Prisma

Placebotherapie in der Kritik

(cae). In Großbritannien gilt die Therapie mit Placebos – von klinischen Studien abgesehen – generall als unethisch. Eine Umfrage unter Allgemeinmedizinern ergab jedoch, dass viele Ärzte Placebos verordnen, vor allem um den Wünschen der Patienten zu entsprechen.

Powerful placebo? Oder Unfug?
Foto: DAZ/Sket

Bei der von Jeremy Howick, Universität Oxford, geleiteten Umfrage wurde zwischen reinen Placebos, wie Zuckerpillen oder Kochsalzlösung-Injektionen, und unreinen Placebos unterschieden. Letztere umfassten u. a. nicht indizierte Nahrungsergänzungsmittel (z. B. Vitamin C bei Tumorpatienten), Probiotika bei Diarrhö, Antibiotika bei viralen Infekten, Arzneistoffe in subtherapeutischen Dosierungen, Arzneistoffe ohne in klinischen Studien nachgewiesene Wirksamkeit, komplementäre und alternative Heilmethoden sowie unnötige, aber vom Patienten gewünschte Untersuchungen.

Von den antwortenden Ärzten (n = 783) hatten nur 12 Prozent jemals reine Placebos eingesetzt, und nur 1 Prozent taten dies mindestens einmal pro Woche. Ganz anders war das Ergebnis bei den unreinen Placebos: Immerhin 77 Prozent der Ärzte setzten sie mindestens einmal pro Woche ein, und zwar aus folgenden Gründen (Mehrfachnennungen): wegen eines möglichen psychologischen Effektes (50%), weil der Patient die Therapie wünscht (45%), weil die Symptome des Patienten unspezifisch sind (35%) oder um den Patienten zu beruhigen (32%). Bei der Anwendung eines unreinen Placebos verheimlichen erstaunlicherweise 8 Prozent der Ärzte dem Patienten nicht, dass es sich um ein Placebo handelt. Etwa jeder zweite Arzt argumentiert kasuistisch, indem er seinem Patienten sagt, das verordnete Mittel habe schon vielen anderen Patienten geholfen; jeder Fünfte redet dem Patienten ein, das Mittel fördere die Selbstheilungskräfte.

Für die meisten Ärzte gibt es klare Grenzen der Placebotherapie: Sie lehnen sie ab, wenn sie das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet (94%) oder wenn sie eine Täuschung (engl. deception) des Patienten bedeutet (82%); dieser letzte Punkt ist nicht ganz klar, weil eine Placebotherapie ja meistens mit einer Täuschung einhergeht, wenn auch mit der Absicht, dem Patienten zu nützen.

Die möglichen Erfolge der Placebotherapie waren nicht Gegenstand der Umfrage. Die Autoren weisen jedoch abschließend darauf hin, dass sie die Placebotherapie nicht billigen: Sie verursache zusätzliche Kosten und könne dem Patienten schaden, teils durch den Nocebo-Effekt, teils durch die stoffliche Arzneimittelwirkung (z. B. Antibiotika bei viralen Infekten).


Quelle: Howick J, et al. Placebo Use in the United Kingdom: Results from a National Survey of Primary Care Practitioners. PLoS ONE 2013;8:e58247.

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