Arzneimittel und Therapie

Meningokokken-B-Vakzine wirksam und verträglich

Für einen Impfstoff zum Schutz vor Infektionen mit Meningokokken der Serogruppe B wurde jetzt von der EMA eine Zulassung erteilt. Der Hersteller Novartis hofft, den Impfstoff Bexsero® im Sommer 2013 einzuführen. Kürzlich wurde eine Phase-III-Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit publiziert. Darin erzielte man nach Gabe von drei Dosen im Alter von zwei, vier und sechs Monaten sowie einer Boosterdosis im Alter von zwölf Monaten bei 95 bis 100% der Kinder einen ausreichenden Impfschutz. Die Immunogenität anderer, gleichzeitig verabreichter Impfstoffe wurde nicht beeinträchtigt.

Meningokokken-Erkrankungen gehören zu den schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts nimmt die Inzidenz in Deutschland seit 2003 leicht ab und liegt derzeit bei 0,45 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnern. Problematisch ist jedoch, dass die Mehrzahl der Erkrankungen (ca. 71%) durch Erreger der Serogruppe B hervorgerufen wird, gegen die noch kein Impfstoff verfügbar ist. Erreger der Serogruppe C sind für ca. 21% der Erkrankungen verantwortlich, andere (A, W135 und Y) spielen bei uns kaum eine Rolle. Sie führten in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend im Meningitisgürtel der Subsaharazone und in Asien zu großen Epidemien.

Weltweite Epidemiologie der Meningokokken Große Epidemien, die in erster Linie durch Meningokokken der Serogruppe A, aber auch C, W135 und X ausgelöst wurden, traten in den vergangenen Jahrzehnten vorallem im Meningitisgürtel der Subsaharazone und in Asien auf. In Europa (Island, Norwegen, Irland, Spanien, den Niederlanden), den USA, Mittelamerika und Neuseeland werden sich langsamer entwickelnde Epidemien durch Meningokokken des Serotyps B beobachtet.
Grafik: Novartis Vaccines

Kinder ab zwei Monaten eingeschlossen

Zwar können Meningokokken-Erkrankungen in jedem Lebensalter auftreten, die höchsten Inzidenzen werden jedoch im ersten und zweiten Lebensjahr sowie bei 15- bis 19-jährigen Jugendlichen beobachtet. In die im Fachblatt Lancet veröffentlichte Phase-III-Studie mit dem neu entwickelten Mehrkomponenten-Impfstoff 4CMenB waren daher Kinder bereits ab einem Alter von zwei Monaten eingeschlossen worden. Den insgesamt 3630 Teilnehmern verabreichte man in einem Drei-Dosen-Schema (im Alter von zwei, vier und sechs Monaten) Routineimpfungen entweder allein oder in Kombination mit der neuen Vakzine bzw. einem konjugierten Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe C (MenC). Die Routineimpfungen bestanden aus einem 7-valenten Pneumokokken-Impfstoff sowie einem Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Hepatitis B und Haemophilus influenzae Typ b. Die Immunantworten auf die vier Komponenten von 4CMenB (fHbp, NadA, OMV und NHBA) wurden mithilfe eines Serumbakterizidie-Tests (human serum bactericidal antibody assay, hSBA) ermittelt. Antikörper-Titer von ≥ 1:5 galten als protektiv und wurden als Impferfolg erachtet.

Warum kommt der MenB-Impfstoff erst jetzt?


Ein Grund dafür ist die große Ähnlichkeit des Serotyp-B-Kapselantigens, das normalerweise für die Impfstoffentwicklung genutzt wird, mit einem Oberflächenantigen menschlicher Nervenzellen. Dies bedingt eine geringe Immunogenität des bakteriellen Antigens sowie die Gefahr von Autoimmunreaktionen. Sogenannte outer membrane vesicle (OMV)-Vakzinen gegen die Serogruppe B, die in einigen Regionen (z. B. Neuseeland) zum Einsatz kommen, basieren auf einem äußeren, stammspezifischen Membranprotein des Erregers und decken daher nur einen kleinen Teil der Stämme ab. Die Entwicklung von Bexsero® wurde nach Entschlüsselung der Genomsequenz von Meningokokken-Stämmen der Serogruppe B möglich.

Zuverlässiger Schutz nach vier Impfdosen

Einen Monat nach der dritten 4CMenB-Dosis wiesen alle Kinder einen 100%-igen Impfschutz gegen zwei der vier 4CMenB-Impfkomponenten und einen 84%igen Schutz gegen die anderen beiden Komponenten auf.

Insgesamt 1555 Kinder wurden anschließend in die Boosterphase der Studie aufgenommen: Neben einer 4CMenB-Boosterdosis erhielten sie gleichzeitig eine Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken (MMRV) oder eine separate 4CMenB-Boosterdosis im Alter von zwölf Monaten und die MMRV-Impfung einen Monat später. Nach der im Alter von zwölf Monaten verabreichten 4CMenB-Boosterdosis wurde bei 95 bis 100% der Kinder eine ausreichende Immunreaktion (hSBA-Tier ≥ 1:5) auf alle vier Impfkomponenten beobachtet. Der neue Mehrkomponenten-Impfstoff zeigte in dieser Studie keine Beeinträchtigung der Immunogenität anderer Impfstoffe bei gleichzeitiger Applikation.

Das Nebenwirkungsprofil der Impfung war akzeptabel. Während der primären Impfphase traten bei gleichzeitiger Gabe des Mehrkomponenten-Meningokokken-Impfstoffes mit Routineimpfstoffen häufiger lokale Impfreaktionen wie Schmerzempfindlichkeit und leichtes bis mittelschweres Fieber auf als bei alleiniger Gabe der Routineimpfstoffe. Fieber von 38,5°C oder höher trat bei 77% der Kinder nach 4CMenB-Gabe versus 45% nach Routineimpfungen allein bzw. 47% mit MenC auf. Für zwei Fälle von Fieberkrämpfen sowie zwei Kawasaki-Erkrankungen wurde ein Zusammenhang mit dem 4CMenB-Impfstoff gesehen.

Zwei Kommentatoren der Studie bezeichnen die Ergebnisse als wissenschaftlichen Durchbruch. Ihrer Ansicht nach wäre es wichtig, die Impfung gegen Serotyp-B-Meningokokken nun rasch in nationale Impfprogramme aufzunehmen, um ihr Potenzial ausnutzen zu können.


Quelle

Vesikari, T, et al. Immunogenicity and safety of an investigational multicomponent, meningococcal serogroup B vaccine (4CMenB) administered concomitantly with routine infant and child vaccinations. Lancet (2013), Online-Vorabpublikation vom 14. Januar 2013, dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(12)61961-8

Snape, MD, Pollard, AJ. The beginning of the end for serogroup B meningococcus? Lancet (2013), Online-Vorabpublikation vom 14. Januar 2013, dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(12) 62194-1

Meningokokken-Erkrankungen. Ratgeber für Ärzte vom Robert Koch-Institut, Stand September 2011.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2013, Nr. 5, S. 26

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