Arzneimittel und Therapie

Lomitapid in den USA zugelassen

Derzeit als der stärkste Cholesterinsenker gilt Lomitapid. Zwar senkt der Inhibitor des mikrosomalen Triglyzerid-Transferproteins (MTP) den Cholesterinspiegel sehr effektiv, aber die auftretende Nebenwirkung einer Leberverfettung war der Grund, dass der ursprüngliche Hersteller Bristol-Myers Squibb eine Zulassung des Wirkstoffs nicht weiter verfolgte. Für Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie ist der Wirkstoff jedoch eine Hoffnung, für diese Indikation wurde in den USA die Zulassung unter der Bezeichnung Juxtapid® erteilt.
Lomitapid

Durch einen genetischen Defekt des Mikroglyzerid-Transferproteins (MTP), der Auswirkungen auf die Funktion des LDL-Rezeptors hat, kann bei dieser Patientengruppe der Cholesterinblutspiegel häufig über 500 mg/dl steigen. Die Folgen sind bereits im Jugendlichen- und jungen Erwachsenenalter schwerwiegende arteriosklerotische Veränderungen und Herzinfarkte. Bisher gibt es keine wirkungsvolle medikamentöse Therapie, so dass die Patienten auf eine regelmäßige Apherese angewiesen sind, um das Cholesterin aus dem Plasma zu entfernen. Die Lebenserwartung liegt bei 30 bis 40 Jahren und ist damit deutlich reduziert.

Für diese seltene Erkrankung (Orphan Disease) – die homozygote familiäre Hypercholesterinämie hat eine Häufigkeit von 1: 1.000.000 – wurde im Lancet nun eine Phase-III-Studie mit dem Inhibitor des mikrosomalen Triglyzerid-Transferproteins Lomitapid veröffentlicht. Da für eine solch selten auftretende Erkrankung kein herkömmliches Studienformat (siehe Kasten unten) gewählt werden kann, wurde eine offene Studie von Aegerion Pharmaceuticals (Massachusetts) mit insgesamt 29 Patienten über 78 Wochen durchgeführt.

Gute Wirkung, kritische Nebenwirkung

Betrachtet man lediglich die Senkung des Cholesterinspiegels, konnte bei den 29 Patienten im Median dieser um mehr als die Hälfte reduziert werden. Bei einem Drittel der Betroffenen wurden die Werte sogar auf unter 100 mg/dl abgesenkt und befanden sich damit im Normbereich. Von den 29 Patienten aus Südafrika, Italien, Kanada und den USA, die vor der Behandlung mit Lomitapid zunächst einmal über zwölf Wochen engmaschig gescreent wurden, haben lediglich 23 die Studie komplett beendet. Vier brachen wegen bereits aus den vorhergehenden Studien bekannten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und gastrointestinaler Beschwerden ab. Ein Patient wurde wegen Nichteinhaltens des Studienprotokolls ausgeschlossen, ein weiterer Patient zog sein Teilnahmeeinverständnis zurück. Von den verbliebenen 23 Teilnehmern, die je nach individueller Erkrankung täglich zwischen 5 mg und 60 mg Wirkstoff erhielten, beklagten etwa 80% stärkere gastrointestinale Beschwerden, und bei 30% wurde eine etwa dreifache Erhöhung der Leberenzyme festgestellt. Das Leberfett stieg bis zur Woche 26 der Studie von 1% Ausgangswert auf 9% an. Der Wert blieb dann aber weitgehend stabil. Lomitapid verhindert wegen der kompletten LDL-Blockade (LDL = Low density Lipoprotein) den Transport von Cholesterin aus der Leber in die Zellen. Dies begünstigt die Entwicklung einer Fettleber. Da zur kontinuierlichen Cholesterinsenkung eine Dauerbehandlung mit Lomitapid stattfinden muss, wäre eine Beurteilung der Langzeitauswirkungen an dieser Stelle notwendig, um das damit verbundene Risiko besser abschätzen zu können. Aufgrund der Kürze der Studie kann dazu jedoch keine Aussage getroffen werden, ebenso wenig der Einfluss auf kardiovaskuläre Endpunkte – man geht derzeit lediglich davon aus, dass bei Absenkung des Cholesterinspiegels alleine bereits kardiovaskuläre Ereignisse in dieser speziellen Patientengruppe positiv beeinflusst werden.

