Prisma

Von der Genealogie zur Genetik

Pharmaindustrie sieht große Chancen

cae | Die Firma deCODE Genetics sucht in Island systematisch nach Genen, deren Variationen mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten assoziiert sind. Ihr nützt die positive Einstellung der Isländer sowohl zur Genealogie als auch zur Genetik.

Die Isländer gelten aufgrund ihrer bis ins 20. Jahrhundert währenden Isolation als genetisch besonders homogenes Volk – jeder ist mit jedem mehr oder weniger nah verwandt. Weil zudem die Zugehörigkeit zu einer Sippe die Gesellschaftsordnung in den vergangenen Jahrhunderten geprägt hat und auch heute noch den meisten Bewohnern bewusst ist, ist die Ahnenforschung dort eine Art Volkssport. Wer mitmachen will, braucht nicht in alten Kirchenbüchern zu recherchieren, denn in der populären Online-Datenbank „Islendigabok“ sind mehr als 700.000 Personen, die seit dem Jahr 900 auf der Insel gelebt haben, mit ihren Verwandtschaftsbeziehungen erfasst. Sie ist auch als App verfügbar, sodass zwei Leute, die sich irgendwo zufällig zum ersten Mal treffen, mithilfe ihrer Smartphones auf der Stelle klären können, wie sie miteinander verwandt sind.

Die genetische Homogenität ist eine ideale Voraussetzung, um die Auswirkungen kleinster Variationen im Erbgut zu erforschen. Auch dafür sind die meisten der 300.000 Isländer aufgeschlossen. Bisher hat jeder Dritte von ihnen der Firma deCODE Genetics, die seit 1998 mit staatlicher Erlaubnis alle Gesundheitsdaten der Isländer speichert und auswertet, eine Genprobe abgegeben. Die Daten werden seit 2003 anonymisiert und sind nicht mehr öffentlich zugänglich, was aber ihren Nutzen für die Forschung nicht beeinträchtigt. Es wurden bereits mehrere Gene identifiziert, deren Variationen mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Tumorerkrankungen assoziiert sind; auch der genetische Hintergrund für die Synthese des Proteins Neuregulin 1 (NRG1), das mit der Schizophrenie in Zusammenhang steht, wurde von deCODE Genetics entdeckt. Die Firma wurde Ende 2012 von dem amerikanischen Biotechnologie-Unternehmen Amgen gekauft und arbeitet u.a. mit Hoffmann-La Roche zusammen. Der Schweizer Pharmariese erhofft sich von den genetischen Erkenntnissen Anregungen zur Entwicklung rationaler Arzneimittel gegen die jeweiligen Erkrankungen. 

Quelle: New App Prevents Icelanders from Sleeping With their Relatives. www.newsoficeland.com, 15.04.2013.

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