Foto: DAZ/Schelbert

Fragen aus der Praxis

Abwehr auf Rezept?

Verordnung von Umstimmungsmitteln und Immunstimulanzien

Aufgrund eines ständig wiederkehrenden Bronchialinfektes wird Frau G. von ihrem Lungenfacharzt das Präparat Broncho Vaxom® verschrieben. Sie ist Nichtraucherin. Eine vorausgehende Antibiotika-Behandlung – es bestand der Verdacht auf eine bakterielle Genese der Infektion – blieb erfolglos.


Frage

Aufgrund eines ständig wiederkehrenden Bronchialinfektes wird Frau G. von ihrem Lungenfacharzt das Präparat Broncho Vaxom® verschrieben. Sie ist Nichtraucherin. Eine vorausgehende Antibiotika-Behandlung – es bestand der Verdacht auf eine bakterielle Genese der Infektion – blieb erfolglos.

Um die Behandlung einzuleiten, wurden der Patientin 30 Kapseln verordnet; für das Medikament muss Frau G. in ihrer Apotheke nun 41,20 € zahlen. Warum? Wie sieht die Situation bei Immunstimulanzien aus?

Die Verordnung erfolgte auf einem Privatrezept, bei dessen Einlösung der volle Preis des Arzneimittels anfällt. Doch warum wurde in diesem Fall überhaupt eine private Verordnung ausgestellt? Im Folgenden werden die grundlegenden gesetzlichen Rahmenbedingungen erläutert.

Das Arzneimittel Broncho Vaxom® ist zugelassen zur Behandlung von rezidivierenden Infektionen der oberen und unteren Luftwege – insbesondere infolge chronischer Atemwegserkrankungen wie Bronchitis oder Sinusitis [1].

Enthalten ist ein lyophilisiertes Lysat der wichtigsten bronchopathogenen Keime wie zum Beispiel Streptococcus pneumoniae, Klebsiella pneumoniae, Staphylococcus aureus. Laut Fachinformation sollen deren Antigene – oral zugeführt – die lymphatischen Follikel der Darmschleimhaut (sogenannte Peyer‘sche Plaques) stimulieren. In der Folge soll die lokale Immunantwort im Bereich der oberen und unteren Respirationsschleimhaut gesteigert werden, unter anderem durch die vermehrte Bildung und Sezernierung von sekretorischem Immunglobulin A und immunkompetenten T-Zellen.

Diese Angaben sind der Lauer-Taxe zu entnehmen; ebenso die Warengruppe, der das Präparat zugeordnet wird: Es handelt sich um die Gruppe Immunstimulanzien, welche unter dem ATC-Code L03A zusammengefasst werden. Gemäß Ziffer 46 der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie sind allerdings derartige verschreibungspflichtige „Umstimmungsmittel und Immunstimulanzien zur Stärkung der Abwehrkräfte“ von der Verordnung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen [2].

Was die Leitlinien sagen

In der Leitlinie „Husten“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) wird ein derartiger Therapieansatz bei den Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe nicht erwähnt. Empfohlen werden vor allem Raucherentwöhnung sowie abhärtende Hydro- und Bewegungstherapien zur Förderung der persönlichen Fitness. Bis auf die Raucherentwöhnung sei die Wirksamkeit der weiteren Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe allerdings bisher nicht mit hoher Evidenz belegt [3].

Weitere Vertreter dieser Warengruppe sind die Medikamente Luivac® und Ribomunyl Uno®. Zugelassen sind die Arzneimittel zur Behandlung „rezidivierender Infektionen der Atemwege“ beziehungsweise zur „Prophylaxe und Therapie wiederholt auftretender akuter und chronischer bakterieller Infektionen der oberen und unteren Atemwege, wie bei Sinusitis, Rhinopharyngitis, Angina, Bronchitis“ [4, 5].

Gemäß Lauer-Taxe nicht der Warengruppe Immunstimulanzien zugeordnet ist das Medikament Uro Vaxom®, welches zur Behandlung rezidivierender und chronischer Harnwegsinfektionen, wie Zystitis, Pyelonephritis, Urethritis oder asymptomatischer Bakteriurie eingesetzt wird [6].

Obwohl es sich um ein Mittel aus der Gruppe der Urologika handelt (zugehöriger ATC-Code: G04BX = „Andere Urologika“), wird es dennoch von oben genanntem Verordnungsausschluss der Arzneimittel-Richtlinie erfasst.

Hintergrund: Ist ein Arzneimittel neben dem Anwendungsgebiet als Immunstimulans darüber hinaus für andere Anwendungsgebiete zugelassen, so wird es dennoch unter Ziffer 46 subsumiert – unabhängig davon, welche anderen Indikationen noch vom Hersteller benannt sind [7].

Im Rahmen der Leitlinien-Recherche findet sich zum einen diejenige der DEGAM („Brennen beim Wasserlassen“) aus dem Jahr 2009. Es handelt sich dabei um die Anwenderversion der S3-Leitlinie „Harnwegsinfekte“, welche parallel unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie entstand. Erstere bewertet den Einsatz von Uro Vaxom® im Rahmen eines Therapieversuches bei rezidivierenden Harnwegsinfekten als „gerechtfertigt“. Die in diesem Zusammenhang erwähnte Metaanalyse bezieht allerdings nur fünf randomisierte Studien ein; davon weisen einzelne zudem deutliche Mängel in der methodischen Qualität auf. Somit ist der Grad der Empfehlungsstärke herabgestuft [8, 9].

