Aus den Ländern

Landesapothekerkammer bietet Diskussionsstoff für den Deutschen Apothekertag

Die Landesapothekerkammer Brandenburg wird beim Deutschen Apothekertag im September 17 Anträge einbringen, die die "kritischen Elemente in der neuen Apothekenbetriebsordnung" betreffen. Die Kammerversammlung nahm bei ihrer Sitzung am 19. Juli in Potsdam alle zur Abstimmung stehenden Beschlussentwürfe an. Gefordert wird beispielsweise die Streichung der Regelungen zur Barrierefreiheit, zum patientenindividuellen Stellen und Verblistern und zur Dokumentation der Hygienemaßnahmen.
Kammerpräsident Jens Dobbert (rechts) und Vorstandsmitglied Stephan Creuzburg. Foto: LAK BB

Ein gutes Jahr lang ist die neue Apothekenbetriebsordnung nun in Kraft. ABDA und Bundesapothekerkammer (BAK) haben sich mit den Änderungen weitgehend arrangiert. Die Probleme will man auf dem "langsamen Weg" lösen, ohne die Verordnung nochmals "aufzumachen", hatte BAK-Präsident Andreas Kiefer schon vor der Potsdamer Kammerversammlung gegenüber DAZ.online betont – wohlwissend, dass man in Brandenburg einen etwas anderen Blick auf die Dinge hat. Und worauf dieser sich richtet, machte Kammerpräsident Jens Dobbert in seinem Bericht vor der Kammerversammlung deutlich. Er ist verärgert, dass die Bundesebene – ABDA und BAK – nicht über die Punkte der Apothekenbetriebsordnung debattiert, die die Brandenburger als kritisch ausgemacht haben. 17 sind es an der Zahl – sie alle hatte die Kammer in den letzten Wochen ihren Mitgliedern zur Diskussion gestellt und per Umfrage um ein Votum gebeten. 346 der 575 öffentlichen Apotheken und 14 Krankenhausapotheken des Landes beteiligten sich – fast 59 Prozent. 340 von ihnen stellten sich hinter das Vorgehen ihrer Kammer.

Nicht zu vernachlässigende "Randaspekte"

Trotz dieses Unmuts in den Apotheken vor Ort werde bei ABDA und BAK darauf abgestellt, dass die neue Apothekenbetriebsordnung in ihrer Gesamtheit als Chance zu begreifen sei, so Dobbert. Bestätigt sieht er sich durch Aussagen des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt sowie des BAK-Präsidenten. Schmidt, so betonte Dobbert vorab, schätze er – "trotz seiner Aufklärung über ‚Larmoyanz‘ und ‚kleine Buden‘"– sehr. Er sei "genau der Richtige in der Position des ABDA-Präsidenten". Kritisch sieht Dobbert jedoch die Bemerkungen seines Präsidentenkollegen beim Sächsischen Apothekertag im März: Dort erklärte Schmidt, die Apothekenbetriebsordnung zeige in die richtige Richtung– auch wenn manche Vorschrift nach "Gängelung oder Bevormundung" aussehe. "Hier sollten wir uns nicht in Debatten über Randaspekte verzetteln", so der ABDA-Präsident. Dobbert hingegen meint: "Gerade über diese Randaspekte muss diskutiert werden." Denn sie seien es, die die Apotheken an der Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung hindern. "Wir kommen vor Dokumentation – z. B. mit welchem Desinfektionsmittel wer welche Stelle der Apotheke gereinigt hat – gar nicht dazu, uns mit pharmazeutisch wichtigen Punkten der Apothekenbetriebsordnung zu befassen."

Schärfer fiel Dobberts Kritik an Kiefer aus. Sein Zitat "Wir tun nicht nichts" und sein Verweis auf den "langsamen Weg", den die BAK zur Lösung der Probleme mit der Apothekenbetriebsordnung einschlagen will, reichen ihm nicht. Er wünscht sich mehr Tatkraft vom BAK-Präsidenten. Wenn er die Kritikpunkte der Brandenburger tatsächlich kenne: "Warum haben Sie sich bis heute nicht eindeutig im Sinne der Apothekerschaft positioniert?", fragt der Kammerpräsident. Er fürchtet, für viele Apotheken könne es zu spät sein, bis ihre Standesorganisationen auf Bundesebene etwas bewegt haben.

