Arzneimittel-Image

Arzneimittel – die "fremden Mächte"

Wie die Bevölkerung Krankheit und Arzneimittel wahrnimmt

BAH-Studie | Einerseits hat der Verbraucher ein großes Vertrauen gegenüber bekannten und bewährten Wirkstoffen, Arzneimitteln und Arzneimittelmarken. Andererseits existieren stereotype Vorwürfe in der Bevölkerung: Pharmahersteller forschen ausschließlich aus Profitgier und vergessen den Menschen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) gab eine Studie in Auftrag, die herausfinden sollte, wie der Verbraucher seine Krankheit sieht und wie er die Arzneimittel, die er sich kauft oder die er verordnet bekommt, und deren Nutzen wahrnimmt. Die Untersuchung zeigte, wie ambivalent die Bevölkerung hierzu steht: während man auf der einen Seite die Fortschritte in der Medizin und Arzneimitteltherapie bewundert, sieht man Arzneimittel immer auch kritisch. Bei vielen Menschen löst die Einnahme eines Arzneimittels ein psychologisches Grundproblem aus: Mit der Verwendung von Arzneimitteln pfuscht man der Natur ins Handwerk und holt sich "fremde Mächte" zu Hilfe, die ein Eigenleben entwickeln. Die Folge sind Schuldgefühle, Ängste, Nebenwirkungen.

Seit der Herausnahme rezeptfreier, apothekenpflichtiger Arzneimittel (OTC-Arzneimittel) aus der Erstattungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2004 stagniert dieser Markt. Die Anzahl der verkauften Packungen liegt bei etwa 590 Mio., der jährliche Umsatz der OTC-Arzneimittel lag im vergangenen Jahr bei rund 3,3 Mrd. Euro, ohne nennenswertes Wachstum. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der traditionell die Hersteller der OTC-Arzneimittel vertritt, nahm dies zum Anlass, eine Untersuchung in Auftrag zu geben zur Frage, welche Emotionen den Verbraucher beim Thema Arzneimittel bewegen. Es sollte ein grundlegendes Verständnis über den Umgang, die Wahrnehmung und das Image von Arzneimitteln gewonnen werden. Das mit der Untersuchung beauftragte rheingold-Institut wählte eine morphologische Befragungsmethode, mit der unbewusste Vorstellungen, Bilder und Gefühlswelten aufgedeckt werden können. Diese Methode übersetzt das Gesagte auf das eigentlich Gemeinte hin. Zu den psychologischen Vorüberlegungen gehörte die Feststellung, dass es in Deutschland traditionell eine ambivalente Haltung gegenüber Arzneimitteln gibt. Während man auf der einen Seite die Fortschritte in der Medizin und Arzneimitteltherapie bewundert, gibt es auf der anderen Seite Gründe, die die Arzneimittel immer auch in einem kritischen Licht erscheinen lassen, wie beispielsweise die ängstliche Grundhaltung, das romantische Naturverständnis und die Durchhaltementalität der Deutschen.

Die Studie


Die Studie wurde durchgeführt mit 58 Frauen und Männern (67% Frauen, 33% Männer) im Alter von 18 bis 70 Jahren. Die Befragten wurden jeweils zwei Stunden lang interviewt. Es gab zwei Gruppeninterviews à 8 Personen, um den Prozess der Meinungsbildung in Gruppen zu verfolgen, und 42 Einzelinterviews. Die mit der tiefenpsychologisch durchgeführten Befragung erhobenen Ergebnisse sind psychologisch repräsentativ.

Alle haben zumindest ab und zu Krankheiten und tun etwas dagegen.

Niemand setzt ausschließlich auf eine alternative Heilmethode (z. B. Homöopathie, Bachblüten …)

Die Befragten sind keine ideologischen Ablehner von Schulmedizin.

Alle Befragten nehmen zumindest gelegentlich OTC und Rx-Arzneimittel:

  • 25% nehmen überwiegend Hausmittel oder pflanzliche Arzneimittel und versuchen, OTC und Rx zu vermeiden.