Echinacea-Extrakte

Ob Echinacea-Extrakte Erkältungen verhindern können, ist nicht eindeutig erwiesen, die Einnahme bestimmter Echinacea-Produkte zu Beginn einer Erkältung kann aber möglicherweise ihre Dauer und Schwere begrenzen. Die Vielfalt am Markt verfügbarer Echinacea-Produkte unterscheidet sich allerdings teilweise deutlich bezüglich Wirkstoffgehalt, Extraktionsverhältnis, Zusammensetzung sowie den für die Extraktion verwendeten Pflanzenteilen. Die Cochrane Collaboration hat im Jahr 2009 den Nutzen von Echinacea-Produkten untersucht. Die Frage war, ob Echinacea wirksam ist, um Erkältungen vorzubeugen oder zu behandeln beziehungsweise ob bestimmte Echinacea-Produkte vorzuziehen sind. Gefunden wurden schließlich 16 Studien, die Echinacea-Extrakte mit Placebo verglichen, zwei zum Vergleich mit keiner Behandlung und eine zum Vergleich mit einem anderen Kräuterpräparat. Einige der Studien geben Hinweise darauf, dass Produkte mit Blüten und Blättern des Purpursonnenhuts Erkältungen bei Erwachsenen im Frühstadium tatsächlich lindern könnten. Es kamen aber nicht alle Studien zu diesem Ergebnis. Dass Echinacea-Präparate vorbeugend eingenommen Erkältungen verhindern, konnte hingegen nicht gezeigt werden. Insgesamt - so das Fazit - reichen die bisherigen Studien nicht aus, um ausreichend sicher zu beantworten, ob eine Echinacea-Behandlung Erkältungen wirklich vorbeugt oder zumindest die Beschwerden lindern kann [12, 13].

Unerwünschte Wirkungen der unterschiedlichen Echinacea-Produkte traten nur selten auf. In Einzelfällen wurde von Übelkeit oder Hautausschlägen berichtet.

Aus grundsätzlichen Überlegungen sollten sämtliche Echinacea-haltige Arzneimittel nicht angewendet werden bei progredienten Systemerkrankungen wie Tuberkulose, Leukämie, entzündlichen Erkrankungen des Bindegewebes (Kollagenosen), multipler Sklerose, AlDS-Erkrankungen, HIV-Infektionen, chronischen Virus- und Autoimmunerkrankungen. Auch bei Asthma, Rhinitis oder Lebererkrankungen sind derartige Präparate kontraindiziert.

Bezüglich der altersabhängigen Anwendung machen die Hersteller unterschiedliche Angaben: Rottapharm schreibt beispielsweise: „Aus grundsätzlichen Erwägungen darf das Arzneimittel nicht eingenommen werden bei Kindern unter 4 Jahren.“ (Echinacin Liquidum® und Echinacin Saft®). Die Echinacin Tabletten® sollen „bei Kindern von 1 bis 12 Jahren nicht angewendet werden.“ Ratiopharm differenziert ebenfalls bezüglich der Altersangaben: Tabletten und alkoholfreies Liquid sollen aufgrund nicht ausreichender Untersuchungen „bei Kindern unter 6 Jahren nicht angewendet werden“. Das alkoholische Liquidum ist für die Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren nicht vorgesehen. Letzteres schreiben auch Schaper & Brümmer (Esberitox mono®), Rodisma-Med (Immunobion®) und Stada (Echinacea Stada Classic Lösung®).

In der S3-Leitlinie „Harnwegsinfektionen” findet der Einsatz von Bakterienlysaten keine Erwähnung [10].

Als Immunstimulanzien angesehen wurden früher auch die Präparate Strovac® oder Gynatren®. Mittlerweile sind beide als Impfstoffe vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen.

Strovac® wird zur „Therapie und Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte bakterieller Herkunft“ eingesetzt, Gynatren® bei „rezidivierenden unspezifischen bakteriellen Scheidenentzündungen und Trichomoniasis“. Im amtlichen ATC-Index des WidO werden sie unter dem Code J 07 AX „Andere bakterielle Impfstoffe“ geführt [11].

In der Praxis werden beide Präparate meistens als individuelle Gesundheitsleistung privat verordnet, da keine STIKO-Empfehlung vorliegt. Die Krankenkassen können die Kosten höchstens in Einzelfällen erstatten.

Detailliert erläutert wurden die gesetzlichen Regelungen zum Thema Impfungen in der DAZ 2013; Nr. 35, S. 64: „Schutzimpfungen – welche bezahlt die Krankenkasse?“

Auch für Kinder unwirtschaftlich

Für apothekenpflichtige Präparate zur Immunstimulation gilt nach der Richtlinie auch eine Verordnung für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen als unwirtschaftlich. Am häufigsten vertreten in dieser Warengruppe sind Präparate, die Echinacea-Extrakte enthalten wie Echinacea Ratiopharm® (als Tabletten, alkoholfreies Liquid sowie alkoholisches Liquidum), Echinacea Stada Classic Lösung®, Echinacin® (als Saft und Tabletten), Esberitox mono® (als Tabletten und Tropfen), Immunobion® Tabletten, Lymphozil® Lutschtabletten.

