Arzneimittel und Therapie

Ocriplasmin zur Behandlung der vitreomakulären Traktion

Das aktive Enzym Ocriplasmin (Jetrea®) wirkt proteolytisch auf Proteinbestandteile des Glaskörpers und der vitreoretinalen Grenzschicht. Es wird zur Behandlung der vitreomakulären Traktion bei Erwachsenen angewendet, auch im Zusammenhang mit einem Makulaloch kleiner oder gleich 400 µm Durchmesser.

Die vitreomakuläre Traktion ist eine altersbedingte fortschreitende Erkrankung, die das Sehvermögen bedroht. Zu der Erkrankung kommt es, weil sich bei vielen Menschen über 50 Jahren im Verlauf des Alterungsprozesses der Glaskörper von der Retina ablöst, unter anderem, weil der Glaskörper schrumpft und sich gallertartig verflüssigt.


Vitreomakuläre Traktion


Der gallertartige Glaskörper liegt in der Mitte des Auges und ist von einer Membran umgeben. Die lichtempfindliche Gewebeschicht der Retina kleidet die Innenseite des Augenhintergrunds aus. Der kleine zentrale Bereich der Retina (Makula), der für die zentrale Sehschärfe zuständig ist, ist durch Proteinverbindungen am Glaskörper befestigt. Im Laufe physiologischer Alterungsprozesse kann sich der Glaskörper von der Retina ablösen. Löst sich der Glaskörper nur teilweise von der Retina ab und bleibt durch Proteinstränge weiterhin am Augenhintergrund befestigt, so spricht man von vitreomakulärer Adhäsion. Als Folge kann ein Zug auf die Netzhaut ausgeübt werden (vitreomakuläre Traktion). Durch diese mechanische Belastung kann es zur Bildung eines Lochs in der Makula kommen, das Sehvermögen wird beeinträchtigt.

Altersbedingte Erkrankung

Geschieht dies nur teilweise und bleiben Proteinverbindungen durch Kollagenfibrillen an der vitreoretinalen Grenzschicht weiterhin bestehen, kann dies durch den punktuellen Zug erst zu einer Verformung und dann zum Zerreißen der Retina führen. Besonders ausgeprägt sind diese Verankerungen in der Makula, dem Bereich des schärfsten Sehens. Als Folge entstehen auch Löcher in der Makula. Dadurch kommt es zu Sehstörungen, wie optischen Verzerrungen, verringerter Sehschärfe bis hin zu einer vollständigen Erblindung. In Europa sind schätzungsweise 250.000 bis 300.000 Patienten von einer solchen Entwicklung betroffen.

Auflösung der Bindungen

Ocriplasmin (Jetrea®) ist eine verkürzte Form des humanen Plasmins, das im Gerinnungssystem für die physiologische Fibrinolyse zuständig ist. Das Enzym mit Serinprotease-Aktivität wird gentechnisch hergestellt. Es wirkt proteolytisch auf Proteinbestandteile des Glaskörpers und der vitreoretinalen Grenzschicht (z. B. Laminin, Fibronektin und Collagen), welche unter anderem die Kollagenfasern des Glaskörpers an der Retina befestigen. Ocriplasmin ist die bisher einzige medikamentöse Therapieoption zur Behandlung der vitreomakulären Traktion.

Erste medikamentöse Therapiemöglichkeit

Der pathophysiologische Vorgang konnte bisher nur in einem späten Stadium der Erkrankung chirurgisch behandelt werden. Dabei wird der Glaskörper entfernt (Vitrektomie) und die Retina wiederhergestellt.

Ocriplasmin wird einmalig intravitreal injiziert. Im Glaskörper wirkt Ocriplasmin enzymatisch und spaltet die Proteine auf, über die der Glaskörper an der Retina befestigt ist und die einen übermäßigen Zug zwischen Glaskörper und Makula verursachen. Als Folge verringert sich die Spannung auf die Makula, und ein bereits vorhandenes Loch in der Makula kann sich wieder schließen.

Einmalige intravitreale Injektion

Als aktives Enzym muss Ocriplasmin im Gefrierschrank (- 20 °C ± 5 °C) gelagert werden und ist kühlkettenpflichtig. Falls das Produkt bei der Lagerung höheren Temperaturen ausgesetzt wurde, sollte die Durchstechflasche verworfen werden. Vor der intravitrealen Injektion wird die Durchstechflasche für etwa zwei Minuten bei Raumtemperatur aufgetaut. Da die Lösung keine Konservierungsmittel enthält, muss die verdünnte Lösung sofort mittig in den Glaskörper injiziert werden.

Die empfohlene Dosis beträgt 0,125 mg (0,1 ml der verdünnten Lösung). Sie wird einmalig als intravitreale Einzeldosis in das betroffene Auge injiziert. Eine wiederholte Injektion wird nicht empfohlen. Auch eine Behandlung am anderen Auge bis zu sieben Tage nach der Injektion wird nicht empfohlen.

Die Ocriplasmin-Spiegel im Glaskörper sinken nach der intravitrealen Verabreichung rasch. Wegen der geringen verabreichten Menge (0,125 mg) werden nach der intravitrealen Injektion keine nachweisbaren Spiegel von Ocriplasmin im systemischen Kreislauf erwartet, weshalb keine systemischen Wechselwirkungen zu erwarten sind.


