und Sozialdemokraten planen in ihrem Koalitionsvertrag einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 pro Stunde. Inwieweit dies auch für Praktikanten zumindest nach Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums gelten soll, ist dort nicht ausgeführt. Wirtschaftsverbände laufen jedenfalls gegen diese Aussichten Sturm. Bereits vor Jahren war ein Vorstoß des damaligen Arbeitsministers Olaf Scholz (SPD) an deren Widerstand gescheitert.

Urteile zur Praktikantenvergütung

  • LAG Hamm, Urteil vom 29.11.2012, Az. 11 Sa 74/12
  • LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.2.2008, Az. 5 Sa 45/07 http://bit.ly/18CBeLx

Ausbildung statt Ausnutzung

Was unter einem Praktikum arbeits- oder sozialrechtlich zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber ebenfalls bis heute nicht definiert. Allerdings steht der Ausbildungscharakter unbestritten im Mittelpunkt – oder sollte es zumindest tun.

„Junge Leute sind nach Abschluss ihrer Ausbildung in Gefahr, als kostengünstige/billige Arbeitskräfte eingesetzt zu werden“, sagt ADEXAs Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer. „Dabei werden einerseits Nachwuchsfachkräfte ausgebeutet und andererseits reguläre Jobs vernichtet.“ Der demografische Wandel wird hier jedoch früher oder später ein Umdenken erzwingen.

Stehen Arbeitsleistung und Vergütung jedoch in einem „deutlichen Missverhältnis“, spricht das Bundesarbeitsgericht von Lohnwucher. Dann sind auch heute bereits Klagen vor dem Arbeitsgericht möglich.

Quelle

„Praktikantenspiegel“: http://bit.ly/1gcevea

„Generation Praktikum“: http://bit.ly/195hnoK

 

Michael van den Heuvel

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