Arzneimittel und Therapie

Statine rauben Muskelzellen die Energie

Bis zu 75% der Patienten, die als Cholesterinsenker Statine einnehmen, verspüren Muskelschmerz und -schwäche als unerwünschte Arzneimittelwirkung. Wissenschaftler der Universität Kopenhagen haben jetzt einen möglichen Mechanismus für diese Nebenwirkung entdeckt.

Statine sind wirkungsvolle Arzneimittel, die in der Lage sind, sehr effektiv den LDL-Blutspiegel zu senken. Sie gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten, nicht zuletzt, um Schlaganfall und Herzinfarkt zu vermeiden. Doch nicht selten kommt es schon bei niedrigen Dosierungen zu Muskelschmerzen bzw. -krämpfen und muskelkaterähnlicher Symptomatik. Vor allem sportliche, aktive Menschen leiden unter diesem Phänomen, so dass die sportliche Leistungsfähigkeit abnimmt und die Patienten nicht mehr ihren Sport ausüben wollen oder ihr Medikament absetzen. Doch gerade das sollte bei Patienten mit Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt nicht passieren.

Statine senken erhöhte Cholesterinwerte, indem sie durch Blockade der HMG-CoA-Reduktase die Umwandlung von HMG-CoA in Mevalonsäure unterbinden. Somit wird die Bildung von körpereigenem Cholesterin unterdrückt, und es wird vermehrt LDL-Cholesterin aus der Blutbahn in die Zellen aufgenommen. Der LDL-Wert sinkt. Die HMG-CoA-Reduktase spielt auch eine Rolle in der Bildung von Coenzym Q10. Coenzym Q10 ist an der oxidativen Phosphorylierung beteiligt, über die 95% der gesamten Körperenergie (ATP) erzeugt wird. Das potenzielle Risiko bei der Einnahme von Statinen könnte sich auf die Hemmung dieser oxidativen Phosphorylierung und ATP-Produktion in den Muskeln beziehen und somit Muskelschmerzen hervorrufen.

Professor Flemming Dela und sein Team vom Center for Healthy Aging aus Kopenhagen haben in der im renommierten Journal of the American College of Cardiology veröffentlichten Studie gezeigt, dass in der Therapie mit Statinen die Energieproduktion der Muskelzellen behindert wird. Sie verfolgen die These, dass dieses Phänomen in direktem Zusammenhang mit dem Muskelschmerz liegt. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Patienten, die mit Statinen behandelt wurden, niedrige Coenzym-Q10 -Spiegel sowie eine verminderte Insulinsensitivität hatten. Durch den Mangel an Coenzym Q10 kann es zu verminderter Energieproduktion im Muskel kommen, was wiederum auch ein Grund für die auftretenden Muskelschmerzen sein kann.


ANTIKÖRPER GEGEN SERINPROTEASEN

Neue Therapieoption bei Statin-Unverträglichkeit


10 bis 20% der Patienten vertragen überhaupt keine Statine, oder ihr LDL-Cholesterinspiegel kann mit einer verträglichen Dosis nicht ausreichend gesenkt werden. In einer Phase-II-Studie wurde jetzt ein monoklonaler Antikörper (AMG 145) getestet, der die Entfernung von LDL-Cholesterin aus dem Blut verbessern soll. Es handelt sich um einen Antikörper gegen die Plasma-Proprotein-Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9). PCSK9 bindet an LDL-Rezeptoren auf Leberzellen und vermittelt deren Abbau. So stehen weniger Rezeptoren zur Verfügung, um überschüssiges LDL aus dem Blut zu entfernen.

In einer randomisierten Doppelblindstudie zur Dosisfindung wurde AMG 145 an 160 Patienten mit Statin-Unverträglichkeit getestet. Als Kontrolle diente Placebo plus Ezetimib. In der Verumgruppe erhielten die Teilnehmer über zwölf Wochen jeweils 280 mg, 350 mg oder 480 mg AMG 145 allein oder 420 mg AMG 145 plus 10 mg Ezetimib. Die Kontrollgruppe erhielt 10 mg Ezetimib plus Placebo. AMG 145 und Placebo wurden subcutan alle vier Wochen, Ezetimib täglich verabreicht. Primärer Endpunkt war der LDL-Cholesterinspiegel im Vergleich zum Ausgangswert, weitere Endpunkte waren Sicherheit und Verträglichkeit unterschiedlicher AMG 145-Dosierungen.

