DAZ aktuell

Wo bleibt der Aufschrei?

Ein Gastkommentar von G. Schulze

Gerhard Schulze, geb. 1944, ist Professor für Soziologie an der Universität Bamberg. Seine Arbeiten untersuchen den kulturellen Wandel der Gegenwart.

Krankenschwestern und Feuerwehrleute verdienen wenig, aber im Ranking der Berufsgruppen stehen sie ganz oben. Bei Bankern, Politikern und Managern gilt das Gegenteil. Erstere brauchen mehr Geld, letztere ein besseres Image. Und wie steht es mit den Apothekern? Ihr Kampf um die ökonomische Existenz wird weiter gehen, im Ansehen dagegen gehören sie zu den Top Ten, wenn auch weit hinter den Ärzten.

Brauchen die Apotheker also eine Image-Kampagne? Gegenfrage: Warum hat man nie etwas von einer Imagekampagne für Krankenschwestern, Feuerwehrleute oder Ärzte gehört? Richtig: Weil die Bedeutung dieser Berufsgruppen für das Gemeinwohl ohnehin sonnenklar ist. Dass ihre Angehörigen in der ganzen Bevölkerung hoch geachtet werden, und dies ohne jede Werbemaßnahme, liegt schlicht daran, dass sie einen guten Job machen. Ihre Unentbehrlichkeit ist selbstevident.

Man könnte meinen, dies sei bei den Apothekern auch der Fall; warum sonst stehen sie so weit oben in der Prestigeskala? Nach wie vor genießen sie das Vertrauen der Bevölkerung. So gehen die weitaus meisten Leute im Zweifel lieber zu ihrem Apotheker als ins Internet. Im Zeitalter der Selbstmedikation und der Überfrachtung mit widersprüchlichen Informationen wird dieser Zweifel kontinuierlich zunehmen.

Was Apotheker brauchen, ist nicht primär höheres Ansehen, sondern ein neues berufliches Profil auf der Höhe der Zeit. Dazu mag man „Leitbild“ sagen, aber man darf nicht vergessen, worum es im Kern geht: um nichts weniger als um einen Wandel der Berufsrolle, wie etwa die Vorsitzende des Apothekerverbands Brandenburg, Andrea Lorenz, vor Kurzem betont hat.

Was das konkret bedeutet, kristallisiert sich in der Branche immer deutlicher heraus: Es geht um die Institutionalisierung pharmazeutischer Fallbegleitung mit allem, was dazu gehört: Honorierung, Dokumentationswesen, Kooperation mit Ärzten, Ausbildungsinhalte, Räume für vertrauliche Beratung und langfristig geplante Übergangslösungen.

Vor diesem Hintergrund reibt man sich als externer Beobachter angesichts einer eher beiläufigen Meldung in der DAZ vom 7.11.2013 (S. 18) die Augen. Die ABDA, so wird berichtet, investiert ihren halben PR-Etat, jährlich 2 Millionen Euro, in eine zunächst für drei Jahre geplante „integrierte Imagekampagne“.

Beauftragt wurde die Firma Cyrano, auf deren Webseite es heißt: „Das Leitbild ist die Königsdisziplin der internen Kommunikation. Ein wichtiger Baustein, um ein effektives, zielgenaues Miteinander aller Unternehmensangehörigen zu ermöglichen.“ Auf der Grundlage von Tiefeninterviews verheißt Cyrano „ein unverwechselbares Leitbild, mitreißend, aber mit konkreten, verbindlichen Kernaussagen“. Aha.

Stellen Sie sich nun bitte einen Apotheker Ihrer Wahl vor, der dies liest. Wird er die Weisheit der ABDA preisen, endlich Fachleute auf die Zukunft seiner heilberuflichen Kernkompetenz anzusetzen? Wird er froh sein, nun auf Klarheit über sich selbst hoffen zu dürfen? Wird er die „mitreißenden, konkreten, verbindlichen Kernaussagen“ kaum erwarten können? Und wird Ihr Apotheker nun auch den Sinn der jüngsten ABDA-Gebührenerhöhung einsehen? „Das ist doch gut investiertes Geld! Bald weiß ich, wo es lang geht.“

Wenn es Ihnen partout nicht gelingen will, sich auch nur einen einzigen Apotheker vorzustellen, der so reagiert, dann liegt eine Anschlussfrage nahe: Wo bleibt der Aufschrei?

Denn wenn es so ist, dass die Apotheker selbst am besten wissen, wo sie hinwollen, dann brauchen sie keine außengeleitete Selbsterforschung unter der Regie pharmazeutischer Laien. Es würde doch genügen, wenn die Standesvertreter ihre Arbeit machen.

Und wenn es so sein wird, dass die neue Funktion der Apotheker nach einem Rollenwandel der Profession für jedermann so klar hervortreten wird wie bei Krankenschwestern, Feuerwehrleuten und Ärzten, dann braucht es keine Anbiederung durch eine Imagekampagne. Dann wird es genügen, dass die Apotheker ihren Job machen. Das gute Image kommt dann von ganz allein, wie man in den USA gesehen hat.

Eine Profession dagegen, die es für nötig hält, um ihr Ansehen zu werben, stigmatisiert sich selbst als so halbseiden, wie Banker, Politiker und Manager in der Bevölkerung gesehen werden. Das viele Geld dafür könnte man gut anderweitig gebrauchen: für Modellversuche, für die Erprobung neuer Honorierungsformen, für professionelle Evaluation, für Öffentlichkeitsarbeit, für Übergangsmaßnahmen, für eine Task-Force des Wandels.

Wo bleibt der Aufschrei? „Die ABDA hat sich bewährt“ – so ihr Präsident. Noch Fragen?

Gerhard Schulze

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