Arzneimitteltherapie

Krätzeausbruch im Altenpflegeheim

Wie die versorgende Apotheke bei der Therapie half

Peter Ditzel | Wenn’s auf der Haut heftig juckt und brennt, vor allem nachts, und nach kurzer Zeit ein Hautausschlag auftritt, dann besteht Verdacht auf Scabies, die Krätze. Verwahrlosung, schlechte Lebensumstände und mangelnde Hygiene können die Krätze begünstigen, aber auch bei guter Hygiene kann die Krätzmilbe Menschen jeden Alters befallen. Ein Duisburger Altenpflegeheim war vor zwei Jahren davon betroffen. Für die versorgende Apotheke war es mit einem gewaltigen logistischen und bürokratischen Aufwand verbunden, die notwendigen Arzneimittel zu beschaffen.

Zur Therapie der Krätze stehen in Deutschland nur topisch anzuwendende Präparate zur Verfügung wie beispielsweise Permethrin (Infectoscab), Allethrin und Piperonylbutoxid (Spregal) oder Benzylbenzoat (Antiscabiosum). Eine systemische Behandlung (oral) ist allerdings möglich mit dem insektizid und anthelmintisch wirkenden Arzneistoff Ivermectin, der in Deutschland nicht zugelassen ist. Die in Duisburg verantwortlichen Ärzte hatten sich für die orale Therapie mit Ivermectin entschieden. Das bedeutete für die Apotheke, die die Altenpflegeeinrichtung versorgt, eine Herausforderung, angefangen bei der Besorgung der Präparate aus dem Ausland bis hin zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Das Robert Koch-Institut berichtete in seinem Infoblatt "Epidemiologisches Bulletin" (46/2012) unlängst über diesen Fall.

Lokal oder systemisch?

Schon im August 2010 war es bei Bewohnern und Beschäftigten der Altenpflegeeinrichtung in Duisburg zu einem Skabiesausbruch gekommen. Mit einer lokalen Permethrin-Therapie und entsprechenden Hygienemaßnahmen, empfohlen vom Robert Koch-Institut (RKI), konnte der Befall zurückgedrängt werden.

Im August 2011 stellten Pfleger und Ärzte erneut Hautveränderungen bei Bewohnern fest, die dann Mitte September 2011 als Scabies norvegica, eine hochinfektiöse Form der Krätze, diagnostiziert wurden. Die Amtsärztin empfahl zur Therapie in diesem Fall den Einsatz des oral zu verabreichenden Wirkstoffes Ivermectin für alle Betroffenen, deren Kontaktpersonen und das Pflegepersonal. Nach eingehender Aufklärung willigten alle Bewohner und Beschäftigten, die an der systemischen Massenchemotherapie mit Ivermectin teilnehmen wollten, schriftlich in die Therapie ein. Sie ließen ihr Körpergewicht bestimmen, da sich die zu verabreichende Arzneidosis danach richtet. Insgesamt hatten sich 119 Personen (88% der Untersuchten) zur Teilnahme an der Therapie mit Ivermectin entschieden. 16 der Untersuchten (12%) hatten sich für eine lokale Therapie mit Permethrin entschieden.

Das Maßnahmen-Paket

Für die Durchführung der systemischen Massenchemotherapie wurde der 29. September 2011 festgelegt. Die Kleiderschränke der Heimbewohner wurden ab diesem Tag für 48 Stunden versiegelt. Um 20 Uhr war es dann so weit: allen Bewohnern und Beschäftigten, die eingewilligt hatten, wurde zeitgleich Ivermectin oral verabreicht. Am nächsten Tag erfolgte dann die Desinfektion aller Räumlichkeiten, der Bettdecken und Kopfkissen, der Wäsche und Bekleidung der Bewohner.

Herausforderung für die Apotheke

Doch bevor die Massenchemotherapie durchgeführt werden konnte, musste die Duisburger Malteser-Apotheke, die die Pflegeeinrichtung beliefert, das Arzneimittel besorgen und zahlreiche Vorarbeiten leisten. Die Schwierigkeit dabei: Ivermectin (Handelsname Stromectol®) ist in Deutschland nicht zugelassen, es musste in großer Menge aus dem Ausland besorgt werden. Und: die Kostenübernahme durch die Krankenkassen der Bewohner war anfangs nicht geklärt. Das stellte die Malteser-Apotheke vor eine gewaltige logistische und bürokratische Herausforderung, wie Apotheker Georg Kuchler berichtet.

Einer Auflistung der Malteser-Apotheke lassen sich die Arbeiten, die im Rahmen der Massenchemotherapie der Bewohner der Altenpflegeeinrichtung erbracht werden mussten, entnehmen. Nur ein kleiner Auszug daraus: Literatur-Recherche, Klärung der Verfügbarkeit, der Beschaffungsmöglichkeiten und der Kostenübernahme, Überprüfung möglicher Wechselwirkungen mit der Medikation der Heimbewohner, Erstellen eines deutschen Beipackzettels (Übersetzung des französischen Beipackzettels ins Deutsche), Umkonfektionierung der Blister nach Dosierungshöhe, Errechnung der individuellen Dosierung für alle Betroffenen (Dosierung nach Körpergewicht), Rücksprachen mit dem Arzt, Dokumentation sämtlicher Rezepte für die Apothekenaufsicht, Erstellung von über 150 Kostenvoranschlägen für die Krankenkassen, Schreiben an die Krankenkassen mit Erklärung der Situation und Bitte um Kostenübernahme. Kuchler: "Den größten Aufwand und die größten Probleme hatten wir mit der Kostenübernahme durch die Krankenkassen." Wie aus den Antwortschreiben einiger Krankenkassen hervorgeht, war bisweilen eine anfangs ablehnende Haltung einiger Kassen festzustellen. So hieß es beispielsweise, dass aufgrund alternativer zugelassener Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten für Import-Arzneimittel nicht übernommen werden könnten. Mit Überzeugungsarbeit und Nachdruck konnte schließlich die Kostenübernahme in den meisten Fällen geklärt werden.

Fazit

Die Behandlung des Scabiesausbruches in der Duisburger Altenpflegeeinrichtung verlief erfolgreich. Nachuntersuchungen zeigten, dass die Therapie angeschlagen hatte und keine Anhaltspunkte mehr für eine fortbestehende Scabies festzustellen waren. Dem Fazit des Robert Koch-Instituts ist zu entnehmen: Das Epidemiemanagement der Scabies-Behandlung wurde dadurch erschwert, dass der Wirkstoff Ivermectin in Deutschland nicht zur Behandlung der Scabies zugelassen ist. Dies bedeutet, dass Krankenversicherungen und Berufsgenossenschaften die Kosten nicht übernehmen müssen; Krankenkassen und Berufsgenossenschaften mussten von der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen überzeugt werden, so das Institut in seinem Fazit. Von den insgesamt aufgelaufenen Kosten von 40.000 Euro musste die Altenpflegeeinrichtung letztlich rund 9000 Euro selbst tragen.



DAZ 2013, Nr. 3, S. 40

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