Arzneimittel und Therapie

Arsentrioxid bei akuter Promyelozytenleukämie ist Chemotherapie nicht unterlegen

"Allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei." Das hatte Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus, schon im 16. Jahrhundert erkannt. So ist beispielsweise Arsen einerseits ein tödliches Mittel, andererseits ein wirksames Medikament – vorausgesetzt, man dosiert es richtig. Das Element mit dem Symbol As wird heute bei akuter Promyelozytenleukämie (APL) als Second-line-Therapie eingesetzt. Nun gibt es Hinweise, dass Arsen bei APL die konventionelle Chemotherapie ganz ersetzen könnte.

Die akute Promyelozytenleukämie (APL) gehört zu den akuten myeloischen Leukämien. Die APL ist selten und betrifft etwa 5% der Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie. Klinisch äußert sie sich meistens durch ausgeprägte Gerinnungsstörungen, die mit einem hohen Risiko für lebensgefährliche intrazerebrale Blutungen sowie Blutungen in Haut und Schleimhäuten, Gastrointestinaltrakt und Lunge einhergehen. Daher gilt das Krankheitsbild als hämatologischer Notfall, der umgehend einer diagnostischen Abklärung und spezifischer Therapiemaßnahmen bedarf. Unbehandelt sterben die Patienten innerhalb weniger Wochen an inneren Blutungen.

Charakteristisches zytogenetisches Merkmal ist eine Chromosomen-Translokation, in die das Gen des Retinsäure-Rezeptors auf Chromosom 17 involviert ist. In 99% der Fälle fusioniert ein Promyelozytenleukämie-Protein, dessen codierendes Gen auf Chromosom 15 lokalisiert ist, mit dem Retinsäure-Rezeptor alpha. Dies blockiert die Differenzierung von Promyelozyten zu Granulozyten.

Retinsäure brachte den Durchbruch

Den Durchbruch in der Therapie brachte in den 80er Jahren der Einsatz von all-trans-Retinsäure, die die Blockade aufhebt und die weitere Differenzierung zu Granulozyten ermöglicht. Durch die Kombination der all-trans-Retinsäure mit den bis dahin standardmäßig als Monotherapie eingesetzten Anthracyclinen (Daunorucibin oder Idarubicin) konnten Remissionsraten von über 90% erzielt werden, im Gegensatz zu vorher 35 bis 45%. Dieses Therapieregime – all-trans-Retinsäure plus Anthracyclin – könnte bald Konkurrenz in der First-line-Therapie der APL bekommen. Und zwar durch einen alten Bekannten – Arsentrioxid.

Arsen bisher nur second-line

Die Substanz ist bereits seit einiger Zeit als Second-line-Therapie für die Indikation APL zugelassen und als Trisenox® auch in Deutschland erhältlich. In Kombination mit all-trans-Retinsäure war Arsentrioxid der Anthracyclin-basierten Standardtherapie in einer Phase-III-Studie an APL-Patienten mit niedrigem bis intermediärem Risiko nicht unterlegen beziehungsweise statistisch sogar leicht überlegen. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht. So erreichten alle 77 Patienten unter der Arsentrioxid-Kombination eine komplette Remission, im Vergleich zu 75 von 79 Patienten unter der Chemotherapie-Kombination. Auch das Gesamtüberleben war mit 99% gegenüber 91% besser. Dies ist allerdings vermutlich weniger der besseren antileukämischen Wirkung von Arsentrioxid, als der geringeren Hämatotoxizität geschuldet, so Francesco Lo-Coco von der Universität Tor Vergata in Rom, einer der Studienautoren. Außerdem traten unter der Arsen-basierten Therapie weniger Infektionen auf. Ganz unproblematisch war die neue Kombination allerdings auch nicht: Es kam zu QT-Zeit-Verlängerungen und Leberschäden, die aber laut den Autoren reversibel waren.

Eine Therapie der akuten Promyelozytenleukämie ohne konventionelle Chemotherapie und somit ohne die kardiotoxischen Nebenwirkungen der Anthracycline könnte also in Zukunft möglich sein. Allerdings braucht es noch ein wenig Geduld, denn die mittlere Beobachtungszeit von 34,4 Monaten ist zu kurz, um eine sichere Aussage zu machen.


Quelle

Lo-Coco F et al. Retinoic Acid and Arsenic Trioxide for Acute Promyelocytic Leukemia; N Engl J Med 2013; 369: 111-121, 2013DOI: 10.1056/NEJMoa1300874.


jb

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.