Ebenfalls in die Warengruppe der apothekenpflichtigen Immunstimulanzien gehören die Medikamente Pro Symbioflor® sowie Symbioflor® 1 und Symbioflor® 2. Auch für diese Präparate gilt Ziffer 46, wodurch die Verordnung selbst für Kinder als unwirtschaftlich angesehen wird.

Antwort kurz gefasst

  • Umstimmungsmittel und Immunstimulanzien zur Stärkung der Abwehrkräfte sind von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen
  • Als Impfstoffe zugelassene (Gynatren®, Strovac®) Präparate werden in der Regel auch nicht erstattet, da keine STIKO-Empfehlung vorliegt.
  • Die Verordnung apothekenpflichtiger Immunstimulanzien (z.B. Echinacea) für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen gilt als unwirtschaftlich.

Eine Ausnahme in der Warengruppe der nicht verschreibungspflichtigen Immunstimulanzien bildet das Medikament Angocin Anti Infekt N Filmtabletten® „zur Besserung der Beschwerden bei akuten entzündlichen Erkrankungen der Bronchien, Nebenhöhlen und ableitenden Harnwege“. Grund: Hier beruht die Hauptwirkung des Arzneimittels laut Fachinformation nicht auf der Immunstimulation, sondern ist auf die antibakteriellen Eigenschaften der Meerrettichwurzel und des Kapuzinerkressenkrautes zurückzuführen; Träger der antimikrobiellen Wirkung sind die in beiden Pflanzen enthaltenen Glucosinolate. Indikationen gemäß Lauer-Taxe sind „50 Z 07“ = Atemwegskrankheiten und grippale Infekte sowie „52 Z 06“ = Urologika. Vermutlich aus diesem Grund findet sich für das Medikament in der Lauer-Taxe auch kein Hinweis auf die entsprechende Ziffer der Anlage III. Das Medikament fällt dennoch darunter, da der amtliche ATC-Code ausschlaggebend ist; dieser lautet L03A (Immunstimulanzien). Eine Verordnung wäre somit unwirtschaftlich.

Bei den Angocin Bronchial Tropfen® handelt es sich um ein „traditionell angewendetes“ Arzneimittel gemäß § 109a AMG. Derartige Präparate werden nur mit einem oder mehreren der folgenden Hinweise in den Verkehr gebracht [14]:

„Traditionell angewendet:

  • a) zur Stärkung oder Kräftigung
  • b) zur Besserung des Befindens
  • c) zur Unterstützung der Organfunktion
  • d) zur Vorbeugung
  • e) als mild wirkendes Arzneimittel“

Bei nicht verschreibungspflichtigen „traditionell angewendeten“ Arzneimitteln ist die Verordnung gemäß Ziffer 19 der Anlage III auch für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr unwirtschaftlich, verschreibungspflichtige Präparate sind von der Verordnung ausgeschlossen. 

Quellen

[1] www.fachinfo.de/data/fi/jsearch/viewPDF?praep&1382594989

[2] www.g-ba.de/informationen/richtlinien/anlage/16/

[3] www.degam.de/uploads/media/LL-11_Langfassung_TJ_03_ZD.pdf

[4] www.fachinfo.de/data/fi/jsearch/viewPDF?praep&55191566

[5] www.fachinfo.de/data/fi/jsearch/viewPDF?praep&1233541832

[6] www.fachinfo.de/data/fi/jsearch/viewPDF?praep&1233542035

[7] www.kbv.de/media/sp/FAQ_Anlage_III_AM_RL.pdf

[8] http://leitlinien.degam.de/uploads/media/Brennen-beim-Wasserlassen-Langfassung.pdf

[9] Bauer HW, Rahlfs VW, Lauener PA, Blessmann GS. Prevention of recurrent urinary tract infections with immuno-active E.coli fractions: a meta-analysis of five placebocontrolled double-blind studies. Int J Antimicrob Agents. 2002 Jun;19(6):451-6.

[10] www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 043-044l_S3_Harnwegsinfektionen.pdf

[11] www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/atcddd/version2013/atc-ddd-amtlich-2013.pdf

[12] www.gesundheitsinformation.de/erkaeltungen-was-bringen-sonnenhut-extrakte.300.de.html

[13] Linde K, Barrett B, Bauer R, Melchart D, Woelkart K. Echinacea for preventing and treating the common cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 1. Art. No.: CD000530. DOI: 10.1002/14651858.CD000530.pub2.

[14] www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf

Autorinnen

Anna Hinrichs, Heike Peters, Stanislava Dicheva, Insa Heyde, Daniela Böschen, Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Universität Bremen; Zentrum für Sozialpolitik

UNICOM-Gebäude, Mary-Somerville-Str. 5, 28359 Bremen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.