Arzneimittel und Therapie

Resistenzen gegen Antiepileptika

Sind P-Glykoproteine verantwortlich?

Es gibt neue Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer Überaktivität von P-Glykoproteinen (PGP) im Gehirn und Antiepileptika-Resistenz. In einer Fall-Kontroll-Studie mit 16 therapieresistenten Epileptikern wurde eine vermehrte Bildung dieser Transporterproteine festgestellt. Außerdem zeigte sich, dass dies im Ursprungsareal der Anfälle besonders ausgeprägt ist.

Ein Drittel der Epilepsie-Patienten spricht nicht auf Antiepileptika an. Als ein potenzieller Resistenzmechanismus wird eine vermehrte Aktivität der Transporter in der Blut-Hirn-Schranke diskutiert. In Tierversuchen wurde schon ein Zusammenhang zwischen einer P-Glykoprotein (PGP)-Überexpression und verringerten Antiepileptika-Konzentrationen festgestellt. Auch in operativ und post mortem entfernten Geweben wurde bei therapieresistenten Patienten eine Überzahl diesen Transportern gefunden, was aber keinen Rückschluss auf deren Aktivität zuließ. Jetzt wurde erstmals die PGP-Aktivität an lebenden Patienten untersucht. Es wurden 24 Temporallappen-Epileptiker rekrutiert – 16 therapieresistent (mindestens ein Anfall/Monat trotz Pharmakotherapie) und acht seit über einem Jahr anfallsfrei. Zudem wurden 17 gesunde Probanden untersucht. Allen wurde 11C-Verapamil verabreicht, um Verteilung und Elimination im PET-Scan und mit Blutproben zu untersuchen. Gesunde Probanden und resistente Patienten bekamen vor einem erneuten Scan 2 bzw. 3 mg/kg KG des PGP-Inhibitors Tariquidar. Anfallsfreie Patienten wurden wegen möglicher Interaktionen von diesem Teil der Untersuchung ausgenommen.

Aus den Werten wurde die Transportkonstante K1 zwischen Blut und Gehirn berechnet. Nach der Infusion muss Verapamil erst die Blut-Hirn-Schranke überwinden, woraufhin es von P-Glykoproteinen ins Blut zurück gepumpt wird. Je höher die PGP-Aktivität ist, desto weniger Nettotransport ins Gehirn findet statt und umso kleiner ist der K1-Wert. Der Einsatz von Tariquidar erhöhte in allen Fällen K1. Allerdings war das Ausmaß abhängig von der PGP-Expression. Da allen eine fixe Dosis verabreicht wurde, konnte bei einer höheren PGP-Expression ein geringerer Anteil gehemmt werden. Die therapieresistenten Epileptiker wiesen schon im ersten Test eine gegenüber den anfallsfreien Patienten erhöhte regionale PGP-Aktivität auf, die mit der Anfallshäufigkeit korrelierte. Zudem war der Anstieg von K1 nach Tariquidar bei den gesunden Probanden höher als bei der resistenten Gruppe. Den PET-Scans zufolge scheint sich die Überexpression auf den ipsilateralen Hippocampus zu beschränken, welcher eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Epilepsie spielt. Das kann als der erste direkte In-vivo-Beweis für eine lokalisierte PGP-Überaktivität bei therapieresistenter Epilepsie gelten. Viele Wirkstoffe wie Lamotrigin und Topiramat sind Substrate der P-Glykoproteine. Carbamazepin selbst gehört zwar nicht dazu, wohl aber dessen toxischer Metabolit Carbamazepin-Epoxid. Das könnte vielleicht die Verträglichkeit des Wirkstoffes erklären.

Tariquidar als Add-On?

Ein Patient zeigte nach der Gabe von Tariquidar vermehrt Antiepileptika-bezogene Nebenwirkungen, war aber danach für vier Wochen anfallsfrei (zuvor zwölf Anfälle/Monat). Vermutlich ist eine erhöhte intrazelluläre Antiepileptika-Konzentration der Grund. Die Studie kann nur erste Anhaltspunkte bieten.

Wenn sich die Ergebnisse in größeren Untersuchungen bestätigen, könnten PGP-Inhibitoren ein wertvolles Mittel in der Epilepsie-Therapie werden. Fragen nach einem kausalen Zusammenhang zwischen Anfällen und Resistenzentstehung könnten dann vielleicht ebenfalls geklärt werden. 

Quelle

Feldmann M. P-glycoprotein expression and function in patients with temporal lobe epilepsy: a case-control study. Lancet Neurol. 2013; 12: 777-785

 

Apothekerin Sarah Katzemich

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