Arzneimittel und Therapie

Teriflunomid – neue Option bei multipler Sklerose

Basistherapie mit einer Tablette täglich

Mit dem Wirkstoff Teriflunomid (Aubagio®) erweitern sich derzeit die Möglichkeiten der Basistherapie der multiplen Sklerose. Der Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften muss nur einmal täglich als Tablette eingenommen werden. Er senkt Studien zufolge signifikant die jährliche Schubrate vergleichbar wie die herkömmliche Basistherapie und vermittelt eine signifikante Hemmung der Behinderungsprogression.

Nachdem in zwei Phase-III-Studien die klinische Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffs dokumentiert worden sind, wurde Teriflunomid Anfang September in einer Dosierung von 14 mg für die Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose zugelassen und soll im Oktober eingeführt werden, wie Genzyme mitteilte. Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, bekannt aber ist, dass die Substanz selektiv und reversibel das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) in den Mitochondrien hemmt und dadurch die De-novo-Synthese von Pyrimidin in aktivierten Lymphozyten unterbindet. Damit reduziert Teriflunomid die Proliferation autoreaktiver T- und B-Zell-Klone, ohne jedoch eine allgemein zytotoxische Wirkung zu vermitteln. Denn die schnell proliferierenden Zellen sind auf die Neusynthese von Pyrimidin angewiesen, während ruhende und sich langsam teilende Zellen ihren Bedarf aus dem vorhandenen Pyrimidin-Pool decken. Gedächtniszellen wie auch hämatopoetische Zellen bleiben unbeeinflusst.

Selektive Immunsuppression

Die Wirkung von Teriflunomid kommt somit einer selektiven Immunsuppression gleich, da lediglich die hochaktiven autoimmun wirksamen Zellklone analog dem Gradienten der übersteigerten Immunaktivierung eliminiert werden, die Replikation und Funktion von Zellen, die mit dem vorhandenen Pyrimidin-Pool auskommen, jedoch nicht beeinträchtigt werden. „Es scheint allerdings weitere DHODH-unabhängige Mechanismen zu geben“, berichtete Prof. Dr. Andrew Chan, Bochum, bei der Vorstellung der neuen Therapieoption im Rahmen der von Genzyme unterstützten Pressekonferenz „Neue Perspektiven eröffnen: Teriflunomid und Alemtuzumab in der MS-Therapie“, in Frankfurt. Bei Teriflunomid handelt es sich nach seiner Darstellung um einen Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften, der – nicht zuletzt auch infolge der nur einmal täglichen Einnahme als Tablette – die Basistherapie der schubförmig remittierenden multiplen Sklerose um einen für Arzt und Patient wichtigen Baustein erweitert.

Signifikant geringere Schubrate

Die Zulassung basiert im Wesentlichen auf den beiden multizentrischen doppelblind randomisierten Phase-III-Studien TEMSO (Teriflunomide Multiple Sclerosis Oral) [1] und TOWER (Teriflunomide Oral in people With relapsing multiplE scleRosis) [2]. Davon abgesehen gibt es ein insgesamt umfassendes Entwicklungsprogramm, in das rund 5000 Patienten in 36 Ländern involviert sind, wobei einige MS-Patienten inzwischen im Rahmen von Verlängerungsstudien bereits bis zu zehn Jahre lang behandelt werden.

Konkret erhielten in der Zulassungsstudie TEMSO 1086 Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose zwei Jahre lang placebokontrolliert 14 mg Teriflunomid oral einmal täglich. Die jährliche Schubrate, der primäre Endpunkt der Studie, wurde durch Teriflunomid signifikant um 31,5% gegenüber Placebo reduziert. Dadurch verlängerte sich die Zeit bis zum erneuten Krankheitsschub, und es blieben signifikant mehr Patienten im Verlauf der Studie schubfrei [1].

Ein vergleichbares Resultat ergab die TOWER-Studie, in der 1169 Patienten doppelblind randomisiert und placebokontrolliert 14 mg Teriflunomid erhielten. Dies führte zu einer signifikanten Reduktion der jährlichen Schubrate um 36%. Auch in der TOWER-Studie blieben damit unter Teriflunomid signifikant mehr Patienten über die gesamte Studiendauer von durchschnittlich 18 Monaten schubfrei [2].

