Gefahrstoffrecht

Die Abgabe von Gefahrstoffen

Was in der Apotheke zu beachten ist

Von Maria Regina Emsbach | Wenn man als Apotheker Gefahrstoffe in der Apotheke abgeben will, hat man nicht nur deren sachgemäße Handhabung zu beachten, sondern auch zahlreiche Vorschriften: Wer darf, wann, an wen, unter welchen Bedingungen und in welcher Weise Gefahrstoffe abgeben - oder auch nicht? Dies bestimmen insbesondere Chemikaliengesetz, Chemikalien-Verbotsverordnung und Gefahrstoffverordnung.

Bislang basierten diese Regelungen primär auf einer Systematik, die aus sieben Gefahrensymbole und -bezeichnungen bestand, ergänzt um die R-Sätze als Gefahrenhinweise. Doch mit der europäischen Übernahme des weltweiten Gefahrstoffrechtes GHS, dem Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals, durch die europäische EG-CLP-Verordnung, wurde diese bisherige Systematik entscheidend geändert und grundlegend erweitert. Dies geschah vor dem Hintergrund einer zunehmenden Differenzierung der möglichen Gefahren: beispielsweise der Unterscheidung der Aggregatzustände bei physikalischen Gefahren oder der Bewertung der toxischen Gefahren hinsichtlich ihrer akuten oralen, inhalativen beziehungsweise dermalen Toxizität oder ihrer spezifischen Zieltoxizität bei ein- oder mehrmaliger Exposition. Diese Komplexität des neuen Gefahrstoffsystems können die Gefahrensymbole, die jetzigen Piktogramme, deren Anzahl sich von sieben auf nun neun erhöht hat, nicht mehr vollständig abbilden.

Aus diesem Grunde weisen jetzt nicht mehr primär die Piktogramme, sondern die Gefahrenhinweise, die H-Sätze (von engl. Hazard Statements), entscheidend auf die Gefährlichkeit eines Stoffes hin. Zur Umsetzung der noch geltenden, aber noch nicht an das GHS angepassten Chemikalienverbotsverordnung, müssen deren bisherige Gefahrensymbol-assoziierten Vorschriften jetzt auf die aktuelle H-Satz-Systematik umgestellt werden. Dazu muss man zunächst prüfen, welche H-Sätze dem Stoff, den man abgeben will, zugeordnet sind.

Abb 1: Etikett eines Vorratsgefäßes mit Methanol

Abgabe von Gefahrstoffen

Vor der Abgabe eines Gefahrstoffs ist zu überprüfen,

  • ob H-Sätze auch bei Kleinmengen (≤ 125 ml) mit reduzierter Kennzeichnungspflicht aufgebracht werden müssen;
  • welche P-Sätze für den vom Kunden angegebenen Verwendungszweck sinnvoll sind. Es sollten etwa sechs P-Sätze ausgewählt werden. Welche P-Sätze infrage kommen, ergibt sich aus den H-Sätzen und kann beispielsweise dem neuen DAV- Poster (Abb. 2 ) entnommen werden;
  • welche P-Sätze auch bei Kleinmengen (≤ 125 ml) mit reduzierter Kennzeichnungspflicht in die Auswahl mit einbezogen werden sollen;
  • welche Stoff in der Apotheke unter Verschluss gelagert werden müssen;
  • ob es Beschäftigungsverbote für Schwangere oder Stillende gibt, die für Tätigkeiten mit dem betreffenden H-Satz nicht herangezogen werden dürfen;
  • ob man Abgabeverbote an Privatkunden, beispielsweise für karzinogene, mutagene bzw. reproduktionstoxische Stoffe (CMR-Stoffe) beachten muss;
  • ob der Erwerber bzw. Abholer mindestens 18 Jahre alt sein muss;
  • ob das Abgabegefäß mit einem kindergesicherten Verschluss oder einem tastbaren Gefahrenhinweis („Blindentastmarke“) versehen werden muss;
  • ob man vor der Abgabe den Erwerber mündlich über die mit der Verwendung des betreffenden Gefahrstoffs verbundenen Gefahren, Vorsichtsmaßnahmen, Maßnahmen beim versehentlichen Verschütten und Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Entsorgung unterrichten muss;
  • ob bei der Abgabe an private Endverbraucher eine schriftliche Gebrauchsanweisung mitgegeben werden muss;
  • ob man die Identität des Erwerbers / Abholers feststellen, diesen einen Empfangsschein unterschreiben lassen und die Abgabe im Abgabebuch dokumentieren muss.
Abb. 2: Ausschnitt aus dem neu erschienenen DAV-Poster „Gefahrstoffabgabe in Apotheken (GHS)“ - Gefahrenprävention, Verbote, Abgabemodalitäten. Kennzeichnung, Information und Dokumentation“

