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Überlegungen zur Formulierung eines Leitbildes

Erika Fink Foto: BAK

Organisationen geben sich heute ein Leitbild, ähnlich wie Unternehmen. Darin werden Aussagen gemacht über Grundprinzipien, Selbstverständnis, Ziele und Strategie, aber auch über das Verhalten der einzelnen Mitglieder untereinander sowie im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld. Es soll den Mitgliedern einer Organisation als Leit-Bild im wahrsten Sinn des Wortes dienen, an dem sie ihr Verhalten ausrichten. Gleichzeitig informiert es Marktpartner darüber, was sie von einer Organisation als Ganzes und jedem ihrer Angehörigen erwarten dürfen.

Idealerweise wird ein Leitbild nach innen motivieren und nach außen werben. Und es sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob es diese Funktionen erfüllt. Aber wollen und brauchen wir überhaupt ein Leitbild für die gesamte Apothekerschaft? Und welches Ergebnis wünschen wir uns? Das muss geklärt werden.

Wenn ein Leitbild für die Berufsgruppe "Apotheker" erarbeitet wird, dann hat es nach meiner Meinung drei Parameter zu berücksichtigen:


1. Unser Leitbild sollte wenige Grundregeln formulieren statt vieler Details. Unser Berufsstand bietet durch seine vielfältigen Spezialisierungen keine identischen Leistungen an, zudem sind die Tätigkeiten in öffentlichen Apotheken, der Industrie, Verwaltung und in Institutionen außerordentlich vielfältig. Es sollten einheitliche Grundregeln formuliert werden, die eine wachsende Vielfalt beim Angebot apothekerlicher Dienstleistungen zulassen, einmal wegen des schnellen wissenschaftlichen Fortschritts in Pharmazie und Medizin, aber auch im Hinblick auf die Veränderungen in der Gesellschaft und das Zusammenwachsen in Europa.


2. Wir sind nicht völlig frei in der Formulierung eines Leitbilds. Als Freiberufler sind wir der Ethik der freien Berufe verpflichtet, das heißt insbesondere, dass wir vor allem anderen das Wohl des Klienten – Kunden – Patienten zu verfolgen haben. Das europäische Parlament und die Monopolkommission haben schon 2004/2005 den Vorwurf formuliert, "dass in manchen europäischen Mitgliedstaaten Berufskörperschaften allzu häufig ihre Selbstregelungsbefugnis mehr zur Förderung der Interessen ihrer eigenen Mitglieder als zur Förderung derjenigen der Verbraucher nutzen". In einem Leitbild der Apotheker muss unmissverständlich zum Ausdruck kommen, dass dem nicht so ist.


3. Ein Leitbild muss drei Komponenten des Apothekerberufs berücksichtigen: die wissenschaftliche, die soziale und die kaufmännische. Alle drei Komponenten sind untrennbar miteinander verbunden, sind unverzichtbar und müssen in einem Gleichgewicht gehalten werden. Auch das sollte ehrlicherweise in einem Leitbild zum Ausdruck kommen. Zudem soll das Leitbild für Außenstehende erkennen lassen, nach welchen Prinzipien apothekerliche Dienstleistung funktioniert, und welchen Wert sie für die Gesellschaft darstellt.

Fakt ist jedoch: Es genügt nicht, ein Leitbild zu schreiben. Es muss von den Mitgliedern getragen und mit Leben erfüllt werden. Und es muss von Verbrauchern, den Medien und der Politik dauerhaft glaubhaft erfahren werden – nicht durch Reden, sondern durch konkretes Handeln.


Ist das umzusetzen? In Unternehmen mit ihren hierarchischen Strukturen ist die (Selbst-) Verpflichtung auf ein Leitbild und das Einfordern des entsprechenden Handelns relativ einfach. In einer quasi hierarchiefreien Organisation ist das gegen die Überzeugung oder gar den Willen jedes Einzelnen nahezu unmöglich. Auch wenn die Kammern berufsrechtliche Vorschriften durchsetzen, leiten sich diese ja nicht von einem Leitbild ab, sondern diese sind im Gegenteil bei seiner Erstellung zu berücksichtigen.

Natürlich könnte ein Leitbild die Vision vom Freiberufler Apotheker beschreiben – als Idealbild. Hierin würde zum Beispiel formuliert,

  • dass wir unverzichtbarer Teil des Gesundheitswesens sind,
  • dass wir wissensbasierte Dienstleistungen auf hohem Niveau erbringen, das durch hervorragende Ausbildung und ständige Fort- und Weiterbildung gesichert ist,
  • dass wir unseren Beruf eigenverantwortlich ausüben,
  • dass wir sowohl fachlich als auch von den Interessen Dritter unabhängig sind,
  • dass wir unsere Leistung persönlich erbringen und nur zu einem geringen Teil delegieren können,
  • dass wir uns von unserem Berufsethos leiten lassen und nicht primär von Gewinnstreben und
  • dass wir uns dadurch von kommerziellen Dienstleistern unterscheiden – zum Nutzen der Verbraucher.

Aber das ist alles schon irgendwo geschrieben worden, und es genügt einfach nicht, unsere Qualitäten als Idealbild darzustellen. Die Gesellschaft und ganz besonders die Politik müssten den Wert eines Leitbildes erleben können, bei jedem Besuch in einer Apotheke. Und hier ist jeder von uns gefordert, nicht unsere Berufsvertretung.

Ja, wir brauchen einfache Strukturen und klare Regeln, und das gilt nicht nur für uns Apotheker. Aber das bedeutet den Versuch einer Trendwende in dieser Gesellschaft, die geprägt ist von der Regelungswut der Politik und dem Eingehen in sich widersprüchlicher Kompromisse mit Marktpartnern. Trauen wir uns das zu?

Doch wenn wir nicht die Mehrheit unserer Berufsangehörigen hinter uns bringen können, was ist das Leitbild dann wert? Und noch etwas gibt mir zu denken: Einzelne Kammern haben ihren Angehörigen schon Leitbilder gegeben, manche Apotheken haben ein Leitbild für ihre Apotheke, angestellte Apotheker arbeiten in Betrieben, die Leitbilder haben, manche Kooperationen haben Leitbilder, nach denen ihre Mitglieder sich richten sollen. Welchem Leitbild fühlt sich der einzelne Apotheker dann primär verpflichtet? Braucht er ein weiteres?

Wie in der Überschrift gesagt: das waren Überlegungen zu einem Leitbild, hoffentlich Denkanstöße für eine fruchtbare Diskussion, keinesfalls ein Entwurf.


Erika Fink


Erika Fink, Inhaberin der Grüneburg-Apotheke in Frankfurt/M., ist Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen und ehemalige Präsidentin der Bundesapothekerkammer

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