Aus den Ländern

Plädoyer für den Apotheker 2.0

Perspektiven für den Apothekerberuf

Nach Auffassung von Friedemann Schmidt, Präsident der Landesapothekerkammer Sachsen und zugleich ABDA-Präsident, gab es noch nie so eine günstige Konstellation wie heute, den Apothekerberuf neu auszurichten, ihm eine neue patientenorientierte Professionalität zu geben. Ihm sei bewusst, dass viele Angst hätten, diesen Schritt zu gehen. Aber ein solcher Schritt gebe neue Perspektiven und führe aus der Krise, sagte er auf dem 11. Sächsischen Apothekertag, der am 13. und 14. April in Chemnitz stattfand.
Friedemann Schmidt, Präsident der LAK Sachsen: Die Chance für den Apothekerberuf, einen Schritt nach vorne zu machen, war noch nie so groß wie heute.

Mit der in Kürze zu erwartenden Verabschiedung des Apothekennotdienstsicherstellungsgesetzes (ANSG) und den anstehenden Verhandlungen zum Kassenabschlag ist die Honorarrunde zu Ende gekommen, so Schmidt.

Jetzt sei es an der Zeit, sich mit der Zukunftssicherung des Apothekerberufs zu befassen. Aber viele Apothekerinnen und Apotheker seien der Ansicht, dass der Apothekerberuf in einer Krise steckt – diese Stimmung habe er jedenfalls in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit als ABDA-Präsident wahrgenommen. Diese Krise beziehe sich dabei nicht nur auf die wirtschaftliche Situation (seit 2009 sind rund 600 Apotheken vom Markt verschwunden, wobei Sachsen kaum betroffen war). Die Krise werde vielmehr auch auf der professionellen Ebene gesehen, die Identität des Apothekerberufs, das Selbstwertgefühl als Apotheker sei angeschlagen. Bürokratie, Gängelung, Entmündigung, so die Auffassung der Apotheker, haben zu dieser Krise beigetragen, wie Schmidt analysierte. Auch die Ansicht, man könne seine intellektuellen Fähigkeiten des Apothekerberufs zu wenig einbringen, trage dazu bei.

Vor diesem Hintergrund sei es an der Zeit, Auswege aus der Krise zu finden. Allerdings, so Schmidt, verstelle die Mühle des Alltags den Blick. Er rief dazu auf, neue Perspektiven zu suchen, was allerdings nur möglich sei, wenn man den Blick wende, um neue Perspektiven zu sehen.

Bei der Linderung und Heilung von Krankheiten werde das Arzneimittel weiterhin das zentrale Produkt sein, der Apotheker werde unverzichtbar bleiben – darin sieht Schmidt Chancen. Die Apothekenbetriebsordnung zeige in die richtige Richtung, auch wenn so manche Vorschrift nach Bevormundung und Gängelung aussehe. Hier sollten wir uns nicht in Debatten über Randaspekte verzetteln und nicht die Grundtendenz der Apothekenbetriebsordnung infrage stellen: Sie stärkt die Beratung, und sie stärkt die Funktion des Apothekers.


11. Sächsischer Apothekertag in Chemnitz Rund 200 Apothekerinnen, Apotheker, Pharmazieingenieure und PTA waren in die "Stadt der Moderne" gekommen.
Fotos: DAZ/diz

Schmidt zitierte den Festvortrag des Soziologieprofessors Gerhard Schulze auf dem diesjährigen Interpharm-Kongress. Schulze hat dazu aufgerufen, den Apothekerberuf in der heutigen Ausprägung zu vergessen. Er hat empfohlen, die Ausrichtung des Apothekerberufs neu zu überdenken. Er sieht den Apotheker der Zukunft als gleichberechtigten Partner im ärztlichen Team mit einer zentralen Rolle vor Ort (s. DAZ Nr. 12, S. 12). Schmidt: "Wir brauchen den Apotheker 2.0!" Der Schritt dahin sei groß und nicht ungefährlich, "aber viele haben das Gefühl, dass sie diesen Schritt gehen müssen. Das ist der Weg in die Zukunft, das wissen alle, aber alle haben Angst davor". Es sei der Weg hin zu mehr Patientenorientierung, mehr Beratung und neuen Dienstleistungen.

