Arzneimittel und Therapie

Ein Meinungsbeitrag zu den neuen Klonexperimenten

Knapp 16 Jahre ist es her, dass der Name "Dolly" die Schlagzeilen dominierte. Durch eine Technologie, die als "somatischer Zellkerntransfer" bezeichnet wird, gelang es, embryonale Stammzellen aus einem lebenden Tier abzuleiten, mit deren Hilfe eine exakte Kopie dieses Tieres (ein Klon) erzeugt werden konnte. Dieses Verfahren wurde jetzt von einer Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Shoukhrat Mitalipov an der Oregon Health & Science University am Menschen reproduziert. Damit ist die Tür zum Klonen eines Menschen ein gewaltiges Stück weiter aufgestoßen.

Aber ist das wirklich die Intention dieser Art von Wissenschaft? Sicherlich nicht! Vielmehr ist dies ein großer Schritt nach vorne, um humane Stammzellen in der regenerativen Medizin einsetzen zu können. Dass dieses Gebiet eines der ganz großen "unmet medical needs" ist, wird kaum einer bestreiten.

Was wurde gemacht?

Der Ausgang der Versuche war die Eizelle einer Spenderin. Aus dieser Eizelle wurden der DNA-haltige Kern und auch die Mikrotubulispindel entfernt. Anschließend wurde die Eizelle unter Zuhilfenahme eines inaktivierten Sendai-Virus (hemagglutinating virus of Japan envelope, HVJ-E) mit einer Hautzelle eines anderen Menschen fusioniert. Durch Anwendung elektrischer Pulse und Zugabe komplexer Cocktails aus bestimmten Wirkstoffen und Wachstumsfaktoren gelang es, bei den Zellen ein reproduzierbares embryonales Entwicklungsprogramm zu induzieren, das letztlich in der Ausbildung eines Embryos mündete. Von diesen Embryos isolierten die Wissenschaftler dann pluripotente embryonale Stammzellen (ES), die sich nun unter geeigneten Bedingungen nahezu unlimitiert expandieren lassen.

Das ist in gewisser Hinsicht eine Sensation, denn erwarten konnte man dies zunächst nicht. Wurde das Klonen von Tieren – darunter auch Nutztiere – in den eineinhalb Jahrzehnten nach Dolly gewissermaßen Routine, scheiterten alle Versuche, die Technologie auch auf die Biologie des Menschen zu übertragen. Was dort an der Oregon Health & Science University in den letzten Jahren gemacht und nun erfolgreich zu Ende geführt wurde, ist Grundlagenforschung vom Feinsten. Und nichts anderes hatte man sich vorgenommen. Problemschritte wurden systematisch analysiert und anschließend mithilfe Kompetenz-basierter Empirie gelöst. Aber gleichzeitig wurde damit auch die Büchse der Pandora wieder um einen Spalt geöffnet.

Dabei ist das Problem doch eigentlich längst "durch", sollte man meinen. Abgesehen davon, dass derartige Arbeiten in Deutschland nach dem geltenden Embryonenschutzgesetz gar nicht erlaubt sind, bietet die Technologie zur Herstellung "induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS-Zellen)" eine ethisch deutlich weniger belastete Alternative. Ausgangspunkt für diese Zellen sind keine embryonalen sondern adulte Zellen. Pionierarbeiten in diese Richtung leistete die Gruppe um den Japaner Shinya Yamanaka von der Universität in Kyoto. Diesen Wissenschaftlern gelang es, mithilfe eines Cocktails von nur vier Proteinen – die Produkte der Gene Oct4, c-Myc, Sox-2 und Klf-4 – das Differenzierungsprogramm einer ganz normalen Körperzelle in das Programm einer embryonalen Zelle zurückzuversetzen. Allerdings lassen sich diese Zellen niemals zu Embryonen, wohl aber zu allen möglichen Formen adulter Zellen ausdifferenzieren. Die Technik der Herstellung von induzierten pluripotenten Zellen (iPS) war erfunden, und Shinya Yamanaka erhielt für diese wissenschaftliche Leistung im vergangenen Jahr den MedizinNobelpreis.

Welche Schlüsse lassen sich aus all dem ziehen?

Naheliegende Fragen lassen sich kurz und knapp beantworten:

  • Wurde da in Oregon wirklich etwas Neues gemacht? Ja!
  • Was bedeutet das für die Medizin? Zunächst so gut wie nichts!
  • Werden bald wirklich Krankheiten wie Parkinson und multiple Sklerose heilbar sein? Demnächst sicher nicht, und wenn doch irgendwann einmal, dann mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mit den eben publizierten Methoden!

Es wurde ganz einfach ganz tolle Grundlagenforschung gemacht, die zum allgemeinen Verständnis der Biologie des Menschen ein gutes Stück beiträgt. So sehen es auch die Experten auf diesem Gebiet, die in Deutschland mit Hans Schöler vom Münsteraner Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, durch den deutschstämmigen Stammzellforscher Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institute in Boston oder durch den Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle bedeutsame Namen haben.

Aber das reicht der Öffentlichkeit nicht. Von ihr wird die Stammzellforschung vor allem dahingehend wahrgenommen, was man sich als machbar ausdenken könnte und weniger dahingehend, was die Wissenschaftler tatsächlich tun. Und schon wird wieder über neue Gesetze und Verordnungen nachgedacht, ohne zu realisieren, dass das, was da publiziert wurde, aufgrund gesetzlicher Regelungen in Deutschland (!) gar nicht machbar gewesen wäre.

Wenn einer Gesellschaft daran gelegen ist, Optionen für schwerkranke Patientinnen und Patienten in die Hand zu bekommen, die nicht nur in der Lage sind, Fehlfunktionen zu korrigieren, sondern zerstörte Funktionen zu ersetzen, sollte man sich zurücknehmen bei der wohlfeilen Skandalisierung der Stammzellforschung und die Entwicklungen unaufgeregt aber genau verfolgen. Denn es gibt unzählige Fragen zu klären, darunter beispielsweise Fragen, die das komplexe Feld der Epigenetik mit den vielen kleinen chemischen Modifikationen an DNA und Histonproteinen aufwirft, oder Fragen nach einer möglichen Fehldifferenzierung und einem damit verbundenen onkogenen Potenzial von Stammzellen. Die Frage, ob man einen Menschen klonen kann, steht in der Wissenschaft, die ihre Resultate publiziert, nicht auf der Agenda.


Dr. Ilse Zündorf,

Prof. Dr. Theo Dingermann,

Institut für Pharmazeutische Biologie

Biozentrum

Max-von-Laue-Straße 9

60438 Frankfurt/Main

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.