Dazu kann beispielsweise das Poster „Gefahrstoffabgabe in Apotheken nach GHS – Gefahrenprävention, Verbote, Abgabemodalitäten. Kennzeichnung, Information und Dokumentation“ (s. Kasten „Alle Informationen zu Gefahrstoffen auf einen Blick“), zu Rate gezogen werden. Hier findet man tabellarisch und nach H-Sätzen geordnet auf einen Blick alle oben genannten abgaberelevanten Punkte.

Alle Informationen zu Gefahrstoffen auf einen Blick

Im Poster „GHS Poster Arbeitsschutz“, das der DAZ Nr. 15/2011 beilag, finden Sie eine Synopse von altem und neuem Gefahrstoffrecht, also eine detaillierte Umsetzungshilfe, in der lückenlos allen bisherigen Gefahrensymbolen die neue Kennzeichnung nach H-Sätzen sortiert zugeordnet sind. Zudem finden Sie dort die nach der EG-CLP-VO möglichen Sicherheitsratschläge, die P-Sätze (von engl. Precautionary Statements). Für die H300-Sätze „Gesundheitsgefahren“ sind zudem alle von der Bundesapothekerkammer (BAK) empfohlenen Arbeitsschutzmaßnahmen als sog. BAK-Farbkonzept aufgeführt.

Das jetzt neu erschienene Poster „Gefahrstoffabgabe in Apotheken (GHS)“ ergänzt die Maßnahmen des „internen“ Arbeitsschutzes um die Maßnahmen bei „externer“ Gefahrstoffabgabe zum Schutz des Verbrauchers und unserer Umwelt. Hierbei sind bei gleicher Systematik und Aufteilung allen H-Sätzen der H200-Reihe „Physikalische Gefahren“, H300-Reihe „Gesundheitsgefahren“ und H400-Reihe „Umweltgefahren“ in übersichtlicher Tabellenform die sich daraus ableitbaren Abgabemodalitäten als Abgabehinweise zugeordnet.

Mit den beiden Postern „GHS Poster Arbeitsschutz“, und „Gefahrstoffabgabe in der Apotheke (GHS) “, haben Sie und Ihre Mitarbeiter das komplette neue Gefahrstoffrecht nach GHS in Ihrer Apotheke stets überschaubar im Blick und können es beim Mitarbeiterschutz wie auch bei der Gefahrstoffabgabe jederzeit leicht und einfach umsetzen.

DAZplus – das Plus für Abonnenten

DAZ-Abonnenten können das Poster „Gefahrstoffabgabe in Apotheken (GHS)“ zum Vorzugspreis von 9,80 Euro (regulär 14,80 Euro) beim Deutschen Apotheker Verlag bestellen.

Bestelladresse:
Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 101061, 70009 Stuttgart
oder im Internet unter: www.deutscher-apotheker-verlag.de
oder per Telefon unter: (0711) 2582-341 oder -342

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein in der Apotheke bekannter zuverlässiger Kunde mittleren Alters möchte 500 ml Methanol kaufen, den er als Treibstoff für eines seiner Modellflugzeuge verwenden möchte.