Schmidt versuchte Mut zu machen: "Ich glaube, dass wir noch nie so eine günstige Konstellation hatten wie heute, einen solchen Schritt zu wagen." Für den Apotheker 2.0, für die neuen Dienstleistungen und vor allem für den Ausbau der Beratung in Richtung Medikationsmanagement sprechen verschiedene Gründe:

  • die demografische Entwicklung: Immer mehr multimorbide Patienten, die viele Arzneimittel einnehmen müssen, brauchen die Leistungen der Apotheke;
  • in der Politik ist der Wille zu spüren, diese Entwicklung des Apothekers zu unterstützen und dem Apotheker mehr Verantwortung zu übertragen;
  • gerade die älteren Patienten haben häufig Probleme mit ihrer Therapie, sie erwarten Hilfe von der Apotheke;
  • auch bei den Krankenkassen gibt es Lerneffekte, dass man zusammen mit den Apotheken mehr erreichen kann, und
  • selbst bei den Ärzten kommt ein Diskussionsprozess in Gang, der über eine neue Aufgabenverteilung zwischen dem Arzt und dem Apotheker nachdenkt.

Trotz Hürden und Klippen, die noch zu nehmen sind – die Schwierigkeiten mit der Einführung eines ABDA-KBV-Modells zeigen es – , ist Schmidt überzeugt: "Die Chance ist jetzt da, den Schritt nach vorn zu wagen."

Christine Clauß, sächsische Sozialministerin, kämpft für den Erhalt des Studiengangs Pharmazie an der Universität Leipzig. Mittel- und langfristig sieht sie durch die ersatzlose Streichung dieser Studienplätze die flächendeckende Arzneimittelversorgung der sächsischen Bevölkerung in Gefahr.

Clauß setzt auf Apotheker

Unterstützung für die Apotheker signalisierte Christine Clauß, sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, in ihren Grußworten zum Sächsischen Apothekertag. Apothekerinnen und Apotheker beweisen tagtäglich, dass sie ein geschätzter Berufsstand sind zum Wohl aller.

Ausdrücklich dankte sie dem sächsischen Kammerpräsidenten für seinen Festvortrag zum Frauentag vor dem Sächsischen Landtag. Seine kurzweilige Rede bringe sie heute noch zum Schmunzeln.

In den Apotheken sieht Clauß einen Baustein für eine zukunftssichere Versorgung des Landes. Die Apothekenbetriebsordnung stärke die Verantwortung des Apothekers z. B. bei der Beratung. Trotz eines Mehraufwands, den die Apothekenbetriebsordnung mit sich bringe, biete sie auch Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz begrüßte die Sozialministerin ausdrücklich. Sie habe sich auch in Berlin dafür eingesetzt, da es die flächendeckende Versorgung sichere und die ökonomische Sicherheit der Apotheken auf dem Land erhöhe. Clauß: "Der Apotheker hat ganz wichtige Aufgaben, dafür spreche ich meinen Respekt, meine Anerkennung und meinen Dank aus."

Pro Apotheke, aber über neue Wege nachdenken

Drei Themen standen in der Podiumsdiskussion auf dem Sächsischen Apothekertag auf dem Programm: die Gesundheitsversorgung in Sachsen, die drohende Schließung des pharmazeutischen Instituts in Leipzig und die Bedeutung der Apotheken angesichts der demografischen Entwicklung. Kammerpräsident Schmidt diskutierte mit den Sprecherinnen für Gesundheitspolitik des Sächsischen Landtags (Karin Strempel, CDU; Kerstin Lauterbach, Die Linke; Anja Jonas, FDP; Dagmar Neukirch, SPD), mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der AOK plus (Rainer Striebel) und mit der Vorsitzenden des Sächsischen Apothekerverbands (Monika Koch).

Sachsens Gesundheitspolitik vor der Wahl Was kann man von der sächsischen Gesundheitspolitik erwarten? Es diskutierten (von links): Kerstin Lauterbach (Die Linke), Anja Jonas (FDP), Dagmar Neukirch (SPD), Friedemann Schmidt (SLAK), Karin Strempel (CDU), Monika Koch (SAV) und Rainer Striebel (AOK plus).

Noch sei die Gesundheitsversorgung in Sachsen in Ordnung. Allerdings sieht Strempel für die Zukunft die flächendeckende Arzneimittelversorgung auf dem Land als nicht mehr gesichert an. Jonas hofft auf eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser, und Lauterbach wünscht sich eine solidarisch ausgerichtete Krankenversicherung, in die alle einzahlen. Striebel begrüßte das pragmatische Miteinander von Krankenkassen und Apotheken in Sachsen: "Hier redet man miteinander."

