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Ende des Retaxationswahns in Sicht?

Novelle des Rahmenvertrags steht ins Haus

BERLIN (ks). Als willkürlich empfundene Retaxationen der Krankenkassen könnten bald der Vergangenheit angehören: Nach fast zweijähriger Verhandlungszeit haben sich Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband auf Änderungen im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung geeinigt. Danach können unter anderem geringfügige Formfehler auf dem Verordnungsblatt geheilt werden. Und: Bei Retaxationen muss die Kasse den ihr entstandenen Schaden grundsätzlich konkret belegen. Die beabsichtigten Änderungen müssen nun noch die Gremien der Vertragspartner durchlaufen.

Apotheker können ein Lied von nicht nachvollziehbaren Retaxationen singen. In jüngerer Vergangenheit waren es etwa geringfügige Formfehler bei teuren Betäubungsmittelverordnungen, die Krankenkassen nutzten, um den Zahlungsanspruch der Apotheker komplett zu retaxieren. DAV und GKV-Spitzenverband haben sich dem Problem angenommen und nach Lösungen gesucht. Nun liegen Änderungen an den einschlägigen Regelungen des Rahmenvertrages vor. Der geschäftsführende DAV-Vorstand hat sie bereits Ende März gebilligt, letzte Woche die Mitglieder des Vertragsausschusses. Ende April wird die DAV-Mitgliederversammlung über die Änderungen abzustimmen haben. Und auch die GKV-Seite muss zustimmen.

Treten die Regelungen in der nun vorliegenden Fassung in Kraft, dürfte es für die Kassen künftig schwerer werden, Apotheken komplett zu retaxieren. Der zuvor recht knapp gefasste § 3 des Rahmenvertrags, der den Zahlungs- und Lieferanspruch regelt, wurde grundlegend neu gefasst und zieht sich nun über dreieinhalb Druckseiten. Der Grundsatz ist: "Gibt eine Apotheke ein Produkt, das von der Leistungspflicht umfasst ist, ordnungsgemäß ab, erwirbt sie einen Zahlungsanspruch gegenüber der angegebenen Krankenkasse." Im Anschluss wird detailliert aufgeführt, wann eine Apotheke keinen Zahlungsanspruch erwirbt. In einem neuen Absatz 3 werden die Produktgruppen genannt, die vom GKV-Leistungskatalog ausgeschlossen sind (z. B. OTC, soweit keine Ausnahmeregelung besteht oder Life-Style-Arzneimittel etc.).

Im folgenden Absatz sind Gründe genannt, warum ein Zahlungsanspruch entfallen kann. Beispielsweise, weil der Verordnung Angaben nach § 2 der Arzneimittelverschreibungsverordnung fehlen – also die grundsätzlichen Rezeptformalia – oder aber die Angaben nach § 9 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. In beiden Fällen soll die Apotheke diese formalen Fehler künftig im Rahmen der geltenden Vorschriften beheben können. Andere in diesem Absatz aufgeführte Fehler können dagegen nicht geheilt werden. Etwa, wenn verschiedene Fristen für die Abgabe überschritten wurden.

In Absatz 5 wird bestimmt, dass die Krankenkasse bei Verstößen gegen gesetzliche Abgabebestimmungen oder gegen Bestimmungen des Rahmenvertrages einen "Ausgleich des ihr entstandenen Schadens verlangen [kann], der bei vorschriftsgemäßer Abgabe und Abrechnung nicht eingetreten wäre". Sodann werden Verstöße aufgezählt: etwa die Nichtbeachtung der vorrangigen Aut-idem-Abgabe, der ärztlich verordneten Packungsgröße oder vertraglicher Abrechnungsfristen. Sofern hier ein Schaden entstanden ist, muss die Kasse diesen unter Angabe der Belegnummer nach Art und Höhe konkret belegen. Der Schaden umfasst dabei entstandene Preisdifferenzen und/oder nachweislich entgangene Rabatteinnahmen – der Null-Retaxation wäre damit ein Ende gesetzt.

Was bewusst offen bleibt

Zudem sieht der neue § 3 neue Verfahrensvorgaben zur Abwicklung und Abrechnung bei Beanstandungen zum Zahlungs- und Lieferanspruch vor. Abgeschlossen wird der neu gefasste Paragraf mit einem Absatz, der aufführt, was der Rahmenvertrag ausdrücklich nicht regelt. Nämlich, ob und wenn ja in welcher Höhe eine Apotheke einen Zahlungsanspruch erwirbt, wenn sie bei Bestehen eines Rabattvertrags die Vorgaben des Rahmenvertrages zur Auswahl preisgünstiger Arzneimittel (§ 4) verletzt und ein nicht rabattiertes Arzneimittel abgibt. Eine entsprechende Regelung kündigen die Vertragspartner an, wenn ihnen höchstrichterlich oder durch den Gesetzgeber aufgegeben wird, diesen Sachverhalt im Rahmenvertrag zu regeln. Ebenso bleibt ungeregelt, was geschieht, wenn Apotheken trotz bestehender Impfstoff-Rabattverträge andere Impfstoffe abgeben.

Weitere Neuregelungen

In der Novelle des Rahmenvertrages soll zudem die mit dem 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften ("16. AMG-Novelle") eröffnete Möglichkeit genutzt werden, bestimmte Arzneimittel von der Aut-idem-Regelung auszunehmen. Dazu soll eine neue Anlage 1a für solche Arzneimittel/Wirkstoffe geschaffen werden.

Überdies werden Klarstellungen zur Abgabe importierter Arzneimittel vorgenommen. Ausdrücklich soll geregelt werden, dass Re- und Parallelimporte im Sinne des Rahmenvertrags nur abgegeben werden dürfen, wenn ihr maßgeblicher Abgabepreis unter der Berücksichtigung der gesetzlichen Herstellerabschläge (§ 130a SGB V) nicht höher ist als der des verordneten Arzneimittels.

Anpassungen sind weiterhin bei der Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen (§ 6 Rahmenvertrag) vorgesehen. Hier gibt es eine Klarstellung zu dem Fall, dass die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für dieses Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl überschreitet: Dann ist nur die nach Packungsgrößenverordnung aufgrund der größten Messzahl bestimmte Packung – oder ein Vielfaches des Packung – abzugeben; allerdings nicht mehr als die verordnete Menge. Und auch ein Vielfaches darf nur abgegeben werden, wenn der Arzt dies besonders auf dem Rezept vermerkt hat.

Die Regelung zum Beitritt ausländischer Versandapotheken zum Rahmenvertrag (§ 2b) soll um eine Mitteilungspflicht für die Apotheken zur Umsatzsteuer ergänzt werden: Sie müssen auf ihrer Abrechnung nun die Umsatz-Identifikationsnummer der Krankenkasse und die Bemessungsgrundlage zur Abführung der Umsatzsteuer angeben.

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