Auf dem Vorratsgefäß mit Methanol sind als Gefahrenhinweise die Piktogramme GHS02, GHS06 und GHS08, das Signalwort „Gefahr“ sowie die H-Sätze H225, H301, H311, H331 und H370 aufgebracht (s. Abb. 1).

Auf dem Poster „Gefahrstoffabgabe in Apotheken (GHS)“ (Abb. 2) sucht man zunächst für die aufgeführten H-Sätze die infrage kommenden P-Sätze und dann die Abgabehinweise, die den H-Sätzen zugeordnet sind, heraus (Abb. 3).

Abb. 3:Methanol werden den H-Sätzen entsprechend P-Sätze zugeordnet

Bei der Abgabe eines Gefahrstoffs, hier Methanol, müssen den angegebenen H-Sätzen die entsprechenden P-Sätze zugeordnet werden. Bei der Auswahl der P-Sätze ist zu beachten: Nicht jeder P-Satz, der einem H-Satz zugeordnet ist, ist fürjede Anwendung des Gefahrstoffs relevant. Deshalb müssen aus den infrage kommenden P-Sätzen grundsätzlich bis zu sechs Sätze, die für die geplante Anwendung relevant sind, ausgewählt werden. Bei Abgabe an Privatpersonen sollten, um der Sorgfaltspflicht Genüge zu tun, immer auch P101, P102 und P501 mit aufgeführt werden. Daher kann im Einzelfall ein Text von mehr als sechs P-Sätzen sinnvoll sein. Eine beispielhafte Auswahl von P-Sätzen zeigt die Tabelle 1. Wenn bei den P-Sätzen Ergänzungen einzufügen sind, findet man Hinweise hierzu im Sicherheitsdatenblatt.

Die P-Sätze werden im Wortlaut neben den Piktogrammen GHS02, GHS06 und GHS08, dem Signalwort „Gefahr“ sowie dem Wortlaut der H-Sätze (H225, H301, H311, H331 und H370) auf dem Abgabegefäß aufgebracht. Es bietet sich an, die Abgabehinweise in Form einer (gedanklichen) Checkliste abzuarbeiten, wie sie in Tabelle 2 gezeigt ist.

Abbildung 4 zeigt, wie im beschriebenen Beispiel das fertige Abgabeetikett für Methanol aussehen würde.

Abb. 4: Abgabeetikett für Methanol

Anschließend ist unter anderem zu entscheiden, welche Abgabehinweise man dem Käufer gibt, welche Maßnahmen gegebenenfalls zum Schutz von Kindern oder Sehbehinderten ergriffen werden und ob und wenn ja, welchen Dokumentationspflichten man nachkommen muss.

ChemVerbotsV und GÜG

Über die genannten Abgabehinweise hinaus gibt es Abgabeverbote für bestimmte Stoffe nach der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) oder für Stoffe, die als Grundstoffe zur illegalen Drogensynthese oder zur illegalen Sprengstoffsynthese verwendet werden können (GÜG = Grundstoffüberwachungsgesetz). Da diese aber nicht der H-Satz-Systematik unterliegen, können sie nicht in Abbildung 2 bzw. 3 enthalten sein. In dem Beispiel „Methanol“ spielen diese auch keine Rolle.

Wenn das Abgabegefäß entsprechend etikettiert ist und alle Abgabehinweise beachtet worden sind, kann man sicher sein, nichts Wesentliches übersehen zu haben und allen Vorschriften, die sich aus den H-Sätzen ableiten lassen, gerecht geworden zu sein.

Autorin

Maria Regina Emsbach ist Apothekerin und ehrenamtliche Pharmazierätin. Sie hat im Expertengremium der BAK zur Umsetzung des Gefahrstoffrechtes in Apotheken mitgearbeitet.

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