  • 25% greifen bei leichten Erkrankungen akut zu OTC und Rx-Arzneimitteln (weniger als 1 x pro Woche). Beispiele: Erkältungskrankheiten, Magen-Darm-Infekte, Regelschmerzen …

  • 25% nehmen regelmäßig OTC und Rx-Arzneimittel (mind. 1x pro Woche). Beispiele: Augentropfen, Abführmittel, Nasenspray, Schmerzmittel, Anti-Baby-Pille, Antiallergika …

  • 25% müssen wegen einer chronischen Erkrankung regelmäßig Arzneimittel einnehmen (chronische Schmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Schilddrüsen-Erkrankungen, Diabetes, Asthma).


Unterschied zwischen statistischer und psychologischer Repräsentativität


Der Unterschied zwischen statistischer und psychologischer Repräsentativität lässt sich durch das sog. "Marsmenschen-Beispiel" darstellen: Es kommen zwei Gruppen Marsmenschen auf die Erde und sehen zum ersten Mal Autos. Eine Gruppe nimmt 1000 Autos und sortiert sie nach Farbe und Größe. Das ist statistische Repräsentativität. Die andere Gruppe nimmt sich fünf Autos, baut sie auseinander und wieder zusammen. Das ist psychologische Repräsentativität. Die zweite Gruppe versteht am Ende besser, was ein Auto ist als die erste.

Umgang mit Krankheit

Bei den Antworten auf die Frage nach dem Umgang mit Krankheit zeigten sich vier generelle Formen, die bei allen Probanden, je nach individueller Ausgangssituation, mehr oder weniger ausgeprägt anzutreffen sind. So wird Krankheit immer als defizitär erlebt. Sie verlangt nach Erklärungen, man möchte sie einordnen. Es gibt aber auch Erklärungsmuster, zu denen der Einzelne – abhängig von der jeweiligen Selbst- und Weltsicht – tendiert. Die vier Formen:

  • Krankheit als Teil der eigenen Natur. Die Krankheit wird als Körpersignal gesehen, das auftritt, weil man schlecht mit sich umgegangen ist. Sie ist ein Zeichen dafür, dass man sich z. B. wärmer anziehen, Stress vermeiden, mehr schlafen und weniger "Raubbau" mit sich betreiben sollte.
  • Krankheit als fremde Besatzungsmacht. Hier wird die Ursache einem äußeren Feind zugeschrieben (Erreger, fremdes Essen, Schadstoffe, Strahlen, Gift …). Folglich ist man selbst "unschuldig" am Krankheitsgeschehen und möchte die Eindringlinge mit allen Mitteln loswerden, töten, raushalten.

Auch Alterungsprozesse und chronische Erkrankungen werden sehr unterschiedlich eingeordnet:

  • Krankheit als unausweichliches Schicksal. Die Krankheit oder die Symptome werden als erblich, als altersbedingt, als evolutionär bedingt oder gottgegeben gesehen. Man nimmt sie an und versucht sie ins Leben zu integrieren.
  • Krankheit als Einschränkung des Alltags. Der Patient ist auf seinen Alltag, auf Leistungs- und Genussfähigkeit fokussiert anstatt auf Krankheit. Man sucht pragmatische Lösungen, ohne sich weiter mit dem Thema beschäftigen zu wollen. Metaphysische Zuordnungen werden vermieden.

Umgang mit Arzneimitteln

Beim Umgang mit Arzneimitteln nehmen die Verbraucher durchaus wahr, dass Arzneimittel helfen, dass sie Krankheitssymptome lindern, Leiden verhindern, Krankheitsursachen beseitigen und letztlich das Leben verlängern können. Aber die Anwendung von Arzneimitteln führt auch immer zu einem psychologischen Grundproblem, das etwa so umschrieben werden kann: Man pfuscht der Natur ins Handwerk und holt sich fremde Mächte zu Hilfe, die wiederum ein Eigenleben entwickeln! Das hat seinen Preis: Die Folge davon sind Schuldgefühle, Ängste, Nebenwirkungen.

Vor diesem Hintergrund entwickelt der Verbraucher im Umgang mit Medikamenten diverse bewusste und unbewusste Strategien, die das Grundproblem lösen sollen. Sie alle sollen dazu dienen, möglichst symptomfrei zu werden und gleichzeitig Konsequenzen zu vermeiden. Diese Umgangsformen variieren von Krankheit zu Krankheit und sind nicht an Personentypen gebunden. Es sind aber Tendenzen beobachtbar, ähnlich wie beim Krankheitserleben.