BAK-Präsident Kiefer in der Kritik

"Erschreckt" hatten Dobbert im vergangenen März Kiefers Aussagen auf dem PZ-Managementkongress auf Mallorca. Kiefer hatte dort sein persönliches Geschäftsmodell vorgestellt: Er setzt neben der Apotheke auf einen eigenen Herstellungsbetrieb – die Sophien-Arzneimittel GmbH. Als einen Grund für den Einstieg in die Arzneimittelherstellung nannte Kiefer die "Verbesserung des eigenen Betriebsergebnisses mit Arzneimitteln von hoher Qualität". Dobbert kontert: "Dieses Ziel verfolgt jedes pharmazeutische Unternehmen und ist damit nicht als Idee für die Zukunft einer Apotheke geeignet." Auch eine Versandapotheke, wie Kiefer sie ebenfalls betreibt, ist für den Apotheker aus Brandenburg kein Zukunftsmodell. In der Kammerversammlung zeigte er einen Screenshot der Online-Apotheke Sophien24.de: Dort gibt es ASS 500 30 Stück zu 1,95 Euro statt 3,39. Einen Rabatt von 42 Prozent könne er sich in seiner Apotheke nicht erlauben, erklärte Dobbert. "Sie vermutlich schon, da Sie durchgestylt – vom eigenen Herstellungsbetrieb bis zur Apotheke – sind", wandte er sich an den nicht anwesenden Kiefer. Werde dann noch ein eigener Großhandel zwischengeschaltet, sei man komplett vertikal aufgestellt: von der Herstellung bis zu Abgabe. Genau gegen diese Entwicklung wehren sich die Apotheker jedoch, wenn sie um den Erhalt der inhabergeführten Apotheke kämpfen, betonte Dobbert. Er fürchtet, Kiefer gehe es gar nicht mehr um den Heilberuf Apotheker in seiner eigenen Apotheke, sondern mehr um den Kaufmann und den pharmazeutischen Unternehmer in seinem Betrieb.

Aller Kritik an der Apothekenbetriebsordnung zum Trotz – Dobbert sieht auch die positiven Entwicklungen in den vergangenen Monaten: Die Erhöhung des Fixhonorars um 25 Cent pro abgegebener Rx-Packung, der Kompromiss zum Kassenabschlag, der bis 2015 Planungssicherheit gibt, und das Apothekennotdienst-Sicherstellungsgesetz. Dies seien Schritte in die richtige Richtung – allerdings reichten sie nicht aus, "um unsere Apotheken wieder in ein wirtschaftlich ausgeglichenes Fahrwasser zu manövrieren".

17 Anträge für den Apothekertag

Vizepräsidentin Katrin Wolbring (links) und Geschäftsführerin Kathrin Fuchs. Foto: LAK BB

Bei der anschließenden Abstimmung über die Anträge für den Deutschen Apothekertag erhielt der Kammervorstand nahezu einmütige Deckung von der Kammerversammlung. Trotz so viel Einigkeit: Diskutiert wurde über die 17 "kritischen Elemente" dennoch. Dafür sorgte schon die Anwesenheit von Volker Gieskes, dem für Apotheken zuständigen Referatsleiter im brandenburgischen Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Er vermittelte seine Sicht auf die von der Kammer kritisierten Regelungen. Beispiel Barrierefreiheit: Viele Brandenburger Landapotheken lassen sich nicht auf vernünftige Weise barrierefrei umbauen. Darum fordert die Kammer in einem ihrer Anträge, die entsprechende neue Regelung zu streichen – oder jedenfalls einen Bestandsschutz für bestehende Apotheken zu formulieren. Denn mancher Apotheker, der seine Apotheke verkaufen will und dieses Geld für seinen Ruhestand eingeplant hat, ist nun nervös – die Apotheke könnte angesichts ihres Zugangs unverkäuflich sein. Gieskes betonte, dass es sich bei der geltenden Regelung um eine Sollvorschrift handelt, die es der Behörde ermögliche, mit Augenmaß an die Sache heranzugehen. Er sei zu Zugeständnissen bereit – allerdings müsse es seitens der Apotheke ein "erkennbares Bemühen, Barrierefreiheit herzustellen" geben. Etwa durch eine Kontaktaufnahme mit dem kommunalen Gleichstellungsbeauftragten.

