Aus den Ländern

Gesundheitskongress in Kiel

Positionierung in der mobilen und vernetzten Welt

Am 16. und 17. Januar fand in Kiel der alljährliche Kongress "Vernetzte Gesundheit" statt, der vom schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium veranstaltet wird und sich an ein bundesweites Publikum wendet. Etwa 500 Teilnehmer trafen sich unter dem Motto "Mobile Gesundheit – Sektoren ade?!" und informierten sich über Telematik, die elektronische Gesundheitskarte, das DocMobil und weitere Trends bei der interdisziplinären und sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung.
Diskussion ums DocMobil (von links): Dr. Klaus Bittmann, Vorstandssprecher der Ärztegenossenschaft Nord; Dr. Jörn Klimant, Landrat des Kreises Dithmarschen; Burkhard Sawade, Vorstand des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste und Kreisvorsitzender der KV; Dr. Stefan Krüger, fachärztlicher Vorstandssprecher des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste.
Foto: DAZ/tmb

In einer Diskussionsrunde zur mobilen Gesundheit und zur Nachwuchsgewinnung für das Gesundheitswesen erklärte Gerd Ehmen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein: "Nicht Verteilungskämpfe sollen unser Denken bestimmen, sondern die Sicherstellung der Versorgung, aber Heilberufler können ihre Aufgaben nur auf der Grundlage einer gesicherten Alimentierung erbringen." Diese müsse planbar sein und dürfe nicht in der zufälligen Beliebigkeit von Staatshaushalten liegen.

Priv.-Doz. Dr. Josef Hilbert, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, erklärte, dass sich viele Akteure im Arbeitsfeld der Arzneimitteltherapiesicherheit positionieren, und appellierte an die Apotheker, diese Aufgabe wahrzunehmen, denn "dies ist ihr Kerngeschäft", so Hilbert. Dazu verwies Ehmen auf die aktuelle Studie der ABDA zur Polypharmazie bei Patienten mit Herzinsuffizienz (Pharm-CHF-Studie; siehe DAZ 2012, Nr. 49, S. 84). Außerdem werde das neu in die Apothekenbetriebsordnung aufgenommene Medikationsmanagement in den Apotheken installiert.

Gerd Ehmen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein (rechts), und Peter Bechtel, Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement.
Foto: DAZ/tmb

Wettbewerb um Nachwuchs

In der Diskussion um den Berufsnachwuchs wurde deutlich, dass schon heute ein Fachkräftemangel im Gesundheitswesen besteht und dass der Wettbewerb um Schulabgänger und frisch ausgebildetes Personal voll entbrannt ist. Daher appellierte Ehmen an die Politik, keine pharmazeutischen Institute oder PTA-Schulen zu schließen – dies zielte auf frühere Sorgen um die Zukunft der PTA-Schule in Neumünster.

Der Appell rief eine gute Resonanz hervor: Ralph Müller-Beck, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium, machte deutlich: "Die Landesregierung wird keine Bildungseinrichtung vom Netz nehmen, die etwas zur Zukunft beitragen kann."

Auch sonst zeigte sich Müller-Beck sehr aufgeschlossen für das Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor. "Sie gehören zu den großen Sektoren von morgen", so Müller-Beck über das Gesundheitswesen, das seine Stärken weiter pflegen solle. Als besonderen Vorteil für Deutschland hob er das duale Ausbildungssystem hervor.

Verschiedene Mediziner und besonders Peter Bechtel, Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement, betonten die große Bedeutung neuer Ausbildungsberufe für viele Aufgaben in der Krankenversorgung, doch müssten diese auch bei der Bezahlung berücksichtigt werden.

Noch weiter ging Dr. Volkmar Männl, stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Nürnberg, mit seiner Prognose zur künftigen Gestaltung der Prävention: "Es wird den Gesundheitscoach als total neuen Beruf geben."

Entwarnung beim Apo-Mobil

Zur mobilen Versorgung erklärte Ehmen: "Wir brauchen kein Apo-Mobil. Mobilität muss nicht neu erfunden werden, es gibt sie." Doch da einzelne Apotheken eine Fläche von der Größe der Stadt Hamburg versorgen, würde es ein Problem für die Versorgung, wenn solche Apotheken Sparmaßnahmen zum Opfer fielen. Außerdem sei die gesicherte Versorgung eine Momentaufnahme. Es sei zu fragen, wie das Land den demografischen Wandel bewältigen will.

Varianten für das DocMobil

In einer Vortragsrunde zum DocMobil-Projekt für den dünn besiedelten Landkreis Dithmarschen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste zeigten sich die Verantwortlichen zu diesem Modell entschlossen, obwohl die Inhalte noch unklar sind. Dr. Renée Buck aus dem schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium äußerte geradezu begeistert: "DocMobil, wir kommen!"

Dr. Klaus Bittmann, Vorstandssprecher der Ärztegenossenschaft Nord, erklärte, das Versorgungsproblem sei schon vor fünf Jahren gesehen worden, aber die Umsetzung sei bisher insbesondere an den Regularien der Kassenärztlichen Vereinigung gescheitert. Dr. Jörn Klimant, Landrat des Kreises Dithmarschen, äußerte sich zuversichtlich, schon in einem Jahr über erste Ergebnisse berichten zu können.

Die Vortragenden waren sich einig, dass die Ärzte nicht selbst von Ort zu Ort fahren sollten, weil sie in der Fahrzeit nicht ärztlich tätig sein können. Außerdem seien feste Warteräume nötig. Wahrscheinlich soll auch die Behandlung in festen Räumen stattfinden.

Burkhard Sawade, Vorstand des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste und Kreisvorsitzender der KV, sprach sich gegen einen Bus und für ein Diagnose- und Therapie-Mobil mit Modulen z. B. für EKG, HNO-, Augen- und Orthopädie-Untersuchungen aus. "Eine Behandlung im Wohnwagen ist nicht durchsetzbar", erklärte Sawade die Position der Ärzte. Die Module sollten nach einem festen Fahrplan zu bestimmten Orten gefahren werden, zu denen dann auch der Arzt kommt. Der Arzt müsse nach festen Stundensätzen außerhalb des Budgets bezahlt werden.

Auch Dr. Stefan Krüger, fachärztlicher Vorstandssprecher des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste, sprach sich für ein Diagnostik-Mobil aus, das er jedoch als technische Ergänzung für ärztliche Hausbesuche bei bettlägerigen oder sehr gebrechlichen Patienten sieht. Dies wäre dann kein Angebot für eher mobile Patienten an Orten ohne Arzt. Von der Arzneimittelversorgung war hier keine Rede mehr. Denn es ist offensichtlich für Apotheken irrelevant, ob ein Arzt sein Rezept bei einem Hausbesuch mit oder ohne DocMobil ausstellt.

Entwarnung für die Apotheker gab es auch bei einem anderen Punkt: In einer Diskussion zur elektronischen Gesundheitskarte wurde deutlich, dass dazu noch immer viele grundlegende Fragen offen sind. Es bestand Einigkeit, nützliche Anwendungen schaffen zu müssen, um für die Akzeptanz der Karte zu sorgen. Doch vom Einsatz als elektronisches Rezept ist die Karte offenbar noch weit entfernt.


tmb



DAZ 2013, Nr. 4, S. 78

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