Monika Koch sorgt sich darum, ob es auch in Zukunft in Sachsen ausreichend Apotheker gibt. Viele ältere Apotheker, die ihre Apotheke abgeben wollten, fänden keine Nachfolger. "Und in dieser Situation will man in Leipzig das pharmazeutische Institut schließen und Studienplätze wegrationalisieren", klagte Koch. Karin Strempel weiß sie an ihrer Seite: "Mein Standpunkt ist klar: Erhalt des pharmazeutischen Instituts in Leipzig", so die CDU-Politikerin. Für sie ist das Institut letztlich auch ein wirtschaftlicher Faktor. Aber auch die Gesundheitspolitikerinnen der anderen Parteien sprachen sich für den Erhalt der Pharmazie in Leipzig aus. Jonas forderte weitere Verhandlungen, Neukirch hofft, dass die Verhandlungen in Bewegung bleiben, selbst eine Kürzung der Ausbildungsplätze will Die Linke nicht hinnehmen. Auch Koch will eine vorgeschlagene Reduzierung der Ausbildungsplätze nicht akzeptieren, denn dies bedeute, das Institut durch Austrocknung sterben zu lassen.


Vleugels-Orgel in der Schlosskirche

Im Jahr 2006 wurde die Vleugels-Orgel, eine Orgel im französisch-symphonischen Stil, in der Schlosskirche von Chemnitz eingeweiht. Für die Teilnehmer des Apothekertags stand ein kurzes Orgelkonzert auf dem Programm.

11. Sächsischer Apothekertag


Rund 200 Apothekerinnen, Apotheker, Pharmazieingenieure und PTA nahmen am 11. Sächsischen Apothekertag teil, der am 13. und 14. April in Chemnitz stattfand. Neben Berufspolitik und Fortbildung kam auch der gesellige Teil nicht zu kurz. Ein Gesellschaftsabend im Schlossbergmuseum im ältesten Stadtteil von Chemnitz kam bei den Teilnehmern sehr gut an. Besonders gefiel der Auftritt der Gospelband Voicepoint & Choir.

Als kleine Überraschung für die Teilnehmer konnte vor dem Gesellschaftsabend die moderne Vleugels-Orgel in der Schlosskirche besichtigt werden. Ein kurzes Orgelkonzert überzeugte vom außergewöhnlichen Klang dieses Instruments, das im französisch-symphonischen Stil mit 47 klingenden Stimmen und insgesamt 2827 Pfeifen erbaut wurde.



Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Sachsen, wo besonders viele ältere Menschen leben, überlegten die Diskutanten, wie man diese Herausforderungen angehen könne. Während es bei der Arzneimittelversorgung sinnvoll sei, wenn Apotheken vor Ort sind und dies flächendeckend, so Striebel, müsse man in Zukunft beispielsweise bei Krankenhäusern schon mal eher weitere Wege in Kauf nehmen. Auch Kinderärzte werde es in einem Bundesland mit überwiegend älterer Bevölkerung nicht mehr überall geben müssen, fügte Jonas hinzu. Allerdings dürfe die Basisversorgung (Notärzte, Apotheken) nicht unter einer Ausdünnung leiden, so Neukirch. Koch zeigte sich offen, über neue Wege nachzudenken, unter einer Einschränkung: Eine "Apotheke light" dürfe es nicht geben. Dagegen könne man über verkürzte Öffnungszeiten für Apotheken in ländlichen Gegenden diskutieren, ebenso über eine Ausweitung der Botendienste. Der Versandhandel allerdings könne nicht als Lösung für eine bessere Versorgung auf dem Land dienen.


Fortbildung auf dem Sächsischen Apothekertag


Unter der Überschrift "Multimorbid mit dem metabolischen Syndrom – eine Herausforderung für die Apotheke" bot die Sächsische Landesapothekerkammer den Apothekerinnen und Apothekern vier Fortbildungsvorträge an:

  • Metabolisches Syndrom – Pathophysiologie und leitliniengerechte Therapie (PD Dr. Sabine Fischer, Dresden)

  • Pharmazeutische Betreuung von Patienten mit metabolischem Syndrom (Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld)

  • Arzneimittelinteraktionen (Dr. Alexandra Weber, München)
  • Die Priscus-Liste im Apothekenalltag (Dr. Nina Griese-Mammen, Berlin)

Für die Fortbildung der PTA und Pharmazieingenieure standen zwei Seminare auf dem Programm:

  • Teilen, mörsern, auflösen … – unterschätzte Applikationsproblematiken gängiger Arzneiformen (Karoline Bartetzko und Ingrid Ewering, Berlin)

  • Interaktionen erkennen, beurteilen und vermeiden – Praxisseminar (Dr. Klaus Gerlach, Oelsnitz, und Tobias Hückel, Dresden).


diz

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