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Prognose: Kurzfristig gut, langfristig dunkel

Die letzte gute Zeit vor der demografischen Falle

BINZ (tmb) | Schwierige Zukunftsaussichten für die Apotheker präsentierte Dr. Thomas Drabinski, Institut für Mikrodatenanalyse, Kiel, beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern am 9. November in Binz (s. auch Link am Ende dieses Beitrags). Kurzfristig sieht Drabinski zwar für die Apotheken in den derzeit bekannten Plänen der erwarteten Regierungskoalition keine Probleme. Ganz anders seine langfristigen Prognosen: Wegen der demografischen Entwicklung erwartet Drabinski schon in wenigen Jahren den Beginn einer düsteren Zukunft für das Gesundheitswesen mit großen Belastungen für die Apotheken.
Foto: DAZ/tmb
Dr. Thomas Drabinski

Nach einer ersten Analyse der bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen kämen auf die Apotheker kurzfristig keine nennenswerten Änderungen zu, erwartet Drabinski. Die Neuerungen beträfen eher die ambulante ärztliche Versorgung, die Krankenhausfinanzierung und die Systemgrenze zwischen GKV und PKV. So sei geplant, Qualitätsmängel in Krankenhäusern transparent zu machen, die Qualität bei der Krankenhausvergütung zu berücksichtigen und Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds für die Krankenhausfinanzierung einzuführen. „Sehr spannend“ findet Drabinski den Ansatz, GKV und PKV über die Vergütung zu vereinheitlichen. Doch fehle den Koalitionären in der Gesundheitspolitik noch der Blick für das Ganze. Bedenklich sei, dass Preis- und Mengenregulierungen dominieren.

Vom goldenen Zeitalter …

Dagegen gingen die Politiker nicht auf die demografischen Herausforderungen ein, weil sie höchstens in Vier-Jahres-Perioden, meist aber nur in Ein-Jahres-Zeiträumen dächten, so Drabinski. Die Probleme seien prinzipiell seit den 1970er Jahren absehbar, aber die Politik unternehme nichts dagegen und nutze die derzeit noch gute Lage nicht zur Vorbereitung. „Wir sind im goldenen Zeitalter der Sozialversicherung“, erklärte Drabinski und begründete dies mit der Wirtschaftskraft der geburtenstarken Jahrgänge, die derzeit auf dem Höhepunkt ihrer Produktivität seien und damit hohe Beiträge einzahlen. Doch dies bleibe nicht so.

… in eine düstere Zukunft

Im Jahr 2014 könnten Einnahmen und Ausgaben der GKV noch ausgeglichen sein. Doch bereits für 2015 erwartet Drabinski ein Defizit von über 6 Milliarden Euro bei der GKV, für 2018 sogar ein Minus von etwa 20 Milliarden Euro. Das Jahr 2018 markiere einen entscheidenden Punkt, denn dann wird der erste geburtenstarke Jahrgang in Rente gehen. Bis 2033 werde ein Drittel der jetzigen Bevölkerung neu in die Rentenphase eintreten. Dieser enorme Effekt werde die Finanzlage deutlich verschlechtern und stark steigende Zuschüsse zur GKV erfordern. Dazu kämen Maßnahmen auf der Ausgabenseite. Bereits ab 2017 erwartet Drabinski „strikte Kostensenkungen, wie man sie heute nicht ahnt“. Ab 2021 werde auch die Infrastruktur verknappt, ab 2025 komme die strenge Rationierung von Gesundheitsleistungen, später ein massiver Ausbau des Selbstzahlermarktes. Erst ab 2041 beginne ein langsamer demografischer Entspannungsprozess.

Apotheken stark betroffen

Diese Entwicklung werde selbstverständlich auch die Apotheken belasten. Die Handlungsfreiheit werde sinken, wenn sich die Finanzierungsoptionen im Gesundheitssystem verschlechtern, erwartet Drabinski. Die Arzneimittelpreise und -mengen würden stärker reguliert, in der Wertschöpfungskette werde strenger in die Preisbildung eingegriffen. Damit werde sich die Umsatz- und Gewinnstruktur der Apotheken verschlechtern, denen dadurch weniger Handlungsspielraum für ihre Entwicklung bleibe. Als einziger positiver Aspekt für die Apotheken verbleibe der Ausbau des Selbstzahlermarktes als Folge der Leistungseinschränkungen der GKV.

Noch düsterer erscheinen diese Prognosen angesichts der Ausweglosigkeit. Denn laut Drabinski gebe es praktisch keine Chance, dieser Entwicklung zu entkommen. Es sei bereits zu spät, um die demografischen Probleme durch neue Geburten zu lösen. Auch die Einwanderung reiche nicht aus, um die Lücke von 25 Millionen fehlenden Personen zu füllen, zumal dann Arbeitsplätze geschaffen werden müssten. Es bleibe nur der Ansatz, in der jetzt noch guten Situation zu sparen und einen Kapitalstock aufzubauen. Allerdings hat Drabinski in dieser Hinsicht wenig Hoffnung, denn pro Jahr müssten 20 bis 30 Milliarden Euro gespart werden. 

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