Nach zwölf Wochen betrug die Senkung des LDL-Cholesterins unter 280 mg AMG 145 67 mg/dl (-41%), unter 350 mg 70 mg/dl (-43%) und unter 420 mg 91 mg/dl (-51%) sowie 110 mg/dl (-63%) für die Teilnehmer, die 420 mg AMG 145 plus 10 mg Ezetimib erhielten. Unter Placebo/Ezetimib wurde der LDL-Cholesterin-Spiegel um 14 mg/dl (-15%) gesenkt. Bei vier Patienten traten unter AMG 145 schwere Nebenwirkungen auf (koronare Arterienkrankheit, akute Pankreatitis, Hüftfraktur, Synkopen). Die häufigste Nebenwirkung war Myalgie, deren Auftreten nicht dosisabhängig zu sein schien.

Insgesamt senkt der PCSK9-Antikörper in dieser Phase-II-Studie den LDL-Cholesterinspiegel stärker als Placebo und ist zumindest bei kurzzeitiger Anwendung verträglich.


Quelle: Sullivan D, et al. JAMA 2012; 308(23): 2497-2506.


jb

Auf die Dosis kommt es an

Wie alle Medikamente sind auch Statine nicht frei von Nebenwirkungen, so dass die Indikation für das eingesetzte Statin gründlich hinterfragt werden sollte. Eindeutige Indikationen sind vor allem dann gegeben, wenn der Patient schon einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in seiner Vorgeschichte hatte oder neben erhöhten Cholesterinwerten noch andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Rauchen vorliegen. Fraglich wird der Einsatz von Statinen erst, wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen und der Patient ausschließlich erhöhte LDL-Werte zeigt. Die Effekte der LDL-Spiegelsenkung sind für diese Patienten nur marginal, wie Cochrane-Metaanalysen gezeigt haben.

Da sich die verschiedenen HMG-CoA-Reduktasehemmer in ihrer Fähigkeit unterscheiden, LDL-Cholesterin zu reduzieren, sollten die Auswahl des Statins sowie die Dosis je nach Patient und Ziel der Therapie individuell angepasst werden. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Muskelschmerz werden wahrscheinlicher, je höher die Dosis des Statins gewählt wurde (siehe Tabelle). Somit kann es helfen, die Dosis bei auftretenden Nebenwirkungen zu reduzieren.


Statine im Vergleich. Prozentuale Reduktion des LDL-Cholesterins.

Statin, Handelsname
Atorvastatin
Sortis® , Lipitor®
Fluvastatin
Lescol®
Lovastatin
Mevacor®
Pravastatin
Pravachol®
Rosuvastatin
Crestor®
Simvastatin
Zocor®
Anfangsdosis
10 – 20 mg
20 mg
10 – 20 mg
40 mg
5 – 10 mg
20 mg
LDL-Reduktion um
10 – 20%
20 mg
10 mg
10 mg
5 mg
20 – 30%
40 mg
20 mg
20 mg
10 mg
30 – 40%
10 mg
80 mg
40 mg
40 mg
5 mg
20 mg
40 – 45%
20 mg
80 mg
80 mg
5 – 10 mg
40 mg
46 – 50%
40 mg
10 – 20 mg
80 mg
50 – 55%
80 mg
20 mg
56 – 60%
40 mg
[Quelle: Third Report of the Expert Panel on Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Cholesterol in Adults (ATP III Final Report) Sept 2002, Update 2004]


Quelle

Larsen S, Stride N, Hey-Mogensen M, et al. Simvastatin Effects on Skeletal Muscle - Relation to Decreased Mitochondrial Function and Glucose Intolerance. J Am Coll Cardiol. 2013; 1: 44 – 53.


Apothekerin Ina Richling, PharmD



DAZ 2013, Nr. 3, S. 36

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