Die Seite 3

Neuer „Arzneimittel-Deal“?

Kirsten Sucker-Sket, DAZ-Hauptstadtredakteurin

Die Koalitionsverhandlungen sind angelaufen – auch die Arbeitsgruppe Gesundheit hat ihre Arbeit aufgenommen. In den Medien wird zeitgleich über einen „Deal“ im Arzneimittelbereich spekuliert: Wäre es möglicherweise eine bessere Lösung, den erhöhten Zwangsrabatt der Arzneimittelhersteller zu verlängern, als die aufwendige Nutzenbewertung des Bestandsmarkts weiter zu betreiben?

Die Verbände der pharmazeutischen Industrie haben immer wieder versucht, den von 6 auf 16 Prozent erhöhten gesetzlichen Rabatt für Nicht-Festbetragsarzneimittel und das Preismoratorium zu kippen. Beide Zwangsmaßnahmen gelten seit August 2010. Sie wurden eingeführt, als noch ein milliardenschweres Defizit in der GKV beschworen wurde. Mit ihnen wollte die christlich-liberale (!) Koalition die Zeit überbrücken, bis die Strukturmaßnahmen des AMNOG – frühe Nutzenbewertung und Erstattungsbeträge – die Kassen spürbar entlasten können. Laut Gesetz sollen die Maßnahmen Ende 2013 auslaufen. Aus Sicht der Verbände hätte dies schon viel früher geschehen müssen. Denn schon seit einiger Zeit ist klar, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr als solide Finanzen aufweisen. Doch im Bundesgesundheitsministerium, wo man Jahr für Jahr überprüfte, ob der erhöhte Rabatt noch gerechtfertigt ist, lehnte man das Ansinnen der Industrie stets ab.

Nun, da das Auslaufen der Zwangsmaßnahmen naht und GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung für das kommende Jahr eine Ausgabensteigerung von 6,6 Prozent bei Arzneimitteln erwarten, diskutiert man über mögliche Abhilfen. Schon seit einiger Zeit kursiert die Idee, der Zwangsrabatt könne verlängert und dafür die Bestandsmarktbewertung aufgegeben werden. Jetzt ist in den Medien schon von einem weiteren „Ablasshandel“ zu lesen. Das erinnert an 2001. Damals haben die forschenden Pharmaunternehmen der klammen GKV lieber einmalig 400 Millionen DM als „Solidarbeitrag“ gezahlt, als ihr zwei Jahre lang einen Preisabschlag von vier Prozent bei nicht festbetragsgebundenen Medikamenten zu gewähren.

Doch in der jetzigen Situation passt der Vergleich mit damals nicht ganz. Die Verbände der Industrie preschen keinesfalls nach vorn und werben für einen solchen Deal. Sie wollen keinen 16-prozentigen Abschlag mehr. Aber auf die aufwendigen Dossier-Vorbereitungen für Arzneimittel, die noch eine überschaubare Zeit Unterlagenschutz genießen, würden sie sicherlich auch gerne verzichten. Nicht ungelegen käme eine solche Abmachung hingegen dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Der hat zwar ordnungsgemäß mit dem Bestandsmarktaufruf begonnen. Doch G-BA-Chef Josef Hecken verhehlt kaum, dass er das Verfahren für wenig sinnvoll hält. Es ist mühsam, bindet Ressourcen und wirft zudem juristische Probleme auf. Es wäre verständlich, wenn das Gremium diese Arbeit lieber vom Tisch hätte. Ein verlängerter Zwangsabschlag wäre da bequemer. Aber: Ganz so einfach ist es nicht. Die EU-Transparenzrichtlinie bestimmt, dass ein Mitgliedstaat, der einen Preisstopp auf Arzneimittel verhängt, mindestens einmal im Jahr überprüfen muss, ob dessen Beibehaltung nach der gesamtwirtschaftlichen Lage gerechtfertigt ist. Nach wie vor geht es der deutschen Wirtschaft nicht schlecht, ebenso wenig den Kassen. Die Begründung für eine Fortsetzung würde diesmal nicht ganz so leicht fallen. Und sie wäre angreifbar. Man darf also gespannt sein, ob die Verhandler der AG Gesundheit sich mit diesen Fragen befassen – und zu welcher Lösung sie kommen.

Kirsten Sucker-Sket

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