Arzneimittel und Therapie

Reduzierte Mortalitätsrate bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz

Den meisten Menschen ist Coenzym Q10 als Radikalfänger in Anti-Aging-Mitteln bekannt. Doch mittlerweile zeigt auch die Wissenschaft ernsthaftes Interesse an dem vielgepriesenen "Wundermittel". Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Gabe von Coenzym Q10 die Mortalitätsrate bei schwerer Herzinsuffizienz nahezu halbiert.

Das körpereigene Coenzym Q10 (Ubichinon, Q10) zeigt als vitaminähnliche Substanz strukturelle Verwandtschaft mit Vitamin K und E auf. Seine antioxidativen Eigenschaften machen Coenzym Q10 seither zu einem beliebten Bestandteil einer Vielzahl von Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln. Physiologisch trägt Coenzym Q10 als Elektronenüberträger wesentlich zur mitochondrialen sowie extramitochondrialen ATP-Gewinnung bei. Folglich weist Gewebe mit hohem Energiebedarf wie Nervenzellen bzw. Skelett- und Herzmuskulatur, auch die höchste Konzentration an Ubichinon auf.

Medizinisches Interesse an Coenzym Q10 entstand erstmals nach dem Auftreten von Myopathien (Muskelschwäche) während der Behandlung mit Statinen. Diese hemmen nicht nur die Cholesterol-Biosynthese, sondern auch die körpereigene Produktion an Q10. Ein Zusammenhang zwischen einem verringerten Q10-Spiegel und der Entstehung von Myopathien wurde daher stets diskutiert, konnte jedoch bisher nicht bewiesen werden. Die koronare Herzkrankheit (KHK), die wichtigste Indikation für eine Behandlung mit Statinen, ist gleichzeitig die häufigste Ursache für eine Herzinsuffizienz. Für Patienten, deren Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) eine direkte Schädigung erfahren haben und daraus eine verringerte Kontraktionsfähigkeit resultiert, scheint eine Supplementierung mit Coenzym Q10 plausibel.

Tipps für die Praxis


Es wurden additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik von Coenzym Q10 und Kardiaka wie Herzglykoside, Diuretika und Betablocker beschrieben. Zur adjuvanten Supplementierung werden 150 mg Coenzym Q10 täglich empfohlen. Jedoch sollte stets darauf aufmerksam gemacht werden, dass Nahrungsergänzungsmittel auch einen Einfluss auf die bestehende Medikation haben können. So wird diskutiert, dass Coenzym Q10 in hoher Dosierung mit der antikoagulatorischen Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten interferieren kann.

Coenzym Q10 verringert Hospitalisierungsrate

Nun wurde im Rahmen des Kongresses Heart Failure 2013 in Lissabon, Portugal, das Ergebnis der multizentrischen Q-SYMBIO Studie (Coenzyme Q10 as adjunctive treatment of chronic heart failure: a randomised double blind multicentre trial with focus on changes in symptoms, biomarker status with BNP and long term outcome) präsentiert, welche von 2003 bis 2008 in Dänemark, Schweden, Österreich, Slowakei, Polen, Ungarn, Indien, Malaysia sowie Australien durchgeführt wurde [1]. Bei dieser randomisierten doppelblinden Studie erhielten 420 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (NYHA III und IV) über einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren neben ihrer bisherigen Standardtherapie entweder Placebo oder 300 mg pro Tag Coenzym Q10 als Zusatzbehandlung. Primäre Endpunkte der Studie waren das Auftreten unerwünschter Ereignisse wie eine plötzliche Hospitalisierung aufgrund einer Verschlechterung der bestehenden Herzinsuffizienz oder eine dringende Herztransplantation sowie kardiovaskulär bedingte Todesfälle.

Durch die Behandlung mit Coenzym Q10 lag die Hospitalisierungsrate mit insgesamt 29 Patienten (14%) um fast 50% niedriger, verglichen mit 55 Patienten (25%) in der Placebo-Gruppe (p = 0,003). Die Supplementierung führte zudem zu einer Reduktion kardiovaskulär bedingter Todesfälle, die sich bei 18 Personen (9%) in der Q10-Gruppe bzw. bei 36 Personen (17%) in der Placebo-Gruppe ereigneten (HR = 2,1; p = 0,01). Nach Einschätzung der Autoren kann Ubichinon das Energiedefizit in Kardiomyozyten sicher und effektiv beheben und sollte zukünftig bei der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz als Zusatzmedikation empfohlen werden. Zudem heben die Autoren hervor, dass Coenzym Q10 die Mortalitätsrate in ähnlichem Umfang senkte wie die Standardtherapeutika ACE-Hemmer bzw. Betablocker, hierbei als körpereigene Substanz jedoch frei von schwerwiegenden Nebenwirkungen sei.

Ob im Falle ischämischer Veränderungen des Herzens bei KHK-Patienten ebenfalls eine prophylaktische Supplementierung mit Coenzym Q10 indiziert ist, wird von den Autoren zwar diskutiert, der klinische Nutzen einer kombinierten Therapie aus Statinen und Q10 muss jedoch erst noch anhand kontrollierter Studien bewiesen werden.

Die Menge der täglichen Aufnahme an Coenzym Q10 im Rahmen der üblichen Ernährung bzw. in Nahrungsergänzungsmitteln liegt mit bis zu 30 mg pro Tag weit unter der hier getesteten Dosierung. Bisherige Untersuchungen zu Coenzym Q10 in Dosierungen von 50 bis 300 mg pro Tag im Rahmen klinischer Studien zeigten zumeist gastrointestinale Unverträglichkeiten bzw. allgemeines Unwohlsein sowie eine Erhöhung von Plasmaenzymwerten [2]. Toxikologische Daten bezüglich chronischer Effekte bei Langzeiteinnahme von Coenzym Q10 liegen bisher noch nicht vor und sollten daher bei zukünftiger Anwendung therapeutischer Dosierungen unbedingt erhoben werden.


Quelle

[1] Mortensen SA, Kumar A, Dolliner P, et al. The effect of coenzyme Q10 on morbidity and mortality in chronic heart failure. Results from the Q-SYMBIO study. Presented at Heart Failure Congress 2013 Final Programme Number 440.

[2] Baggio E, Gandini R, Plancher AC, et al. Italian multicenter study on the safety and efficacy of coenzyme Q10 as adjunctive therapy in heart failure (interim analysis). The CoQ10 Drug Surveillance Investigators. Clin Investig 1993; 71(8 Suppl): 145 – 149.


Apotheker André Said

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