DAZ aktuell

Augen auf beim Austausch

STUTTGART (jb). 5 ml Melperon-Lösung bei Bedarf – eine Verordnung, wie sie in deutschen Alten- und Pflegeheimen häufiger zu finden sein dürfte. Was aber, wenn in der Apotheke die bisher verwendete Lösung mit einer Konzentration von 25 mg/5 ml gegen eine Lösung mit 25 mg/1 ml ausgetauscht wurde, weil es die Software so vorgegeben hat? Es käme zu einer Dosissteigerung um den Faktor fünf mit möglicherweise fatalen Folgen. Ein Beispiel dafür, dass Software pharmazeutischen Sachverstand keinesfalls ersetzt.

In Zeiten von Rabattverträgen bleibt einem Apotheker nichts anderes übrig, als sich auf die Software zu verlassen. Dass nicht immer alle Austauschvorschläge bedenkenlos umgesetzt werden sollten, zeigt ein aktuelles Beispiel. Wie ein Stuttgarter Apotheker berichtete, verlange die Software Infopharm profiline aus dem Hause Awinta bei Verordnung von Melperon-Saft N1 (100 ml; 25 mg/5 ml) bei Versicherten der AOK den Austausch gegen Melperon-Tropfen Neuraxpharm (30 ml; 25 mg/1 ml). Allerdings existiert laut Landesapothekerverband Baden-Württemberg kein Rabattvertrag, der diesen Austausch vorschreibt. Es bestehen zwar bundesweit Rabattverträge zwischen den AOKen und dem Hersteller Neuraxpharm für den Wirkstoff Melperon, ein Saft mit der Wirkstärke 25 mg/5 ml in der Packungsgröße N1 (100 ml) ist jedoch nicht im Sortiment.

Das korrekte Vorgehen aus pharmazeutischer Sicht wäre also ein Austausch nach aut idem gegen einen anderen Saft der gleichen Konzentration. Andere Softwaresysteme und auch der LAV teilen diese Auffassung. Der Austausch Saft gegen Tropfen, wie das Awinta-System ihn vorschlägt, ist höchstproblematisch, da die Dosierung der beiden Darreichungsformen unterschiedlich ist und die Gefahr von Über- oder Unterdosierung besteht.

Melperon kein Einzelfall

Das Beispiel Melperon ist kein Einzelfall. Hier zeigt sich die Problematik der vermeintlichen Austauschbarkeit der Präparate nur besonders drastisch. Bei MCP-Tropfen beispielsweise entsprechen beim Präparat des einen Herstellers 36 Tropfen einer Wirkstoffmenge von 10 mg, bei einem anderen Hersteller sind es 45 Tropfen. Richtet sich der Patient hier nach der Dosierungsempfehlung des Arztes, die in der Regel in Tropfen angegeben ist, kommt es zu einer Abweichung der Wirkstoffmenge von immerhin 20 Prozent.

Die Ursache für die Problematik ist die allgemeine Verwirrung um den Begriff "Wirkstärke" bei nicht abgeteilten Darreichungsformen. Bei abgeteilten, wie Kapseln oder Tabletten, ist der Fall eindeutig: Wirkstoffgehalt pro Dosiseinheit und die Packungsgrößenverordnung machen klare Angaben zur Austauschbarkeit verschiedener Präparate. Anlass zur Diskussion gibt hier nur die Austauschbarkeit verschiedener Darreichungsformen wie Schmelztabletten und Filmtabletten. Aber zumindest die Einnahme der richtigen Wirkstoffmenge ist gewährleistet. Anders bei den nicht-abgeteilten, im speziellen Fall die flüssigen, Formulierungen. Hier herrscht Uneinigkeit sowohl bei den Apothekern als auch bei den Softwarehäusern, ob für die Austauschbarkeit tatsächlich die gleiche Wirkstoffmenge pro Volumeneinheit ausschlaggebend ist oder ob die Konzentration auch abweichen darf und dann gegebenenfalls die Dosierung angepasst werden muss. Einige Softwarehäuser vertreten die erste Variante und schlagen keinen Austausch vor. Andere wollen, nach eigener Aussage, die Apotheker unterstützen, Retaxationen aufgrund der Abgabe nicht-rabattierter Arzneimittel zu vermeiden, die es wohl in der Vergangenheit gab. Sie geben Lösungen unterschiedlicher Wirkstoffkonzentration in der Anzeige der Rabattverträge als austauschbar an, da ein Austausch gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Arzt und Anpassung der Dosierung, möglich sein könnte. Ob es seitens der Krankenkassen bezüglich dieser Problematik ein einheitliches Vorgehen gibt, ist im Moment nicht ganz klar. Für den oben beschriebenen Melperon-Fall liegt allerdings folgende Stellungnahme der AOK Baden-Württemberg vor: "Der Austausch eines verordneten Melperon Safts 25 mg/5 ml 100 ml N1 gegen Melperon Tropfen 25 mg/1 ml 30 ml N1 ist nicht zulässig. Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 müssen bei austauschbaren Präparaten unter anderem die Wirkstärke identisch und die Darreichungsform identisch oder austauschbar sein. Für die Betrachtung der Wirkstärke kommt es immer auch auf die Bezugsmenge an. Beides ist hier nicht gegeben.

In der Apotheke jeden Austausch prüfen

Apotheker sollten in jedem Einzelfall genau prüfen ob ein Austausch und die damit verbundene Dosierungsanpassung zu verantworten ist und im Zweifelsfall von der Möglichkeit der pharmazeutischen Bedenken Gebrauch machen. Das Bespiel der Melperon-Lösung zeigt auf anschauliche Weise, dass jeder Präparate-Austausch, den die Software anbietet, sei es im Rahmen von Rabattverträgen, aber auch in jedem anderen Fall, vom Apotheker kritisch zu hinterfragen ist.

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