Steckbrief: Ocriplasmin


Handelsname: Jetrea

Hersteller: Alcon Pharma, Freiburg

Einführungsdatum: 1. Mai 2013

Zusammensetzung: 1 Durchstechflasche enthält 0,5 mg Ocriplasmin in 0,2 ml Konzentrat zur Herstellung einer Injektionslösung. Sonstige Bestandteile: Mannitol (Ph.Eur.), Citronensäure, Natriumhydroxid (zur pH-Einstellung), Wasser für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche, 3829,84 Euro, PZN 05024979

Stoffklasse: Ophthalmika; ATC-Code: noch nicht zugewiesen.

Indikation: Zur Behandlung der vitreomakulären Traktion bei Erwachsenen, auch im Zusammenhang mit einem Makulaloch kleiner oder gleich 400 µm Durchmesser.

Dosierung: 0,125 mg (0,1 ml der verdünnten Lösung), einmalig als intravitreale Injektion in das betroffene Auge

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; bestehende okulare oder periokulare Infektionen oder ein Verdacht darauf.

Nebenwirkungen: sehr häufig: "Fliegende Mücken", Augenschmerzen, Bindehautblutung

Wechselwirkungen: systemische Wechselwirkungen sind nicht zu erwarten. Die Verabreichung anderer Arzneimittel in dasselbe Auge mit geringem zeitlichem Abstand kann die Aktivität beider Arzneimittel beeinflussen und wird daher nicht empfohlen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Im Anschluss an die intravitreale Injektion sind die Patienten auf Nebenwirkungen hin zu überwachen; sie sollten Symptome einer intraokularen Entzündung/Infektion oder alle sonstigen visuellen oder okularen Symptome unverzüglich melden. Patienten mit nichtproliferativer diabetischer Retinopathie, zurückliegender Uveitis oder signifikantem Augentrauma sollten mit Vorsicht behandelt werden. Aufgrund eines potenziellen Anstiegs der Traktionskräfte besteht ein Risiko des Auftretens neuer oder der Vergrößerung existierender Makulalöcher.

Weniger Operationen notwendig

Die Zulassung von Ocriplasmin beruht auf den Ergebnissen zweier klinischer Phase-III-Studien, in denen die Sicherheit und Wirksamkeit einer einmaligen Verabreichung an Patienten mit einer vitreomakulären Traktion beurteilt wurde.

Beide Studien liefen über sechs Monate und waren multizentrisch, randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert. Insgesamt wurden 652 Patienten (464 Ocriplasmin und 188 Placebo) randomisiert. In beiden Studien konnte Ocriplasmin die Auflösung einer vitreomakulären Traktion und das Schließen von Makulalöchern im Vergleich zum Placebo nach 28 Tagen nachweislich unterstützen: An Tag 28 wurde bei 26,5% der mit Ocriplasmin behandelten Patienten eine Auflösung der vitreomakulären Traktion und der Makulalöcher erreicht (Placebo: 10,1%, p < 0,001). Eine völlige Ablösung gelang bei 13,4 versus 3,7% der Augen. Der Anteil der Patienten, bei denen später eine Vitrektomie erforderlich war, sank von 26,6 auf 17,7%. Nach der Injektion kam es auch häufiger zu einem Verschluss von Makulalöchern (40,6 versus 10,6%); nach sechs Monaten zeigten sich ebenfalls positive Auswirkungen auf die Sehleistung.

Vorübergehende Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen waren "fliegende Mücken" oder Glaskörpertrübungen, Augenschmerzen und Photopsie sowie durch das Injektionsverfahren ausgelöste Bindehautblutungen. Die meisten Nebenwirkungen traten innerhalb der ersten Woche nach der Injektion auf. Sie wurden in der Regel als leicht bis mäßig angesehen und konnten ohne Komplikationen behandelt werden. Außerdem kann die intravitreale Injektion von Ocriplasmin zu zeitweiligen Sehstörungen führen. Während der ersten Woche nach der Injektion besteht ein Risiko eines signifikanten, aber vorübergehenden Verlustes der Sehschärfe.

Die Inzidenz schwerer Nebenwirkungen in allen klinischen Studien betrug 2,2% bei den mit Ocriplasmin behandelten Patienten und 2,4% bei den Kontrollpatienten.

Bei bestehenden okularen oder periokularen Infektionen oder einem entsprechenden Verdacht darf Ocriplasmin laut Fachinformation nicht angewendet werden.

Ocriplasmin ist ein proteolytisches Enzym mit Serinprotease-Aktivität, das auch nach der intravitrealen Injektion noch einige Tage im Auge präsent sein kann. Die Verabreichung anderer Arzneimittel in dasselbe Auge mit geringem zeitlichem Abstand kann die Aktivität beider Arzneimittel beeinflussen und wird daher nicht empfohlen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Im Anschluss an die intravitreale Injektion sind Patienten auf Nebenwirkungen hin zu überwachen. Außerdem sollten die Patienten Symptome einer intraokularen Entzündung/Infektion oder alle sonstigen visuellen oder okularen Symptome unverzüglich melden. Es gibt nur begrenzte Erfahrungen bei Patienten mit nichtproliferativer diabetischer Retinopathie, zurückliegender Uveitis (einschließlich akuter schwerer Entzündung) oder signifikantem Augentrauma. Diese Patienten sollten daher mit Vorsicht behandelt werden. Aufgrund eines potenziellen Anstiegs der Traktionskräfte besteht ein Risiko des Auftretens neuer oder der Vergrößerung existierender Makulalöcher.


Quelle

Stalmans P et al. Enzymatic Vitreolysis with Ocriplasmin for Vitreomacular Traction and Macular Holes. N Engl J Med 2012; 367: 606 – 615

Fachinformation zu Jetrea®, Stand März 2013.


hel

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