Arzneimittel und Therapie

Verringertes Rezidivrisiko, aber kardiale Spätfolgen

Die Bestrahlung nach einer brusterhaltenden Therapie senkt die Rezidivhäufigkeit, kann aber zu kardialen Spätkomplikationen führen. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, untersuchte eine englische Studie. Sie errechnete einen dosisabhängigen Anstieg koronarer Ereignisse, der über viele Jahre hinweg bestehen blieb. Das absolute Risiko kann durch verfeinerte Bestrahlungsverfahren möglicherweise minimiert werden.

Nach der brusterhaltenden chirurgischen Entfernung eines Mammakarzinoms wird die verbleibende Brust bestrahlt, um Lokalrezidive zu verhindern. Dieses Vorgehen ist seit vielen Jahren Standard und obligater Bestandteil der Therapie. Beim frühen Mammakarzinom können dadurch die Häufigkeit der Rezidive sowie die Brustkrebsmortalität verringert werden. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch die Strahlenbelastung, die neben akuten Nebenwirkungen auch Spätfolgen aufweisen kann. So können die ionisierenden Strahlen den Herzmuskel schädigen und zu einer ischämischen Herzerkrankung führen. Trotz genauer Lenkung der Strahlen auf das betroffene Brustareal kann das Herz eine Dosis zwischen 1 und 5 Gy erhalten. In welchem Ausmaß dies zu kardialen Spätkomplikationen führte, war bislang nicht genau bekannt. Daher ging eine Kohortenstudie dieser Frage nach.

Bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie

Für die Untersuchung wurden die Krankenakten von 2168 Frauen aus Schweden und Dänemark analysiert, die zwischen 1958 und 2001 aufgrund einer frühen Brustkrebserkrankung eine Radiotherapie erhalten hatten. Für jede Patientin wurden nachträglich die Strahlendosis und das Bestrahlungsfeld ermittelt, um die Strahlenexposition des Herzens zu berechnen. Diese Daten wurden anschließend mit den Diagnosen der Klinikregister in Beziehung gesetzt. 963 Patientinnen (Fallgruppe) hatten ein koronares Ereignis (Herzinfarkt, Tod aufgrund einer ischämischen Herzerkrankung oder eine koronare Revaskularisierung) erfahren. Die Kontrollgruppe bilden 1205 Brustkrebspatientinnen, bei denen kein koronares Ereignis aufgetreten war. Die durchschnittliche Strahlendosis, die das Herz erhalten hatte, lag bei 4,9 Gy. Die Patientinnen der Fallgruppe hatten eine höhere Strahlendosis erhalten als die Frauen der Kontrollgruppe.

Strahlentherapie bei Brustkrebs


Nach jeder brusterhaltenden Operation wird eine Bestrahlung durchgeführt, um das Erbmaterial eventuell verbliebener Tumorzellen zu schädigen. Drei bis acht Wochen nach der Operation wird über einen fünf- bis sechswöchigen Zyklus hinweg fünfmal pro Woche bestrahlt. Die Gesamtstrahlendosis liegt bei 50 bis 55 Gy und wird in Einzeldosen von weniger als zwei Gy aufgeteilt. Wurde der Tumor nur knapp im Gesunden entfernt, ist eine höhere Dosis (ca. 60 Gy) erforderlich. Eine Bestrahlung dauert rund zwei Minuten und führt zu sonnenbrandähnlichen Symptomen. Sie erfolgt meist extern mit Hilfe eines Linearbeschleunigers, das heißt, die Bestrahlung erfolgt von außen durch die Haut. Ein neuer Ansatz ist die intraoperative Bestrahlung.


[Quelle: Interdisziplinäre S3-Leitinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Aktualisierung 2012. AWMF-Register Nr. 032-045-OL].

Linearer Risikoanstieg

Nach Berücksichtigung kardialer Risikofaktoren wurde errechnet, dass das Risiko für ein kardiales Ereignis mit jedem Gy Strahlenexposition auf das Herz um 7,4% ansteigt. Ein Schwellenwert konnte nicht errechnet werden. Das erhöhte koronare Risiko beginnt innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Radiotherapie und bleibt bis in die dritte Dekade nach der Bestrahlung bestehen. Der proportionale Anstieg des koronaren Risikos unter der Bestrahlung war für Frauen mit und ohne bestehende kardiale Risikofaktoren ähnlich. Das heißt, für Frauen mit bereits bestehenden Risikofaktoren ist die Gefahr durch die Strahlenexposition höher als für Frauen ohne Risikofaktoren. Das absolute Risiko für ein bestrahlungsinduziertes koronares Ereignis kann folgendermaßen eingeschätzt werden: Eine Radiotherapie, bei der die mittlere Dosis am Herzen 3 Gy beträgt, erhöht bei einer 50-jährigen Frau ohne bestehende Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit, bis zum Alter von 80 Jahren einen vorzeitigen kardialen Tod zu erleiden von 1,9% auf 2,4%; ihr Risiko für ein akutes Koronarereignis wird von 4,5% auf 5,4% vergrößert. Dieselbe Bestrahlung bewirkt bei einer 50-Jährigen mit mindestens einem kardialen Risikofaktor eine Zunahme des koronaren Sterberisikos von 3,4% auf 4,1%.

Daher sollten vor Festlegen einer Strahlendosis die bereits vorliegenden kardialen Risiken berücksichtigt werden, so die Autoren der Studie.

Kommentar

Diese Studie wurde auch im Leitartikel des New England Journal of Medicine kommentiert. Möglicherweise sei das erhöhte koronare Risiko nach einer Strahlenexposition noch nicht vollständig erfasst, da Erkrankungen wie Kardiomyopathien, periphere vaskuläre Erkrankungen, Herzklappen- und Rhythmusstörungen in der obigen Fall-Kontroll-Studie nicht erfasst wurden. Ferner sei es möglich, dass das koronare Risiko zusätzlich durch kardiotoxische Chemotherapien wie etwa der Gabe von Anthracyclinen oder Trastuzumab verstärkt werde. Diese Patientinnen waren in der Studie nicht repräsentativ vertreten, da Anthracycline und Trastuzumab in dem Zeitraum selten oder noch nicht eingesetzt wurden.

Auf der anderen Seite ist die Strahlenexposition bei der heutigen modernen Radiotherapie wesentlich geringer, so dass das Ausmaß des kardiotoxischen Risikos derzeit noch nicht vollständig bestimmt werden kann. In den USA leben drei Millionen Brustkrebsüberlebende, die langfristigen Folgen der Tumortherapie werden sich erst in den nächsten Jahren herauskristallisieren, so das Fazit des Leitartikels.


Quelle

Darby S., et al.: Risk of ischemic heart disease in women after radiotherapy for breast cancer. N Engl J Med 368, 987-998 (2013).

Moslehi J.: The cardiovascular perils of cancer survivorship. N Engl J Med 368, 1055-1056 (2013).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2013, Nr. 13, S. 82

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