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Die Gunst der Stunde

Dr. Doris Uhl Chefredakteurin der DAZ

Es ist ohne Zweifel ein Riesen-Desaster, dass unsere Kompetenz als Arzneimittelfachleute so wenig anerkannt und genutzt wird, dass der Apotheker in den Medien immer noch als inkompetenter, geldgieriger Schubladenzieher dargestellt wird, dass einzelne Funktionäre in Schlüsselpositionen hier auch noch Öl ins Feuer zu gießen scheinen. Darüber können wir jammern, wir können aber auch die Gunst der Stunde nutzen, Strukturen auf den Prüfstand stellen und einige alte Zöpfe abschneiden.

So zum Beispiel das Dispensierrecht der Tierärzte. Die Skandale um den Antibiotikamissbrauch sollten Anlass genug für uns Apotheker sein, die strikte Trennung von Verordnung und Arzneimittelabgabe auch in der Veterinärmedizin zu fordern. Undenkbar, dass das nicht geschehen könnte. Und doch mussten wir lesen, dass die ABDA die Arzneimittelabgabe durch Tierärzte für richtig hält. Sie seien die Experten für Tierkrankheiten und könnten sicherer beurteilen, welche Wirkstoffe für welche Tiere geeignet seien.

Wem die Brisanz dieser Aussage nicht bewusst ist, der sollte einfach einmal Tierärzte durch Ärzte und Tierkrankheiten durch Krankheiten ersetzen. Da wird auf der einen Seite versucht, mit Studien wie Pharm-CHF und dem ABDA-KBV-Modell den Apotheker in seiner Funktion als Arzneimittelfachmann und Medikationsmanager zu stärken, und dann auf der anderen Seite so ein Statement!

Noch brisanter wird es, wenn man sich den Kontext dazu vor Augen führt: Das Europäische Parlament erwägt vor dem Hintergrund der Tierarzneimittelskandale, das Dispensierrecht der Ärzte einzuschränken. Eine ideale Steilvorlage für alle, die mehr Kompetenzen für Apotheker fordern sollten, allen voran die ABDA! Endlich könnte ein alter Zopf zum Wohle von Mensch und Tier abgeschnitten werden. Doch die ABDA kann sich nur zur einem gnädigen "Dennoch-Bereitsein, die Abgabe veterinärmedizinischer Arzneimittel zu übernehmen, wenn der Gesetzgeber dies aus Sicherheitsgründen vorschreiben sollte" herablassen.

Wesentlich beherzter gibt sich dagegen der VZA, ein kleiner Verband, der sich der Interessenvertretung Zytostatika-herstellender Apothekerinnen und Apotheker verschrieben hat und vor allem gegen eine interessengesteuerte Zerschlagung der flexiblen Vor-Ort-Versorgung kämpft. Zusammen mit Prof. Dr. med. Sebastian Lemmen, Aachen, einem renommierten Krankenhaushygieniker, hat er eine Validierungsempfehlung zur Sicherstellung der Arzneimittelqualität bei der Herstellung von Parenteralia erarbeitet. Erstmals wird hier eine detaillierte Handlungsempfehlung gegeben, die sich an den tatsächlichen Gefahren orientiert und dabei auch für kleinere Parenteralia-herstellende Apotheken praktikabel ist. Als Beleg dafür, dass die Qualität nicht auf der Strecke geblieben ist, verweist der VZA unter anderem darauf, dass während der Prozesskontrolle auf Originalproben zurückgegriffen werden soll – und nicht auf Dummies – und die Keimbestimmung in einem externen mikrobiologischen Labor zu erfolgen hat. Ganz pragmatisch ist in diesem Zusammenhang die Empfehlung, dass bei Nachweis eines apathogenen Keims nicht gleich der gesamte Herstellungsprozess für eine Fehlerprüfung für Wochen unterbrochen werden muss (s. S. 59).

Eine solche beherzte Interessenvertretung, die Dogmen infrage stellt und neue, gegebenenfalls auch unkonventionelle Wege zur Lösung aktueller Probleme sucht, die wünschen wir uns auch von der ABDA. Ansatzpunkte gibt es viele, so die neu aufgeflammte Diskussion zur Abgabe der Pille danach in der Apotheke. Sie währt schon so lange, dass in den Schubladen der ABDA längst ein schlüssiges Konzept vorliegen müsste, wie eine solche Abgabe unter Nutzung der Kompetenzen der Apotheker durchzuführen wäre. Die Bereitschaft in der Politik, hierauf zurückzugreifen, war noch nie so groß.

Und wenn die Politik jetzt endlich zumindest für diesen Bereich die Kompetenzen der Apothekerschaft erkennt, warum dann nicht gleich die Diskussion um Folgeverordnungen durch den Apotheker eröffnen? Selbstverständlich selbstbewusst verknüpft mit einem neuen Honorierungsmodell. Denn Leistung kostet! Das Know-how ist da. Was wir dringend benötigen, ist eine Interessenvertretung, die die Gunst der Stunde erkennt und nutzt.


Dr. Doris Uhl



DAZ 2013, Nr. 4, S. 3

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