Arzneimittel und Therapie

Belastungsstörung und Alkoholabhängigkeit

Naltrexon reduziert PTSD-Symptome und Alkoholkonsum

Die Komorbidität von Alkoholabhängigkeit mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD) scheint nahezu behandlungsresistent. Ärzte befürchten, dass eine sogenannte Prolonged-Exposure-Therapie, in der dem Trauma-Patienten durch wiederholtes kontrolliertes Wiedererleben der Situation zwar geholfen werden kann, eine Alkoholabhängigkeit möglicherweise aber noch verschlimmert wird. Eine Studie, in der zwei evidenzbasierte Therapien gegen Alkoholabhängigkeit einerseits bzw. PTSD anderseits getestet wurde, gibt nun Entwarnung.

Eine posttraumatische Belastungsstörung (posttraumatic stress disorder, PTSD) ist eine psychische Erkrankung, der ein oder mehrere belastende Ereignisse von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß (Trauma) vorangehen. Die Bedrohung muss nicht unbedingt die eigene Person betreffen, sondern kann auch erlebt worden sein, z.B. als Zeuge eines schweren Unfalls oder einer Gewalttat. Die PTSD tritt in der Regel innerhalb von einem halben Jahr nach dem traumatischen Ereignis auf und geht mit unterschiedlichen psychischen und psychosomatischen Symptomen einher. Die Patienten sind sehr oft auch alkoholabhängig. Für Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung ist eine Prolonged-Exposure-Therapie (PE) eine evidenzbasierte Methode, bei der in einer Reihe von Sitzungen der Patient immer wieder mit dem Trauma konfrontiert und dann aufgefordert wird, über die Gedanken und Gefühle zu sprechen, die er dabei erlebt. Bei Alkoholabhängigkeit ist der Opiatantagonist Naltrexon eine evidenzbasierte Option. Naltrexon führt zu einer Abschwächung des Verlangens nach Alkohol. Wie alkoholabhängige Patienten mit einer PTSD, die unter deutlichen Einschränkungen ihrer physischen und psychischen Funktionen leiden, behandelt werden können, ist bisher wenig untersucht. In einer einfach randomisierten klinischen Studie wurden zwischen 2001 und 2009 165 Teilnehmer mit PTSD und Alkoholabhängigkeit mit der Prolonged-Exposure-Therapie (PE) plus Naltrexon (100 mg/Tag), PE plus Placebo, psychologischer Beratung plus Naltrexon (100 mg/Tag) oder psychologischer Beratung plus Placebo behandelt. Alle Patienten bekamen eine psychologische Beratung, bei der auch über die Gefahren einer Alkoholabhängigkeit aufgeklärt wurde. Der Schweregrad der PTSD und das Verlangen nach Alkohol bzw. die Anzahl Tage, an denen Alkohol getrunken wurde, waren die Zielparameter. Sie wurden vor der Therapie (Woche 0), nach der Therapie (Woche 24) und dann nach sechs und nach zwölf Monaten erhoben. Die Zieldosis von Naltrexon betrug 100 mg/Tag, begonnen wurde mit 50 mg/Tag drei Tage lang, um dann innerhalb einer Woche auf die Zieldosis hochzutitrieren. Die PE bestand aus zwölf wöchentlichen Sitzungen von je 90 Minuten, gefolgt von sechs weiteren Sitzungen alle zwei Wochen. Als Hausarbeit mussten die Teilnehmer die Tonaufnahmen, die während der Sitzung gemacht worden waren, anhören und wiederum ihre Gedanken dazu aufschrieben.

Weniger Tage mit Alkohol

Bei den Teilnehmern in allen vier Gruppen kam es zu einer Reduktion des Anteils an Tagen mit Alkoholkonsum und dem Verlangen nach Alkohol, im Mittel betrug der Rückgang -64%. In der Gruppe nur mit Naltrexon betrug der Rückgang von Tagen mit Alkoholkonsum sogar -70%. Bei allen vier Gruppen zeigte sich auch ein Rückgang der PTSD-Symptome, aber Unterschiede zu den Gruppen mit PE-Therapie waren nicht statistisch signifikant. Zum Messzeitpunkt nach einem Jahr nach Therapie war es bei den Teilnehmern aller vier Gruppen wieder zu einem Anstieg der Tage mit Alkoholkonsum gekommen. Aber der Anstieg in der Gruppe Naltrexon + PE war am geringsten (+9% vs, +19% vs. +22% vs. +27%. Die PE-Therapie führte nicht zu einer Verschlimmerung der Alkoholabhängigkeit.

Aussagekraft und Grenzen

In der Studie wurden bei diesem Patientenklientel erstmals die Effekte zweier evidenzbasierter Therapien (Naltrexon gegen Alkoholabhängigkeit und Psychotherapie gegen PTSD) zusammen getestet. Der positive Effekt einer Naltrexon-Therapie bei Alkoholabusus bestätigte sich. Ein positiver Effekt einer PE-Therapie bei Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung konnte nicht bestätigt werden, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass alle Patienten die supportive psychologische Behandlung erfahren hatten. Sehr wichtig erschien den Autoren aber, dass eine PE-Therapie nicht zu einem erhöhten Alkoholkonsum führte. Erfreulich auch, dass Teilnehmer, die die PE-Therapie bekommen hatten, im Vergleich zu Placebo nach sechs Monaten weniger alkoholrückfällig geworden waren. 

Quelle

Foa, EB et al: Concurrent Naltrexone and Prolonged Exposure Therapiy for Patientes With Comorbid Alcohol Dependence and PTSD. JAMA 2013; 310(5), 488–495.

Mills K. Treatment of Comorbid Substance Dependence and Posttraumatic Stress Disorder. JAMA 2013; 310(5), 482–483.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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