DAZ aktuell

Zwist um Impfstoffversorgung

LAV Baden-Württemberg wehrt sich gegen konspirative Zusammenarbeit von Kassen und Ärzten

STUTTGART/BERLIN (ks). In Baden-Württemberg geht der Streit um die Umsetzung der Impfstoffrabattverträge in eine neue Runde. Auf der einen Seite stehen die AOK Baden-Württemberg und die Kassenärztliche Vereinigung (KV), auf der anderen der Landesapothekerverband (LAV). Die Apotheken sollen seit Jahresbeginn produktneutrale Verordnungen, bei denen Ärzte nur noch die Impfung selbst angeben, beliefern. Der LAV sieht darin einen Verstoß gegen geltendes Recht und will die Angelegenheit vor dem Sozialgericht klären lassen.
"Impfstoff gegen …" Ärzte in Baden-Württemberg sollen auf Wunsch der Kassen im Fall von Impfstoffen "produktneutral" verordnen – und Apotheken entsprechend der Rabattverträge beliefern. Der LAV wehrt sich hiergegen. Foto: ABDA

Trotz der schlechten Erfahrungen mit den Grippeimpfstoffausschreibungen in der letzten Saison, setzen die Kassen in Baden-Württemberg auch in diesem Jahr auf exklusive Rabattverträge. Und das nicht nur für Influenza-Impfstoffe, sondern auch für sechs weitere Schutzimpfungen. Für letztere sind die Rabattverträge bereits seit Jahresbeginn wirksam. Und seitdem gibt es Knatsch im Ländle. Die Apotheker wollten mit ins Boot, als Kassen und KV über die Umsetzung der Rabattverträge verhandelten – doch diese hielten es nicht für nötig, den LAV hinzuzuziehen. Am Ende vereinbarten Kassen und Ärzte unter anderem eine "produktneutrale Verordnung" von Wirkstoffen: Die Ärzte sollen nun noch einen "Impfstoff gegen …" verordnen – also etwa gegen Grippe, Meningokokken oder Varizellen. Aus Sicht des LAV handelt es sich weder um eine Wirkstoffverordnung noch um die Verordnung eines konkreten Impfstoffs, wie es die Arzneimittelverschreibungsverordnung vorsieht. Somit, so der LAV, werde gegen geltendes Recht verstoßen.

AOK droht mit Retaxierung

Anfang Februar beantragte der LAV daher einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Baden-Württemberg – entschieden wurde über den Antrag allerdings noch nicht. Kurz darauf forderte die KV die Apotheker auf, mitzuteilen, ob sie produktneutrale Verordnungen beliefern. Sie wollte für ihre Ärzte eine Liste dieser Apotheken erstellen – damit die Mediziner wissen, wo sie komplikationslos bestellen können. Beim LAV reagierte man erzürnt und verlangte eine Unterlassungserklärung der KV. Diese erfolgte auch. Doch nun kommt die gleiche Forderung über die AOK auf die Apotheken zurück. Am 12. April – Freitagnachmittag – verschickte die Kasse an alle Apotheken des Bundeslandes ein Fax, in dem sie einige "Klarstellungen" zum Thema vornimmt. Soweit Rabattverträge bestehen, dürften keine nicht rabattierten Impfstoffe verordnet und abgegeben werden. "Bitte bedenken Sie, dass Sie sich einem erheblichen Retaxierungsrisiko aussetzen, wenn Sie (…) einen nicht rabattierten Impfstoff abgeben", mahnt die AOK. Ausnahmen seien nur in praktisch selten vorkommenden Einzelfällen zulässig. Die vom LAV monierte Verordnungsweise sei "rechtlich einwandfrei", erklärt die Kasse. Apotheker, die diese Verordnungen akzeptierten, liefen keine Gefahr, einer Retaxierung unterworfen zu werden. Sofern die Apotheken bereit seien, Rezepte mit der Verordnungsweise "Impfstoff gegen …" zu beliefern, sollen sie dies nun der Kasse in einem vorbereiteten Formular mitteilen. Die Namen aller kooperationsbereiten Apotheken sollen dann über eine Webseite und/oder per Rundschreiben den Vertragsärzten zugänglich gemacht werden.

Sozialgericht ist nun gefragt

Der LAV konterte am Montag mit einem verärgerten Massenfax an seine Mitglieder. Darin stellt der Verband klar, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält: Wer die besagten Verordnungen beliefere, setze sich potenziell dem Vorwurf einer Strafbarkeit aus. Es bestehe keine Veranlassung sich auf die von der AOK geplante Liste setzen zu lassen. Lieferberechtigt seien die Apotheken auch so. Gegen das "konspirative Zusammenwirken" von Kassen und Ärzten werde man sich weiter gerichtlich zur Wehr setzen. LAV-Geschäfsführerin Ina Hofferberth erklärte gegenüber der DAZ, die Drohung der AOK mit Retaxationen sei "unsäglich". Durch die vielfache Wiederholung werde die Rechtsauffassung der Kasse nicht richtiger. Vielmehr liege nun auch ein Verstoß gegen das Beeinflussungsverbot im Liefervertrag vor. Die Klage vor dem Sozialgericht sieht Hofferberth somit durch verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt.

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