Arzneimittel und Therapie

MMR-Booster bei juveniler idiopathischer Arthritis?

Auffrischimpfung löst keine Schübe aus

Eine MMR-Auffrischimpfung beeinträchtigt den Krankheitsverlauf bei Kindern mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis nicht, so das Fazit einer niederländischen Studie.

Kinder, die an einer juvenilen Arthritis erkrankt sind, können eine therapeutisch bedingte Immunschwäche aufweisen. Theoretisch besteht dann bei einer Impfung mit Lebendimpfstoffen das Risiko einer verstärkten Replikation der abgeschwächten Pathogene oder die Gefahr einer verstärkten Krankheitsaktivität. Aufgrund kleiner, unkontrollierter Studien wurde vor allem die Sicherheit einer Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung) infrage gestellt, da die Röteln-Komponente mit der juvenilen Arthritis in Verbindung gebracht wurde. Obwohl kontrollierte Studien diese Assoziation nicht bestätigt hatten, bestehen Bedenken, ob eine MMR-Impfung die Krankheitsaktivität beeinflusst. Um Klarheit darüber zu gewinnen, ob eine MMR-Auffrischimpfung die Krankheitsaktivität bei Patienten mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis beeinflusst und wie sich die Impfung auf die Immunantwort auswirkt, wurde eine randomisierte klinische Studie durchgeführt.

Niederländische Studie

An der randomisierten, multizentrischen Open-label-Studie nahmen 137 Kinder im Alter zwischen vier und neun Jahren teil, die an einer juvenilen idiopathischen Arthritis erkrankt waren und mehrheitlich mit NSAR, Methotrexat oder TNFα-Antagonisten behandelt wurden. Die Therapie mit Biologicals wurde eine gewissen Zeit vor der Impfung ausgesetzt. 69 Kinder erhielten keine Auffrischimpfung (Kontrollgruppe), 68 Kinder der Impfgruppe erhielten die MMR-Auffrischimpfung. Der niederländische Impfkalender sieht die erste MMR-Impfung im Alter von 14 Monaten, die Auffrischimpfung im Alter von neun Jahren vor. Die Krankheitsaktivität wurde mithilfe des JADAS-27-Scores ermittelt (JADAS = Juvenile Arthritis Disease Activity Score, der von 0 bei keiner Krankheitsaktivität bis zu 57 bei hoher Aktivität reicht) und ein Jahr nach der Auffrischimpfung zwischen den zwei Gruppen verglichen. Die Immunogenität wurde mithilfe der Seroprotektionsraten und der MMR-Antikörperkonzentration nach drei und zwölf Monaten bestimmt.

Juvenile idiopathische Arthritis

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist die häufigste chronisch entzündlich rheumatische Erkrankung im Kindesalter mit einer Prävalenz zwischen 16 und 150 Fällen auf 100.000 Kinder und Jugendliche, wobei die Krankheit vor dem 16. Lebensjahr einsetzt. Es handelt sich um eine fortschreitende Gelenkentzündung, die zu Schäden am Knorpel, Kapselbandapparat und gelenknahen Knochen einhergeht. Funktionelle Einschränkungen, Fehlhaltungen und Gelenkdeformierungen sind die Folge. Eine Beteiligung innerer Organe ist möglich. Man unterteilt die Erkrankung in mehrere Unterformen. Im Vordergrund steht die Arthritis, die mit Schwellung, Schmerz und Bewegungseinschränkungen sowie mit Überwärmung und Ergussbildung einhergehen kann. Typischerweise klagen die Kinder über eine Morgensteifigkeit der Gelenke. Die Ätiologie der juvenilen idiopathischen Arthritis ist bis heute weitgehend ungeklärt. Als mögliche auslösende Ursachen werden Infektionen, autoimmunologische Vorgänge und genetische Disposition diskutiert. Aufgrund der unbekannten Ätiologie ist keine kausale Therapie möglich, zur Behandlung werden unter anderem NSAR, Glucocorticoide, DMARDs (Disease-modifying antirheumatic drugs wie Methotrexat, Ciclosporin, Sulfasalazin, Azathioprin) und Biologicals eingesetzt.

Keine Auswirkung auf die Krankheitsaktivität

In einer modifizierten Intention-to-treat-Analyse konnten die Daten von 131 Kindern ausgewertet werden. Die Krankheitsaktivität war in den beiden Gruppen vergleichbar (Kontrollgruppe: JADAS-27 = 2,4; Impfgruppe JADAS-27= 2,8). Nach zwölf Monaten waren die Seroprotektionsraten in der Impfgruppe höher als in der Kontrollgruppe, dasselbe gilt für die Konzentration der Antikörper. So lag der prozentuale Anteil aller Kinder, die eine ausreichende Immunität aufwiesen, in der Impfgruppe bei 100% (Masern), 97% (Mumps) und 100% (Röteln). In der Kontrollgruppe lagen die Werte bei 92% (Masern), 81% (Mumps) und 94% (Röteln).

Impfempfehlungen der EULAR

Die European League Against Rheumatism (EULAR) gab 2011 folgende Empfehlungen heraus:

  • Totimpfstoffe: Eine Impfung mit Totimpfstoffen verschlechtert auch bei Patienten unter Glucocorticoiden, DMARDs oder einer Anti-TNFα-Therapie die Grunderkrankung nicht und führt zu keinen unüblichen oder schweren Nebenwirkungen.
  • Lebendimpfstoffe: Es wird empfohlen, keine Lebendimpfstoffe bei pädiatrischen Patienten unter hoch dosierten DMARDs (Disease-modifying antirheumatic drugs), hoch dosierten Glucocorticoiden oder Biologicals zu verabreichen. Im Einzelfall kann aber das individuelle Risiko einer Infektion gegen das hypothetische Risiko der Impfung abgewogen werden. Die Immunogenität der MMR-Impfung wird als gut, die Impfung als sicher eingestuft. Es liegen Fallberichte zum Aufflammen einer juvenilen idiopathischen Arthritis vor.

[Quelle: Heijstek M et al. EULAR recommendations for vaccination in paediatric patients with rheumatic diseases. Ann Rheum Dis 70, 1704-1712 (2011)].

Fazit der Autoren

Diese Daten zeigen, dass bei Kindern mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis eine MMR-Auffrischimpfung durchgeführt werden kann, ohne die Krankheitsaktivität zu beeinflussen. Allerdings sollte in größeren Studien untersucht werden, ob dies auch für Kinder gilt, die mit Biologicals behandelt werden. Diese Frage konnte in obiger Studie aufgrund der geringen Probandenzahl nicht geklärt werden. 

Quelle

Heijstek M et al: Effects oft the live attenuated measles-mumps-rubella booster vaccination on disease activity in patients with juvenile idiopathic arthritis. JAMA 309, 2449–2456 (2013).

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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