Eigene Natur. Verbraucher mit der Einstellung hin zu mehr Natürlichkeit verwenden Naturheilmittel, Homöopathika und andere alternativ-medizinische Mittel. Diese hält man für nah an der eigenen Natur und deshalb für konsequenzlos. Man geht zum naturheilkundlichen Arzt oder Heilpraktiker und arbeitet dann mit natürlichen Mitteln und Schonung. Man verordnet sich auch schon mal selbst Mittel, die man kennt oder von denen man gehört oder gelesen hat. Dabei wird mit der Dosis experimentiert auf der Suche nach dem verträglichsten Maß. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln möchte man meist die verordnete Dosierung absenken, um "Herr im eigenen Haus" zu bleiben.

Verbraucher, die so handeln, glauben an die Beherrschbarkeit der fremden Mächte durch Wissen und Forschung. Die Einstellung dieses Verbrauchers: so wird man selbst fachkundig, indem man sich gut informiert. So fühlt man sich nicht der Einnahme des Arzneimittels ausgeliefert, sondern selbstbestimmt. Von der Forschung verspricht man sich Weiterentwicklungen in Sachen Risiken und Nebenwirkungen.


Fremde Mächte. Fremde Mächte, zu denen Arzneimittel gezählt werden, scheut man, lässt sich nicht darauf ein und versucht zuerst ohne sie auszukommen. Das hält man aber nur bis zu einem gewissen Schweregrad der Symptome aus. Danach werden die Fremden zu Verbündeten und es wird "richtig" zugeschlagen. Der empfundene Schweregrad der Symptome reicht als Legitimation für die Verwendung von Medikamenten oft nicht aus. Man holt sich daher auch den Ratschlag und Segen einer "höheren Instanz", beispielsweise vom Arzt, Apotheker, Heilpraktiker, von medizinisch vorgebildeten oder einfach erfahrenen Personen aus dem nahen Umfeld.

Die Verbraucher betreiben Prophylaxe, möchten Krankheiten und Altersbeschwerden (auch altes Aussehen) vermeiden. Sie lassen sich proaktiv mit den fremden Mächten ein und wollen dem Schicksal ein Schnippchen schlagen. Man verspricht sich davon, die anderen Fremdbesatzer (Krankheit, Alter) fernzuhalten. Bei ernsten und lebensbedrohlichen Erkrankungen geht man den Pakt mit den fremden Mächten mit allen Konsequenzen ein und versucht, das eigene Schicksal noch einmal herum zureißen.


Krankheit als unausweichliches Schicksal. Erleben Verbraucher Krankheit und Alter als schicksalhaften Einschnitt, fühlen sie sich machtlos und ausgeliefert und lassen sich gerne auf Medikamente ein. Man möchte sein Leben verlängern und dafür ist dann jedes Mittel recht.

Die "fremden Mächte" möchte man als Verbündete sehen.

Der Arzt wird als Informationsquelle und Berater gesehen, er liefert die Legitimation über seine ärztliche Autorität und ein Rezept. Das Grüne Rezept übernimmt in diesem Fall die Legitimation für die Einnahme eines OTC-Arzneimittels. Im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimittel hat der Apotheker eine absichernde, kontrollierende Funktion. Er verweist auf Nebenwirkungen und hat auch mögliche Wechselwirkungen im Blick.

Wendet der Verbraucher prophylaktische Maßnahmen an, steckt dahinter die große Angst vor Krankheit und Alter. Körperliche Veränderungen werden als befremdlich erlebt und wie eine Invasion von außen abgewehrt. Medikamente werden dabei als Waffen und Verbündete angesehen, die einem Macht über diese Veränderungsprozesse verleihen. Man ist empfänglich für Informationen zu Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, die Gesundheit, Jugend, Kraft, Potenz versprechen. Im Selbstversuch wird man, evtl. auch in Fehleinschätzung der eigenen Kompetenzen, zum Zauberlehrling.


