Aus der Hochschule

Marburger erforscht Heilpflanzen in Afghanistan

Wertvolles traditionelles Wissen wird dokumentiert

Der Marburger Pharmazeut Prof. Dr. Michael Keusgen erforscht Heilpflanzen in Afghanistan und das traditionelle Wissen der Bevölkerung über deren medizinische Verwendung. Dieses Wissen dokumentiert er, um es der Allgemeinheit und der Pharmazie für die Entwicklung von Medikamenten zugänglich zu machen.
Professor Keusgen untersucht eine wildwachsende Zwiebelart im Nordosten Afghanistans.
Foto: Privat

Professor Keusgen aus dem Institut für Pharmazeutische Chemie an der Philipps-Universität in Marburg arbeitet seit vielen Jahren am Thema Heilpflanzen entlang der historischen Seidenstraße. Eine Forschungsreise führte ihn kürzlich in den Nordosten Afghanistans in den Distrikt Yarwan in der Provinz Badakhshan. Dort leben auf über 3000 Metern Höhe überwiegend Nomaden. In dem nur zu Fuß erreichbaren Dorf Shingan an der Grenze zu Tadschikistan wächst unter anderem eine Zwiebelpflanze, die medizinisch wirksame Schwefelverbindungen enthält. Die Einheimischen sammeln im Frühjahr die frischen Blätter der Pflanze, um sich nach den langen, harten Wintern im Hochgebirge zu kräftigen. Forschern ist die Pflanze unter dem wissenschaftlichen Namen Allium darwasicum bekannt. Dass es sie überhaupt in Afghanistan gibt, hat Keusgen erstmals dokumentiert.

Blüte der wildwachsenden Zwiebelart Allium darwasicum, die vom Marburger Pharmazeuten Prof. Dr. Michael Keusgen erstmals in Afghanistan gefunden wurde. Die frischen Blätter dienen als Stärkungsmittel nach langen Wintermonaten. Foto: M. Keusgen/Philipps-Universität Marburg

Auch andere Zwiebeln dienen den Menschen als Heilpflanzen: Allium oschaninii wächst auf einer Höhe von 2300 Metern, sieht unserer Küchenzwiebel ähnlich und wird gegen Atemwegserkrankungen eingesetzt. Magen-Darm-Beschwerden und Schmerzen werden auch mit Minze, Oregano und Berberitzen bekämpft. Keusgen befragte die Bevölkerung und erhielt so Informationen über die Verwendung von rund 20 Pflanzenarten. So erfuhr der Pharmazeut, dass die auf dem Basar von Yarwan verkauften Pilze nicht nur als Gemüse, sondern auch gegen Augenleiden verwendet werden. Der Enzian, den Keusgen im Gebirge fand, dient der Bevölkerung wegen seiner Bitterstoffe genauso wie in Europa als verdauungsförderndes Mittel.

Felder im Hochgebirge bei Yarwan. Auf 2300 Metern Höhe wachsen zahlreiche Heilpflanzen.
Foto: M. Keusgen/Philipps-Universität Marburg

Unterstützung bei seiner Arbeit erhielt Keusgen von Bastian Roos, Berater des Kanzlers der Balkh-Universität. Er ist als Fachkraft von dem in Frankfurt ansässigen Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) nach Mazar-e Sharif entsandt worden. Roos half Keusgen dabei, Kontakt zur Bevölkerung zu knüpfen und deren Wissen zu dokumentieren.

Marburger Froschkönig unterwegs – hier auf dem Basar von Yarwan im Nordosten von Afghanistan.
Foto: M. Keusgen/Philipps-Universität Marburg

Das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützte Vorhaben war zunächst als Pilotprojekt konzipiert. Es sollte herausgefunden werden, ob eine solche ethnopharmazeutische Forschung in einem abgelegenen Winkel Afghanistans sinnvoll ist. "Die Reise hat gezeigt, dass die Frage eindeutig mit Ja zu beantworten ist. Es gibt wahrscheinlich wenige Regionen auf dem Globus, in denen sich derartig wertvolle Informationen zu Arznei- und Nutzpflanzen sammeln lassen", so das Fazit von Keusgen.

Verkauf von Seitlingen auf dem Basar von Yarwan. Die Pilze dienen nicht nur als Gemüse, sondern helfen auch bei Augenleiden. Foto: M. Keusgen/Philipps-Universität Marburg

Der DAAD hat ihm vorgeschlagen, ein Buch über afghanische Heilpflanzen zu erstellen – eine Investition in das langfristige Ziel, den Gesundheitssektor im Land zu entwickeln und den Menschen grundlegende Medikamente zugänglich zu machen. Bei diesem Projekt arbeitet er mit der Balkh-Universität in Mazar-e Sharif zusammen. Dort ist er aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Dekan auch gefragt, den Aufbau von Forschung und Lehre am neu gegründeten Fachbereich Pharmazie zu unterstützen. Dabei geht es vor allem um die Entwicklung eines Lehrplans und um die Integration der Pharmazie in das medizinische Kompetenzzentrum der drittgrößten Hochschule in Afghanistan. "Talentierten Wissenschaftlern wollen wir außerdem die Möglichkeit geben, in Marburg zu promovieren", sagt Keusgen über die derzeitigen Pläne für die Zusammenarbeit mit der Balkh-Universität.


Prof. Dr. Michael Keusgen, Philipps-Universität Marburg, Institut für Pharmazeutische Chemie Marbacher Weg 6-10, 35032 Marburg

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