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Hoffnung Medikationsplan

BERLIN (ks). Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind in den Industriestaaten bis zu zehn Prozent aller Krankenhausaufnahmen auf unerwünschte Arzneimittelereignisse zurückzuführen – ein großer Teil von ihnen wäre vermeidbar. Doch der Sicherheit des Medikationsprozesses wurde lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Seit einigen Jahren wandelt sich aber die Wahrnehmung: Dass Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) gerade in unserer älter werdenden Gesellschaft von großer Bedeutung ist, ist mittlerweile bei vielen Apothekern, Ärzten, Kliniken, Pflegeheimen, der Politik und den Krankenkassen angekommen. Doch diese Erkenntnis ist auch praktisch umzusetzen. Und das ist nicht immer leicht – wenngleich es an Ideen nicht mangelt. Diese finden sich etwa im Aktionsplan zur Verbesserung der AMTS des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Letzte Woche wurde der dritte Plan dieser Art vorgestellt – er sieht 39 Maßnahmen für die Jahre 2013 bis 2015 vor.

Es ist kein Geheimnis: Arzneimittel sind für Kranke ein Segen – vorausgesetzt, sie werden richtig angewendet. Doch sie bergen auch ein erhebliches Risikopotenzial. Insbesondere, wenn mehrere Arzneimittel eingenommen werden und die Präparate nicht zueinander passen. Dies kann schnell passieren, weil gerade multimorbide Patienten häufig mehrere Ärzte aufsuchen, die von den Verordnungen ihrer Kollegen meist nichts wissen – geschweige denn davon, was in der Apotheke noch im Weg der Selbstmedikation dazukommt. Gibt es dann noch Kommunikationsprobleme oder verwechselt der Patient ähnlich aussehende Arzneimittel, so sieht es schlecht aus: Die Medikamente werden am Ende nicht oder nicht richtig eingenommen, unerwünschte Wirkungen sind die Folge. Therapietreue ist da nicht zu erwarten – und die Kosten für das Gesundheitswesen werden auch nicht geschont. "Entscheidend ist deshalb, dass Ärzte in Klinik und Praxis, Apotheker, Pflegende und Patienten an Maßnahmen beteiligt werden, die potentielle Fehler bei der Arzneimitteltherapie verhindern können", betonte Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I am Klinikum Saarbrücken und Vorstandsmitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), letzte Woche anlässlich des Deutschen Kongresses für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie in Berlin. Alle einbeziehen – das wollen auch diejenigen, die am Aktionsplan AMTS beteiligt sind. Dazu zählen das Aktionsbündnis Patientensicherheit, verschiedene Organisationen der Ärzte und Apotheker, Verbände der Industrie, Krankenhäuser, Pflege sowie Vertreter des BMG und der Behörden. Schon 2007 hatte das BMG einen ersten AMTS-Aktionsplan vorgelegt und diesen 2010 fortgeschrieben. Seitdem laufen diverse Forschungsprojekte, ein Patientenmerkblatt "Tipps für eine sichere Arzneimitteltherapie" wurde herausgegeben und ein einheitlicher Medikationsplan erarbeitet. Beides soll nun nach dem Aktionsplan 2013 - 2015 zusammengeführt werden.

Bessere Arzneimittelinformation

Im Fokus des Aktionsplans steht unter anderem die Sensibilisierung von Patienten, Apothekern, Ärzten und Pflegenden für die AMTS. Auch die Selbstmedikation wird in den Blick genommen. So ist eine der vorgesehenen Maßnahmen die Erstellung eines Merkblattes für Patienten mit Informationen für eine sichere Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Analgetika. Eine andere sieht die Erarbeitung praxisnaher Unterrichtsmodule zur AMTS für die Aus-, Weiter- und Fortbildung in Medizin, Pharmazie und Pflege vor. Zudem sollen "Leuchtturmprojekte" benannt werden, die sich um die Verbesserung der AMTS kümmern. Weitere Themenfelder sind eine verbesserte Information zu Arzneimitteln sowie die sog. Sound- und Look-Alices. Schon im Aktionsplan 2008 – 2009 war die Problematik von Arzneimitteln mit ähnlich klingendem Namen oder ähnlichem Aussehen aufgegriffen worden. Mittlerweile haben das BfArM und das PEI eine Leitlinie zur Bezeichnung von Arzneimitteln veröffentlicht – abgeschlossen ist das Thema jedoch noch nicht. Basierend auf den bereits gewonnenen Erkenntnissen sollen Lösungen entwickelt werden, wie etwaige Verwechslungen vermieden werden können. Industrie, aber auch Apotheker, sind zudem gefordert, sich Gedanken über die Mindestanforderungen an die Kennzeichnung von einzelverpackten Arzneimitteln zu machen. Denn oft lässt sich nicht mehr erkennen, um welches Arzneimittel es sich handelt, wenn Blister geteilt werden.

Modellprojekt Medikationsplan

Weiterhin zählen eine bessere Kommunikation zwischen den Sektoren und die Nutzung elektronischer Hilfsmittel zu den Prioritäten des neuen Aktionsplans. Unter die letzten beiden Punkte fällt auch das Projekt Medikationsplan, für den bereits einige Vorarbeit geleistet wurde. Hier sollen in diesem Jahr zunächst Machbarkeitstests anlaufen – dann soll aber auch schon ein Modellprojekt in der Praxis starten, das Akzeptanz und Praktikabilität des Planes auf die Probe stellt. Am liebsten sähen es diejenigen, die sich für AMTS engagieren, dass die elektronische Gesundheitskarte hier bald Hilfe leisten könnte. Durch die zentrale Zusammenführung aller verordneten und rezeptfrei erworbenen Arzneimittel könnten bereits viele potenzielle Komplikationen erkannt – und verhindert werden.

Naheliegend ist auch eine weitere Maßnahme: Ärzte und Apotheker sollen besser zusammenarbeiten. Dazu soll nun erst einmal ein präzises Positionspapier erstellt werden. Ein Entwurf liegt zwar schon vor. Doch sowohl die Arbeiten an der Spezifikation des Medikationsplans als die Fragestellungen zum Medikationsmanagement im Rahmen des ABDA/KBV-Modells zeigten, dass ein solches Konzept detaillierter auszuarbeiten ist und einer breiten berufspolitischen Abstimmung bedarf, konstatiert der Aktionsplan. Weiterhin sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die die Software von Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäusern betrifft – auch sie muss optimal für die AMTS-Prüfung abgestimmt werden.

Nicht zuletzt setzt der Aktionsplan auf weitere Forschung. Zunächst sollen Themenvorschläge gesammelt werden. Eines wird jedoch für auf jeden Fall erforderlich gehalten: Ein Forschungsprojekt, das die Machbarkeit einer zentralen Erfassung und Bewertung von Medikationsfehlern und den deutschen Bedingungen erfasst – allerdings steht dieses noch unter einem Finanzierungsvorbehalt. Bislang hat das Ministerium 8 Millionen Euro für das AMTS-Projekt zur Verfügung gestellt – die nächste Tranche ist noch mit dem Finanzminister zu verhandeln.

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