Eine Kollegin Gieskes ergänzte: Die Barrierefreiheit sei zwar keine Bedingung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis – ein schlichtes "geht nicht" reiche aber nicht aus, um zu erklären, warum eine Apotheke nicht barrierefrei sei. Bei der Kammer ist allerdings weiterhin die Auffassung vorherrschend, dass die Apothekenbetriebsordnung erst hinter der Eingangstür beginnt – und nicht zwei Stufen davor. Regelungen zur Barrierefreiheit seien eine Sache des Baurechts.

Dokumentation allein verbessert nicht die Qualität

Munter diskutiert wurde auch über den Sinn und Unsinn neuer Dokumentationspflichten – etwa für Hygienemaßnahmen. Während Gieskes es für wenig problematisch hält, einmal einen Hygieneplan festzulegen und dann täglich einen "Kringel" zu machen, betonten Vertreter der Kammerversammlung, das Problem sei die Summe solcher minimalen Aufwände, die nun gefordert werden. Zudem: Die Qualität verbessert es aus Sicht der brandenburgischen Apotheker nicht, wenn täglich ein "Kringel" für die Hygienekontrolle gemacht wird. Ähnlich sind die Argumente hinsichtlich der Plausibilitätsprüfung bei der Rezepturherstellung – auch hier verbessere die Dokumentation nicht die Qualität. Denn Apotheker prüfen die Sinnhaftigkeit und Unbedenklichkeit bei jeder Arzneimittelherstellung, ohne dass dazu ein Protokoll erforderlich wäre. Gestimmt wurde auch dafür, die Dokumentation von Patient und Verordner bei der Rezepturherstellung zu streichen. Ebenso wollen die Brandenburger die Betriebsordnung um den Begriff der "verlängerten Rezeptur" erweitern: Bis zu zehn abgabefertige Arzneimittelpackungen pro Tag sollen die Apotheken unter den Bedingungen der Rezeptur herstellen können. Die Defektur beginne dann erst mit der elften Packung. Denn unter den jetzigen strengen Defektur-Vorschriften werde diese Variante der Arzneimittelherstellung in der Apotheke sterben, so die Brandenburger Apotheker.

Ein weiterer Antrag betrifft Schmerzpumpen: § 35 Apothekenbetriebsordnung, der Vorgaben für die Parenteraliaherstellung macht, müsse so erweitert werden, dass eine Befüllung von Schmerzpumpen durch Apotheken auch ohne die strengen Anforderungen an Räume und Reinheit wieder möglich wird. Ändern wollen die Brandenburger auch die Regelung, dass die "sterile" Herstellung in der Apotheke möglich sein muss, soweit es nicht um Parenteralia geht – stattdessen solle es "aspetische" Herstellung heißen. Gänzlich streichen wollen die Brandenburger weiterhin die Regelungen zum patientenindividuellen Stellen und Verblistern von Arzneimitteln.

Gieskes erklärte zwar, dass hier nur geregelt werde, was ohnehin schon gemacht wird. Doch im Kammervorstand meint man, solche Tätigkeiten müssten nicht noch "geadelt" werden, indem man sie in der Apothekenbetriebsordnung beschreibt. Auch das nach der Apothekenbetriebsordnung verpflichtend einzuführende Qualitätssicherungssystem stößt auf Widerstand. Zwar habe man keinesfalls etwas gegen QMS – aber bitte freiwillig. Auch die übrigen Anträge boten Diskussionsstoff – und bei der Kammer hofft man, dass die Debatte um die von ihr kritisierten Regelungen auch bis zum Deutschen Apothekertag nicht nachlässt.

Zuletzt wies Dobbert noch auf ein besonderes Brandenburger Projekt hin: Gemeinsam mit der Landesärztekammer Brandenburg will die Landesapothekerkammer 2014 den "1. Apotheker- und Ärztetag" in Brandenburg veranstalten. Für die gemeinsame Fortbildung von Medizinern und Pharmazeuten werde derzeit das Programm gestaltet, so Dobbert. Wir dürfen gespannt sein!


ks

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