Die Ergebnisse dieser Studie wurden von externen Gutachtern der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA beurteilt. Dieser Expertenkreis hat mangels Alternativen zur Behandlung der homozygoten familiären Hypercholesterinämie Ende 2012 eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen. Die Food and Drug Administration ist dieser Empfehlung gefolgt und hat den Wirkstoff im Januar 2012 zugelassen. Auch für Europa läuft ein entsprechender Zulassungsantrag.


Dr. Niels Eckstein
NACHGEFRAGT

Hintergrundwissen zu Studien bei seltenen Erkrankungen


Seltene Erkrankung und die Zulassung von Arzneimitteln zur Behandlung stellen sowohl Hersteller als auch Zulassungsbehörden und Ethikkommissionen vor große Herausforderungen. Dr. Niels Eckstein ist Apotheker und beschäftigt sich beim BfArM mit klinischen Zulassungsstudien. Wir sprachen mit ihm über Besonderheiten der Orphan Drugs.


DAZ: An Studien zu Arzneimitteln werden hohe Anforderungen gestellt. Randomisiert, doppelt verblindet, möglichst gegen den Goldstandard sollen Wirksamkeit, aber auch Nebenwirkungen erfasst werden. Sind bei Studien für seltene Erkrankungen solche Forderungen realistisch?


Eckstein: Die oft geringen Fallzahlen einer Orphan Disease bedingen, dass das Studiendesign von demjenigen einer häufigeren Erkrankung abweichen kann. Dies sollte jedoch mit der Europäischen Zulassungsbehörde vorab geklärt werden. Hierbei kann es durchaus sein, dass ein Open-label-Design, eine einarmige Studie (ohne Vergleichsarm-Arm) oder andere atypische Design-Anforderungen akzeptiert werden. Eine Pauschalaussage zum Studiendesign für alle Orphan Drugs ist nicht möglich.


DAZ: Viele dieser Wirkstoffe haben ein nicht unerhebliches Nebenwirkungsprofil. Wie ist das mit der Abwägung zwischen Nutzen und Risiko in der Zulassung bei Wirkstoffen für seltene Erkrankungen?


Eckstein: Auch hier ist keine generalisierbare Aussage möglich, jeder Einzelfall muss gesondert betrachtet werden. Die Anforderungen einer positiven Nutzen-Risiko-Abwägung gilt für alle Arzneimittel. Hier machen Orphan Drugs keine Ausnahme. Für Orphan Drugs ist das zentrale Europäische Zulassungsverfahren vorgeschrieben. Je nach Zahl der Patienten, die rekrutiert werden können, ist ein Marktzugang unter bestimmten Umständen (Market Authorisation under Exceptional Circumstances) vorstellbar. Liegt zum Beispiel eine sehr seltene Tumorerkrankung oder ein eng gefasstes Patientenkollektiv vor, das keine ausreichenden Fallzahlen ermöglicht, kann ein solches Verfahren beantragt werden, für das auch präklinische Daten und pharmakodynamische (Surrogat-)Parameter herangezogen werden.


Quelle

Cuchel M, et al. Efficacy and safety of a microsomal triglyceride transfer protein inhibitor in patients with homozygous familial hypercholesterolaemia: a single-arm, open-label, phase 3 study. Lancet 2012;doi:10.1016/S0140 – 6736(12) 61845 – 5.


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer



DAZ 2013, Nr. 3, S. 38

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