Krankheit als Einschränkung des Alltags. Wird Krankheit als Einschränkung des Alltags empfunden, fühlt man sich trotz Krankheit als Herr der Lage und nimmt die Behandlung selbst in die Hand. Medikamente sind dabei nur eine Therapie unter vielen. Krankheit wird als Teil des eigenen Lebens akzeptiert, man sucht und findet aktiv u. a. medikamentöse Einwirkungsmöglichkeiten, die in den Alltag integriert werden, ohne zu viel Raum einzunehmen. Dazu gehören unabhängiges Informationsverhalten und selbstverantwortliche Entscheidungen. Man bedient sich bei Hausmitteln, alternativen Heilmitteln und im OTC-Bereich. Über gesunde Lebensweise (Bewegung, Ernährung, Pausen etc.) versuchen die Verbraucher zusätzlich Einfluss zu nehmen. Man orientiert sich nach vielen Seiten:

Ärzte werden allerdings nur unter bestimmten Bedingungen akzeptiert: wenn sie mehr als Schulmedizin bieten und auf Augenhöhe beraten. Gerne zieht der Verbraucher auch Heilpraktiker, Osteopathen, Homöopathen etc. hinzu, um sich seine Informationen aus mehreren Quellen zu holen.

Häufig folgt man auch Empfehlungen aus dem privaten Umfeld (Eltern, Freundinnen, Kollegen), denn Erfahrungswerte dieser Personen und das Bewährte sind hoch angesehen. Auch Internet, Fernsehen, Apothekenkundenzeitschriften spielen als Informationsquelle eine große Rolle. Der Apotheker wird oft als Verkäufer gesehen, dem man nur bedingt vertraut. Insbesondere bei den Preisen ist man misstrauisch.

Bei der Art und Weise, wie man mit Arzneimitteln umgeht, wird häufig gewechselt, abhängig

von der Bedrohlichkeit der Erkrankung (Blasenentzündung vs. Nierenbeckenentzündung),

vom Leidensdruck durch die Symptome (z. B. wird Bluthochdruck nicht immer so schlimm empfunden), von der verspürten Notwendigkeit, funktionieren zu müssen. Im Umgang mit Erkältungs- und Infektionskrankheiten wird beispielsweise oft in drei Schritten vorgegangen:

1. Hausmittel, Nahrungsergänzung, Schlaf

2. Pflanzliche Mittel und Alternativmedizin, OTC

3. Gang zum Arzt und "richtiges" Medikament, z. B. Antibiotikum.

Kulturtrend: Emanzipation in der Medizin

Der Umgang mit Gesundheit und Krankheit, das Verhältnis zu Ärzten und Apothekern hat sich in den letzten 10 bis 20 Jahren verändert: Als späte Konsequenz antiautoritärer Bewegungen ist die Achtung vor den Ärzten gesunken. Das Internet ermöglicht einen schnellen und einfachen Zugang zu Informationen und damit ein Aufholen des Wissenstands der Verbraucher.

Gleichzeitig führt der anhaltende Trend zu fernöstlichen Heilmethoden dazu, dass viele Verbraucher rein schulmedizinische Sichtweisen zumindest kritisch hinterfragen.

Der aktuelle Trend "Sehnsucht nach einer heilen Welt" (ohne globale Probleme und in konservativen Lebensmodellen) triggert zusätzlich die kritische Distanz zur modernen hochtechnisierten Medizin und Pharmakologie. Diverse Gesundheitsreformen – insbesondere die grundsätzliche Herausnahme der OTC-Arzneimittel aus der GKV-Erstattung – haben zudem den Verbraucher in Richtung einer stärkeren Emanzipation und Eigenverantwortung bewegt.

Vor diesem Hintergrund müssen sich Verbraucher nun gezwungenermaßen mit OTC-Arzneimitteln auseinandersetzen: sie informieren sich zu ihren Symptomen und Krankheiten, entwickeln Kompetenzen in der Selbstbehandlung; sie kennen die Namen von einzelnen Wirkstoffen und wissen um deren Einsatzfähigkeit und Nebenwirkungen. Und sie machen sich in ihren Entscheidungen unabhängig von Arzt und Apotheker. Die Folge dieser Entwicklungen ist aber auch, dass der Gesundheitsmarkt, die Therapieformen und der Arzneimittelmarkt sehr unübersichtlich geworden sind (z. B. zahlreiche Marken und Generika bei gängigen Wirkstoffen). Verbraucher fühlen sich von der Fülle des Angebots überfordert. Sie reagieren misstrauisch, wenn Krankenkassen vertraute Marken nicht mehr finanzieren. Sie reagieren ebenfalls misstrauisch auf unterschiedliche Preisstellungen zum selben Produkt und haben das Gefühl, betrogen zu werden. Sie wehren die eigene Überforderung ab, indem sie Hersteller abwerten. Der Ruf nach Kontrollen, unabhängigen Prüfstellen und Siegeln wird laut.

Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Wahrnehmung von OTC-Arzneimitteln: Die Legitimation durch die ärztliche Instanz für die Einnahme eines Medikamentes entfällt (kein Ratschlag, kein "Segen"). Wer Wert auf die ärztliche Legitimation legt, findet im Grünen Rezept einen Ausweg. Damit wird jedoch die Abhängigkeit vom Arzt zementiert. Für viele Verbraucher kommt dieser Weg daher nicht infrage: sie wählen bewusst andere Ratgeber auf Augenhöhe oder scheuen den Zeitaufwand für den Arztbesuch.

Deshalb die Folgerung daraus: Wer Selbstmedikation betreibt, benötigt andere Entlastungen als Legitimation durch höhere Instanzen, wenn er sich mit fremden Mächten einlässt. Hier kann der Apotheker ganz konkret mit gezielter Information und Legitimation ansetzen.

Image der Arzneimittel und -hersteller

In Bezug auf Hersteller und Pharmaindustrie herrscht eine große Ambivalenz bei den Verbrauchern, die auch in den Studienergebnissen spürbar wurde: Im Umgang mit Krankheit und Medikation ist gegenüber bekannten und bewährten Wirkstoffen, Arzneimittel- und Markennamen großes Vertrauen spürbar. Jenseits von Bekenntnissen zu Naturheilmitteln und gesunder Lebensweise greift man gerne zu "chemischen" Medikamenten, wenn die Krankheit bedrohlich ist, die Symptome lästig sind und wenn man symptomfrei funktionieren muss.

Medikamente bieten Schutz und Sicherheit, auf die man nicht verzichten möchte, selbst wenn man sie vorsichtig einsetzt, so die Aussagen.

Im späteren Verlauf des Studiengesprächs werden Hersteller und Pharmaindustrie dann dennoch häufig angeprangert. Die Vorwürfe wirken dabei stereotyp:

– Profitgier: Pharma forscht ausschließlich aus Profitgründen und vergisst dabei den Menschen. Seltene Krankheiten werden zu wenig erforscht. Mit hohen Preisen werden Kranke ausgebeutet.

– Wirkmacht: Skandale wie die Folgen von Contergan oder von jüngeren Arzneimitteltests werden angeführt. Gleichzeitig wissen die reflektierten Verbraucher, dass Wirtschaftsunternehmen Geld verdienen müssen: "Die Pharmaindustrie ist auch nicht böser als andere profitorientierte Branchen. Bei Audi wirft man ja auch keinem Profitdenken vor. Und die Arzneimittel helfen und es steckt viel Forschung drin", so sinngemäß die Aussagen.

Die Ängste und Vorwürfe erklären sich durch das Grundproblem, sich mit fremden Mächten einlassen zu müssen und Konsequenzen zu befürchten.

Die Vorstellungen, die der Verbraucher über die Pharmaindustrie hat, sind insgesamt noch sehr durch die Logik der Erstattungsfähigkeit verschreibungspflichtiger Arzneimittel geprägt: Früher musste man sich einerseits um nichts kümmern, andererseits war man ausgeliefert. Man erinnert sich vor allem an Errungenschaften und Skandale der Pharmaindustrie, beides sind Symbole der Wirkmacht.

Prägend beim Verbraucher ist außerdem der ständige Hinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen …"; er betont die Gefahren der fremden Mächte und verweist auf die alten Autoritäten. Außerdem tragen Beipackzettel stark zur negativen Wahrnehmung bei: Wesentliche Infos (Einnahme und Wirkweise) verstecken sich in einer unzumutbar langen Liste von Gefahren. Vor allem für den Bereich der Selbstmedikation herrscht "Bildlosigkeit": (bildlose) Generika rücken in den Fokus. Man kennt nicht mehr als zwei bis drei Marken- und Herstellernamen. Von den Unternehmen weiß man so gut wie nichts. "Dankbar" werden die paar Werbebilder zitiert, die man kennt. Für OTC-Arzneimittel haben die Verbraucher weder Bilder noch Begriffe. Die (teilweise erzwungene) Emanzipierung von Arzt und Verordnung führte bisher zu keiner Image-Entwicklung von OTC-Arzneimitteln.

