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„Der Profit steht im Vordergrund“

Stiftung Warentest kritisiert Verkaufspraktiken der Apotheker

BERLIN (jz) | „Es mag Apotheker geben, die gute Hinweise geben und sinnvolle Präparate verkaufen. Bei meinen Erlebnissen aber schien der Profit im Vordergrund zu stehen.“ Zu diesem Ergebnis kommt Stiftung Warentest in der Dezember-Ausgabe. Das Verbrauchermagazin nimmt darin unter dem Thema „Medikamente gegen Erkältung“ acht der meistverkauften Kombinationsprodukte gegen Erkältungskrankheiten unter die Lupe – und prangert die Verkaufspraktiken der Apotheker an.

Die acht meistverkauften Kombinationsprodukte gegen Erkältungskrankheiten – darunter Aspirin Complex, Wick DayMed Kombi, Wick MediNait Erkältungssirup, Doregrippin, Grippostad C – sind laut Stiftung Warentest entweder wirkungslos, wenig hilfreich, teuer, fragwürdig oder sogar riskant. „Solche Medikamente versprechen, zeitgleich verschiedene Symptome zu bekämpfen, und enthalten daher mehrere Wirkstoffe“, erklären die Tester – die aber ergänzten sich oft nicht sinnvoll oder belasteten den Körper unnötig. Sie empfehlen daher, Erkältungssymptome einzeln zu behandeln, und liefern auch die entsprechenden Alternativen.

Dazu gibt es einen Apothekentest – in fünf Apotheken. „Meine Erlebnisse sind keineswegs repräsentativ, doch sie hinterlassen einen faden Beigeschmack“, schreibt der Tester. Nur zwei Apotheker hätten nach den konkreten Beschwerden gefragt. Und selbst nachdem er über Husten geklagt habe, sei es bei der Empfehlung Grippostad C geblieben, obwohl das Präparat gar keinen Wirkstoff gegen dieses Symptom enthalte. Seiner Meinung nach wäre es besser und günstiger, statt des überwiegend von Apothekern empfohlenen, fast zehn Euro teuren und müde machenden Kombiprodukts knapp vier Euro für Schmerzmittel und Nasenspray auszugeben.

Glaeske: Apotheken verkaufen umsatzorientiert

Warum die konsultierten Pharmazeuten dies offenbar anders sehen, erklärt sodann Prof. Gerd Glaeske von der Universität Bremen, der Stiftung Warentest berät. Dafür gebe es mehrere Gründe: „Bei Medikamenten, die über die Werbung besonders bekannt sind, bekommen Apotheken oft günstige Einkaufskonditionen. Sie bestellen schon im Sommer Erkältungsprodukte, erhalten Rechnungsrabatte zwischen 15 und 20 Prozent und sparen dadurch viel Geld.“ Entsprechend groß sei die Gewinnspanne beim Verkauf teurer Kombiprodukte. Kunden, die gezielt nach einem aus der Werbung bekannten Produkt fragten, werde nur selten davon abgeraten. „Der Patient hätte dann zwar hilfreiche Hinweise bekommen, aber der Apotheker keinen Umsatz gemacht.“

Warentest gibt Beratungstipps

Allgemeingültige Hausmittelhinweise – ausreichend trinken, kühle Wadenwickel machen, viel ruhen – hätten Stiftung Warentest ebenfalls gerne bekommen. Sie kamen aber nicht. Im Gegenteil: „Als ich erwähne, weiter arbeiten zu wollen, stellen mir drei der fünf Apotheker ein weiteres bekanntes Mittel auf den Tresen: Wick MediNait Erkältungssirup für die Nacht“ – damit bekämpfe das Immunsystem die Krankheit im Hintergrund, habe es zur Erklärung geheißen. Als Empfehlung an die Apotheker heißt es im Beitrag daher: „Bevor es überhaupt zu einem Verkaufsgespräch kommt, sollte ein Apotheker immer erfragen, unter welchen Beschwerden der Kunde leidet.“ Nur so sei die optimale Versorgung des Patienten sichergestellt. 

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