DAZ aktuell

Was ist angemessen?

(tmb). Wie kann ein gerechter Kammerbeitrag ermittelt werden? Welche Bezugsgröße ist für den Beitrag von Selbstständigen angemessen? Ist der Umsatz, der Rohertrag, der Gewinn oder die Zahl der Mitarbeiter geeignet? Oder sollen alle Apotheker den gleichen Beitrag zahlen? Immer wieder beschäftigen solche Fragen die Kammerversammlungen in vielen Bundesländern. Aktuell ist das Thema durch einen Antrag für die Delegiertenversammlung im Rahmen des Bayerischen Apothekertages am 3. Mai (s. a. DAZ 2013, Nr. 16, S. 18) im Gespräch. Doch die Frage betrifft letztlich alle Kammern. Daher sollen die gängigen Argumente hier analysiert werden.

Eine verbreitete Argumentation besagt, identische Kammerbeiträge für jeden Apotheker seien angemessen, weil alle Apotheker den gleichen Verwaltungsaufwand verursachen. Doch Kammern sind nicht nur Verwaltungen, sondern sie bieten auch vielfältige Dienstleistungen von der Beratung über Fortbildungen bis zur politischen Vertretung und nehmen zudem Überwachungsaufgaben wahr. Der Aufwand für solche Aufgaben hängt jedoch vom Ausmaß der pharmazeutischen Tätigkeit ab und ist daher für Vollzeitbeschäftigte größer als für Vertretungskräfte mit geringer Stundenzahl. Außerdem dürfte ein Vollzeitbeschäftigter wirtschaftlich leistungsfähiger sein. Entsprechendes gilt für die Relation zwischen Angestellten und Apothekenleitern sowie zwischen verschiedenen Apotheken. Eine Apotheke mit vielen Mitarbeitern profitiert beispielsweise mehr von Fortbildungsangeboten als eine kleinere Apotheke. In einer Apotheke mit mehr Kunden werden die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung öfter angewendet als in einer Apotheke mit weniger Kunden.

Verschiedene Mitglieder – verschiedener Aufwand

Daher sollten Beiträge von Angestellten nach der Stundenzahl gestaffelt werden. Analog dazu erscheint es plausibel, die Beiträge der Selbstständigen vom Umfang der durch sie verantworteten pharmazeutischen Tätigkeit abhängig zu machen, also größere Apotheken stärker als kleinere heranzuziehen. Dies erscheint auch angemessen vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips, nach dem für gleiche Leistungen zumindest ähnliche Beiträge erhoben werden sollten. Denn größere Apotheken nehmen mehr Leistungen in Anspruch. Ergänzend kann mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit argumentiert werden. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Bezugsgröße den Umfang der Tätigkeit und möglichst auch die Leistungsfähigkeit gut abbildet.

Bezugsgröße Umsatz: die alte Gewohnheit

Die gängigste Größe zur Bemessung des Kammerbeitrags ist der Umsatz. Doch sagt dieser schon seit jeher wenig über das Ausmaß der pharmazeutischen Tätigkeit und spätestens seit der Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 noch weniger über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Die häufige Verwendung des Umsatzes als Bezugsgröße ist wohl eine Gewohnheit, die auf die Zeit vor 2004 zurückgeht. Hinsichtlich der Aussagekraft kann der Umsatz heute kaum überzeugen, die einfache Erhebung spricht hingegen noch für den Umsatz als Bezugsgröße.

Rohertrag oder Gewinn: mögliche Alternativen

Alternativen sind der Rohertrag, also die Differenz aus Umsatz und Wareneinsatz, und Gewinngrößen, z. B. das steuerliche Betriebsergebnis oder der Gewerbeertrag. Insbesondere der Rohertrag dürfte das Ausmaß der Tätigkeit gut abbilden, weil die Saldierung von Umsatz und Wareneinsatz für den Rx-Bereich zu einem weitgehend packungszahlabhängigen Ergebnis führt. Auch im OTC-Bereich dürfte der Rohertrag zumindest ein praktikabler Indikator für das Geschäftsvolumen sein. Der Rohertrag bietet sich daher in Analogie zur Stundenzahl bei Angestellten als Maß für den Umfang der Tätigkeit einer Apotheke an. Gewinngrößen würden dagegen stärker die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbilden, aber sie werden auch sehr von den Eigentumsverhältnissen der Apotheke beeinflusst. Der Aufwand der Kammer für eine Apotheke hängt aber nicht davon ab, ob diese in eigenen oder fremden Räumen bzw. mit mehr oder weniger Fremdkapital betrieben wird.