Außerdem: Die Verbraucher unterscheiden Hausmittel, pflanzliche Mittel, Homöopathie, Schüßler Salze etc. sehr stark von "chemischen" Medikamenten.

Dabei ist der Begriff "Arzneimittel" – besser als "Medikament" – dafür geeignet, sowohl chemische als auch naturheilkundliche Mittel zu umfassen. Er klingt schamanistischer und natürlicher als "Medikament". Er ist alt und greift den Wunsch nach Bewährtem, nach Erfahrungsmitteln auf.

Krankheitserleben und Umgang mit Medikamenten Wird Krankheit und Alter als schicksalhafter Einschnitt erlebt, fühlt man sich machtlos und ausgeliefert und lässt sich gerne auf Medikamente ein. Wird Krankheit als Einschränkung des Alltags empfunden, fühlt man sich trotz Krankheit als Herr der Lage und nimmt die Behandlung selbst in die Hand. Medikamente sind eine Therapie unter vielen.
Quelle: rheingold

Fazit und Empfehlungen

Für die Arzneimittel-Hersteller ergeben sich aus der Studie verschiedene Handlungsfelder, besonders im Hinblick auf noch umfassendere Aufklärung und Information. Ziel ist es das Selbstvertrauen des Verbrauchers weiter zu stärken und ihm mehr Orientierung angesichts der Produktvielfalt zu geben.

Aus den Studienergebnissen lassen sich insbesondere konkrete Handlungspotenziale für die tägliche Arbeit in der Apotheke vor Ort ableiten: Die oben genannten Umgangsformen und Strategien der Patienten im Umgang mit Arzneimitteln lassen sich grafisch in einem Gesamtbild zusammenführen (siehe Grafik oben).

Die Motive "Legitimation", "Ewiges Leben", "Fremde Mächte" oder auch das Sichfügen in ein unausweichliches Schicksal finden sich vor allem im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Diese Motive werden nach wie vor stark von den Ärzten bedient, wobei der Trend zur Emanzipation auch hier neue Handlungsoptionen für den Apotheker eröffnet. Im Sinne der Patienten-Adhärenz können Apotheker zukünftig noch stärker über eine sachgerechte Einnahme informieren und diese zusätzlich in der Wahrnehmung des Patienten legitimieren.

Die Motive "Eigene Natur"( Hausmittel, Naturheilmittel etc.) "Individuelle Dosierung" (der Patient möchte aktiv mitgestalten statt sich nur passiv der Einnahme auszuliefern) sowie "Wissenschaft und Forschung" (die Einbindung der Informationen in die eigene Lebenswirklichkeit) finden sich verstärkt im OTC-Bereich. Hier bieten sich vielfältige Möglichkeiten für die niedergelassene Apotheke, um diese Bedürfnisse noch stärker anzusprechen. Dabei darf die ambivalente Grundhaltung durchaus aufgegriffen werden ("Gutes muss teuer sein, keine Wirkung ohne Nebenwirkungen"). Insgesamt sollte immer wieder auch versucht werden, nicht nur das Risiko, sondern auch den Nutzen zu kommunizieren.

Die Emanzipation des Verbrauchers führt gerade im OTC-Bereich angesichts der Produktvielfalt zu einer Überforderung und einem Misstrauen. Gleichzeitig erlebt der Verbraucher bis auf einige wenige Produktausnahmen, insbesondere im Bereich der chemisch definierten OTC, eine große Bild- und Sprachlosigkeit. Die Begriffe "OTC" oder "Selbstmedikation" sind für den Verbraucher nicht selbsterklärend. Zwischen den gesetzlich vorgeschriebenen Kategorien (verschreibungspflichtig, apothekenpflichtig, freiverkäuflich, Nahrungsergänzungsmittel, Heilmittel, Arzneimittel, Medizinprodukt, OTX, OTC, zulassungspflichtig usw.) kann der Verbraucher keinen für ihn relevanten Unterschied erkennen. Hier kann und sollte die Apotheke vor Ort Orientierung und Sicherheit geben, um die Eigenverantwortung des Verbrauchers zu stärken.


Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V., Ubierstraße 71 – 73, 53173 Bonn

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