Die Seite 3

Hase und Igel

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

An die Nachricht, dass gerade das Internet und der damit verbundene Versandhandel ein Einfallstor für Arzneimittel-Fälschungen ist, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Lange Zeit konnten wir uns bequem zurücklehnen und mit dem Finger auf die unsicheren und nicht kontrollierbaren Vertriebswege im Netz zeigen. Der Weg vom Hersteller über den Großhändler unseres Vertrauens in die Apotheke vor Ort erschien nahezu sicher. Doch der Omeprazol-Skandal hat uns in noch nie da gewesener Deutlichkeit gezeigt, dass auch dieser Weg Möglichkeiten bietet, Fälschungen einzuschleusen. Hier kann man von Glück sprechen, dass die Fälschungen im Hinblick auf Wirkstoff und Gehalt der Deklaration des Originals entsprachen.

Das ist nicht immer so. Für Schlagzeilen hat Anfang diesen Jahres der Fall Dorovit® gesorgt, ein auch über Apotheken vertriebenes Nahrungsergänzungsmittel, das Männern mehr Lust an der Lust versprach und das dieses Versprechen zumindest chargenweise nicht zuletzt deshalb einhalten konnte, weil Sildenafil-ähnliche PDE-5-Hemmer enthalten waren (s. S. 72). Dass solche, im Netz angepriesene, nicht verschreibungspflichtige Präparate immer wieder wirksame, rezeptpflichtige Arzneistoffe enthalten, ist und war kein Geheimnis. Dass sie aber auch den Weg in die Apotheke finden können, ist mehr als beunruhigend. Diese Erkenntnis zwingt uns, gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln besonders genau hinzuschauen, was an Wirkung versprochen wird und zu prüfen oder prüfen zu lassen, was tatsächlich enthalten ist.

Dazu reicht es oft nicht aus, nach den üblichen Verdächtigen zu fahnden. Das zeigt das Beispiel PDE-5-Hemmer in als Potenzmittel angepriesenen Präparaten. Sildenafil und Co. haben inzwischen mehr als 40 Verwandte, der Phantasie der Fälscher scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Die Aufsichtsbehörden können immer nur reagieren, sie können nur stichprobenweise und auf Verdacht prüfen. Nie können sie eine völlige Entwarnung geben, weil sie nicht sicher sein können, ob sie nach den richtigen Substanzen gefahndet haben und auch nicht wissen, wie es in anderen Chargen aussieht.

Ein Hase- und Igel-Spiel, das zutiefst verunsichert. Umso mehr müssen wir uns auf die Hersteller und verantwortlichen Unternehmer verlassen können. Dazu ist es notwendig, dass sie uns mit geeigneten und seriösen Zertifikaten von ihrer Qualitätssicherung überzeugen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass über weniger gut kontrollierte Vertriebswege Produkte in die Apotheke gelangen, die den Ruf der öffentlichen Apotheke als sichere Bezugsquelle ruinieren.

Dr. Doris Uhl

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