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"Das Bild von der Goldgrube steckt noch in den Köpfen"

BERLIN (jz). Nicht nur die FDP hat einen Apotheker für die Bundestagswahl 2013 aufgestellt – auch die rheinland-pfälzischen Grünen können mit Jutta Paulus eine Apothekerin vorweisen: Sie kandidiert auf dem Listenplatz 13. Die 46-jährige Direktkandidatin des Wahlkreises Neustadt/Speyer hat Pharmazie studiert und wurde bereits als 21-jährige Studentin ins Marburger Stadtparlament gewählt. Allerdings steht sie seit einigen Jahren nicht mehr selbst hinter dem HV-Tisch, sondern führt ein unabhängiges Analyse- und Forschungslabor. Ihr Schwerpunkt liegt zudem in der Energiepolitik. Mit der DAZ sprach sie aber dennoch über die aktuelle Situation der Apotheker.
Jutta Paulus kandidiert für die rheinland-pfälzischen Grünen. Foto: Jutta Paulus

DAZ: Frau Paulus, was denken Sie, wie geht es den Apotheken heute? Werden sie angemessen vergütet?

Paulus: Ich stelle fest, dass den Apotheken immer mehr Aufgaben und Pflichten auferlegt werden, die gar nicht oder nicht angemessen vergütet werden. Gleichzeitig ist in der Bevölkerung wenig Verständnis vorhanden, das Bild von der Goldgrube steckt noch in den Köpfen, auch wenn in Zeiten von Fixzuschlägen und Zwangsrabatten viel niedrigere Erträge erwirtschaftet werden können als früher. Gemessen am Verdienst anderer Akademiker und Akademikerinnen verdienen Apotheker und Apothekerinnen nicht üppig. Wer nicht im eigenen Haus sitzt oder gar Pacht zahlt, macht oft nur aus Mangel an Alternativen weiter.


DAZ: Sie zeichnen ein sehr schwarzes Bild.

Paulus: Natürlich gibt es Apotheken, die beispielsweise ihre Beratungspflicht ernst nehmen und erheblichen Aufwand betreiben, während andere dies nicht tun. So wie es auch gute und weniger gute Ärztinnen und Ärzte gibt. Und natürlich gibt es gut gehende Innenstadtapotheken, die keine Existenzängste haben. Aber es gibt auch mehr und mehr Landapotheken, die ihr Eigenkapital aufzehren. Die nackten Statistiken der Ausgaben der GKV machen deutlich, dass die Apotheken in den letzten Jahren trotz mannigfacher zusätzlicher Aufgaben noch nicht einmal einen Inflationsausgleich bei den Einnahmen erhalten haben.


DAZ: Was halten Sie davon, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot immer wieder infrage gestellt wird?

Paulus: Grundsätzlich sehe ich diese Tendenz sehr kritisch. Ganz sicher kann durch "Ketten" bei den Einkaufspreisen gespart werden – wie es schon bei der Einführung der Filialapotheken der Fall war. Dennoch bin ich persönlich der Ansicht, dass in kleinen, inhabergeführten Apotheken ein anderes Betriebsklima herrscht, das der sozialen Aufgabe der Apotheke besser gerecht wird.


DAZ: Und wie stehen Sie zu Pick-up-Stellen und Arzneimittelversand übers Internet?

Paulus: Pick-up-Stellen sind für dünn besiedelte Regionen, in denen der Weg zur Apotheke sehr weit wäre, eine Notlösung. Arzneimittel sind aber keine Tageszeitung. Der flächendeckende Ersatz von persönlicher Beratung und Ansprache vor Ort ist sicher kontraproduktiv. Die Augen vor dem demografischen Wandel gerade im ländlichen Raum zu verschließen, hilft aber nicht weiter. Auch den Internet-Versandhandel im Arzneimittelbereich sehe ich kritisch. Gerade im Arzneimittelbereich ist die Sicherheit des Produkts entscheidend. Sicher gibt es im Internet seriöse Anbieter und weniger seriöse, aber welcher Patient weiß schon, dass er im DIMDI-Register nachsehen sollte, bevor er etwas bestellt? Der Versandhandel bietet aber auch Vorteile für mobilitätseingeschränkte oder chronisch kranke Patienten. Und in jedem Fall muss man zur Kenntnis nehmen, dass ein Verbot des Versandhandels rechtlich nicht möglich ist.


DAZ: Nehmen wir an, Sie würden in den Bundestag gewählt – wofür würden Sie sich einsetzen, insbesondere im Hinblick auf Apotheken?

Paulus: Meine politischen Schwerpunkte liegen im Bereich der Energieversorgung, damit habe ich mich in den letzten Jahren besonders beschäftigt. Daher hätten meine Wunschziele, wie die Änderung der Netzentgeltverordnung, keine nennenswerten Auswirkungen auf die Situation der Apotheken. In die Gesundheitspolitik müsste ich mich zunächst tiefer einarbeiten. Grundsätzlich gilt meiner Überzeugung nach, dass das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik stehen sollte. Lasten und Leistungen sind fair zu verteilen.


DAZ: Frau Paulus, vielen Dank für das Gespräch!

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