Fortschreiten der Behinderung signifikant gehemmt

Sowohl in der TEMSO- wie auch der TOWER-Studie wurde außerdem eine signifikante Hemmung der Behinderungsprogression, gemessen mit der EDSS (Expanded Disability Status Scale) dokumentiert. Die Reduktion betrug in der TEMSO-Studie 30% und in der TOWER-Studie 32%. In beiden Studien waren eine statistisch eindeutige Minderung neuer Gadolinium-anreichernder Läsionen in der Kernspintomografie und ein signifikant geringeres gesamtes Läsionsvolumen zu beobachten.

Teriflunomid

Der Interferontherapie ebenbürtig

Außerdem wurde Teriflunomid laut Chan in der TENERE-Studie (A Study Comparing the Effectiveness and Safety of Teriflunomide and Interferon Beta-1a in Patients With Relapsing Multiple Sclerosis) [3], ebenfalls einer multizentrischen randomisierten doppelblinden Phase-III-Studie, bereits im Head-to-Head-Vergleich gegen Interferon beta-1a s.c. geprüft. Endpunkt der Studie mit 324 Patienten war die Zeit bis zum Therapieversagen, definiert als Auftreten eines Krankheitsschubs oder als dauerhafter Therapieabbruch. Erfasst wurde ferner die Therapiezufriedenheit.

Hinsichtlich der Zeit bis zum Therapieversagen zeigte sich, so Chan, kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsarmen. Teriflunomid weist demnach eine der Interferon-Therapie vergleichbare klinische Wirksamkeit auf. „Signifikant bessere Ergebnisse wurden aber bei der Therapiezufriedenheit gesehen“, betonte der Neurologe in Frankfurt. So äußerten sich die Patienten unter Teriflunomid eindeutig positiver zur Behandlung als Patienten unter Interferon. Vorteile zeigten sich nach Chan insbesondere bei den Parametern „Nebenwirkungen“ und „Einfachheit der Therapie“.

Nebenwirkungen der Teriflunomid-Therapie

Als häufigste Nebenwirkungen unter der Therapie wurden Diarrhöen, Übelkeit und eine Erhöhung der Leberwerte sowie eine Haarausdünnung beobachtet. Die Alopezie tritt passager auf, sie ist auf einen vorzeitigen Eintritt in die telogene Phase des Haarfollikelzyklus zurückzuführen und im Allgemeinen nur mild bis moderat ausgeprägt.

Das Sicherheitsprofil von Teriflunomid ist insgesamt gut bekannt, denn der Wirkstoff ist der aktive Metabolit der Substanz Leflunomid, die bereits seit Jahren zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis sowie der Psoriasis-Arthritis bei Erwachsenen eingesetzt wird und zu der Therapieerfahrungen von mehr als zwei Millionen Patientenjahren vorliegen.

Ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen wurde unter Teriflunomid nicht gesehen, die Behandlung sollte laut Chan jedoch nicht bei Vorliegen einer aktiven Infektion begonnen werden. Aus Sicherheitsgründen ist zudem eine sichere Kontrazeption zu praktizieren. Kommt es dennoch unter Teriflunomid zu einer Schwangerschaft, so ist eine beschleunigte Elimination des Immunmodulators mit Colestyramin und/oder Aktivkohle angezeigt.

Der primäre Biotransformationsweg für Teriflunomid ist die Hydrolyse, wobei die Oxidation ein Biotransformationsweg von untergeordneter Bedeutung ist. Werden starke Cytochrom-P450-(CYP-) und Transporter-Induktoren gleichzeitig mit Teriflunomid angewendet, so kann das zu einer Abnahme der Teriflunomid-Exposition um 40% führen [4]. Rifampicin und andere bekannte starke CYP- und Transporter-Induktoren, wie Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Johanniskraut, sollten während der Behandlung mit Teriflunomid mit Vorsicht angewendet werden. 

Quelle

[1] O´Connor P et al. Randomized trial of oral teriflunomide for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med 2011; 365; 1293–1303.

[2] Kappos L et al. ECTRIMS 2012, oral Presentation.

[3] Vermersch P et al. CMSC-ACTRIMS 2012.

[4] Fachinformation Aubagio®, Stand August 2013.

 

Medizinjournalistin Christine Vetter

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