Die Idee, den Kammerbeitrag der selbstständigen und nicht selbstständigen Mitglieder vom Betriebsergebnis bzw. vom Angestellteneinkommen abhängig zu machen, erscheint zwar hinsichtlich der Leistungsfähigkeit plausibel, aber eine Apotheke dürfte bei gleichem Betriebsergebnis in der Kammer mehr Aufwand verursachen und mehr von der Arbeit der Kammer profitieren als ein Mitarbeiter mit entsprechendem Einkommen. Einen solchen Vorschlag hat die Kammerversammlung in Hamburg am 18. Juni 2012 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Weitere Bezugsgrößen

Als weitere Varianten werden mitunter bestimmte Anteile des Rohertrags oder Gewinns oder andere Ergebnisse von Umrechnungen vorgeschlagen, z. B. abhängig vom Rx-Anteil. Doch irgendeine Art von Korrekturrechnung zu beginnen, würde endlose und letztlich fruchtlose Debatten in Kammerversammlungen eröffnen, bei denen unnötige Streitigkeiten zwischen Apothekenleitern mit unterschiedlichen Standortbedingungen entstehen könnten. Abhängig von künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen könnten dann immer wieder neue Sonderregeln zur Debatte gestellt werden, die letztlich zu willkürlichen Beiträgen führen würden.

Die Zahl der abgegebenen Packungen wäre als Maß für das Rx-Geschäft durchaus geeignet, wäre aber nicht auf das OTC-Geschäft übertragbar und würde daher ebenfalls lange Debatten über die Gewichtung dieser beiden Segmente auslösen. Außerdem steht die Zahl der Beschäftigten in der Apotheke als Bezugsgröße zur Diskussion. Dafür spricht der sehr geringe Erhebungsaufwand, doch dagegen spricht der berufspolitisch problematische Fehlanreiz, dass die Kammer Apotheken mit geringem Personaleinsatz belohnen würde. So erscheint der Rohertrag letztlich als besonders geeignete Bezugsgröße, sofern die Kammermitglieder bereit sind, diese Daten an die Kammer zu melden. Immerhin dürfte der Rohertrag eine weniger sensible Information als das Betriebsergebnis sein.

Von der Bezugsgröße zum Beitrag

Nach der Festlegung der Bezugsgröße wäre zu klären, in welcher Weise die Kammerbeiträge von der gewählten Größe abhängen sollen. Die Bildung von Klassen mit jeweils einheitlichen Beiträgen erscheint praktikabler als Beiträge, die als Prozentsatz von der Bezugsgröße berechnet werden. Denn durch die Klassenbildung entfallen akribisch genaue Erhebungen ebenso wie ständig wechselnde, "krumme" Kammerbeiträge. Dabei erscheint es sinnvoll, eine unterste Klasse für sehr kleine Apotheken festzulegen, die keinen oder nur einen symbolischen Beitrag zahlen sollten. Denn die Apothekerkammern sollten sich nicht dem Verdacht aussetzen, zum Ruin einer Apotheke beizutragen. Entsprechendes sollte dann auch für angestellte Apotheker mit sehr geringer Stundenzahl gelten.

Spannender ist die Frage, ob die Beiträge im oberen Bereich gedeckelt werden sollten. (Versand-)Apotheken mit sehr großem Geschäftsumfang nehmen grundsätzlich mehr Leistungen in Anspruch, allerdings nicht proportional zu anderen Apotheken. Als vernünftiger Kompromiss zwischen proportionalem Beitrag und Deckelung erscheint daher, die Klasseneinteilung auch in sehr hohe Klassen der Bezugsgröße (also z. B. des Rohertrags) fortzuführen, die nur von sehr wenigen Apotheken erreicht werden, dann aber die Beiträge zumindest in sehr hohen Klassen nicht mehr proportional, sondern degressiv zur Bezugsgröße steigen zu lassen. Dies ist zugleich ein Argument für eine Klasseneinteilung und gegen einen proportionalen Beitrag. Allerdings eröffnet dieser Ansatz viel Raum für Diskussionen darüber, ab welchem Betrag und wie stark der Anstieg des Kammerbeitrags im oberen Bereich vermindert werden soll.

Unabhängig von allen Fragen zur Berechnung der Beiträge zeigen die wiederkehrenden Diskussionen die Sensibilität der Kammermitglieder für dieses Thema. Daher können diese Diskussionen auch als Votum für sparsame Haushaltsführung verstanden werden. Denn niedrigere Beiträge für alle Mitglieder dürften allgemein willkommen sein.

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