Arzneimittel und Therapie

Kardiotoxizität von Domperidon wird wieder bewertet

Bereits in den 80er Jahren gab es Berichte über schwerwiegende Herzrhythmusstörungen nach intravenöser Gabe des Dopamin-Rezeptor-Antagonisten Domperidon (Motilium®). In dieser Darreichungsform ist es heute nicht mehr auf dem Markt. Die belgische Aufsichtsbehörde hat nun aufgrund von neuen Fällen kardiotoxischer Nebenwirkungen nach oraler Gabe bei der EMA eine erneute Überprüfung des Wirkstoffs veranlasst.

Domperidon (Motilium®) ist ein peripherer Antagonist an D2-Rezeptoren mit antiemetischer und prokinetischer Wirkung. Zugelassene Indikationen sind Übelkeit und Erbrechen bei Erwachsenen und Kindern, sowie epigastrisches Völlegefühl, Oberbauchbeschwerden und Regurgitation von Mageninhalt bei Erwachsenen. Die antiemetische Wirkung beruht auf der Blockade von Dopamin-Rezeptoren der Chemorezeptor-Triggerzone der Area postrema. Der Mechanismus der Motilitätssteigerung ist nicht genau bekannt. Im Gegensatz zu Metoclopramid kann Domperidon bei Erwachsenen die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und verursacht daher auch bei längerer Anwendung keine parkinsonoiden Nebenwirkungen, wie Störungen der extrapyramidalen Motorik. Domperidon sorgt für eine relevante Erhöhung des Prolaktin-Spiegels. Das kann zu nachlassender Libido, Menstruationsstörungen und Impotenz führen. Aufgrund dieser Nebenwirkung wird der Wirkstoff off label bei stillenden Müttern zur Förderung der Milchbildung eingesetzt.

Keine Zulassung in den USA

Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hatte bereits im Jahre 2004 vor einer Anwendung Domperidon-haltiger Präparate für diese Indikation wegen des unkalkulierbaren Risikos für den gestillten Säugling abgeraten. Die FDA lehnt die Zulassung Domperidon-haltiger Präparate nicht nur für diese Indikation, sondern generell ab. Grund dafür sind die kardialen Nebenwirkungen, die außerhalb der USA, wo orales Domperidon teilweise rezeptfrei erhältlich ist, beobachtet wurden. So können ventrikuläre Arrhythmien bis hin zum plötzlichen Herztod auftreten. Das erhöhte Risiko für Herzrhythmusstörungen unter Domperidon ist lange bekannt, bereits in den 80er Jahren wurden sie unter intravenöser Gabe beobachtet.

Effekte wie Klasse-III-Antiarrhythmika

Als im Jahr 2000 das Prokinetikum Cisaprid aufgrund seines arrhythmogenen Potenzials vom Markt genommen wurde, galt Domperidon als Alternative. Es wurden vielerlei Experimente durchgeführt, um das kardiale Risiko einschätzen zu können. Die Experimente zeigten, dass Domperidon über einen Kalium-Kanal in den Herzmuskel-Zellen, den HERG-Kanal (Human Ether-a-go-go Related Gene) die kardiale Repolarisation verlängert, also zu einer QT-Strecken-Verlängerung führt. Die Effekte sind vergleichbar mit denen, die bei Cisaprid, aber auch bei den Klasse-III-Antiarrhythmika Amiodaron und Sotalol beobachtet werden. Jüngere Fallkontrollstudien zeigen, dass das Risiko für schwere ventrikuläre Arrhythmien oder plötzlichen Herztod unter Domperidon um etwa das 1,5-fache erhöht ist. Zudem gibt es Hinweise, dass schwerwiegende Nebenwirkungen vor allem mit Tagesdosen über 30 mg und einem Lebensalter höher als 60 Jahre assoziiert sind.

QT-Streckenverlängerung


Die T-Welle kennzeichnet die Erregungsrückbildung (Repolarisation). Verantwortlich für die Repolarisation ist ein Ausstrom von Kalium-Ionen. Ist der Kalium-Kanal durch Pharmaka blockiert oder durch angeborene Mutationen verändert, verzögert sich Repolarisation, die QT-Strecke verlängert sich. In der Folge kann eine ventrikuläre Tachyarrhythmie auftreten, die sogenannte Torsade-de-pointes-Arrhythmie, die im schlimmsten Fall zum Kammerflimmern übergehen und mit Herztod enden kann.

Warnhinweise erst 2012angepasst

Bereits letztes Jahr wurden Fachinformationen und Packungsbeilagen hinsichtlich des Risikos für kardiale Nebenwirkungen unter Domperidon-Therapie, wie ventrikuläre Arrhythmien bis hin zum plötzlichen Herztod, angepasst. So darf bei älteren Patienten, Patienten mit bestehenden Risikofaktoren für kardiale Ereignisse, wie QT-Strecken-Verlängerung oder Störungen des Elektrolyt-Haushaltes Domperidon nur mit äußerster Vorsicht angewendet werden. Andere Medikamente, die ebenfalls die kardiale Repolarisation verlängern, sollten nicht gleichzeitig verordnet werden. Dazu gehören beispielsweise Makrolid- und Fluorchinolonantibiotika sowie verschiedene Antipsychotika und Antidepressiva. Laut Fachinformation ist die maximale Tagesdosis 80 mg. Generell sollte die niedrigste wirksame Dosis verordnet werden. Bei Tagesdosen über 30 mg muss verstärkt auf Anzeichen für kardiale Nebenwirkungen im EKG geachtet werden. Da Domperidon in erster Linie über CYP3A4 metabolisiert wird, kann die gleichzeitige Gabe von Enzyminhibitoren, wie Grapefruitsaft, Azolantimykotika und Makrolidantibiotika zu einer Erhöhung der Domperidon-Serumspiegel führen und so das Risiko für schwere Nebenwirkungen erhöhen.

Belgische Behörde fordert erneute Prüfung

Nun hat die belgische Aufsichtsbehörde (Agence Fédérale des Médicaments et des Produits de Santé, AFMPS) die erneute Überprüfung durch die EMA veranlasst. Sie schlägt die Kontraindikation Domperidon-haltiger Präparate für Risikopatienten vor. Ob lediglich die Warnhinweise angepasst werden oder tatsächlich Präparate vom Markt genommen werden, bleibt abzuwarten.


Quelle

Ventrikuläre Arrhythmien und plötzlicher Herztod im Zusammenhang mit Domperidon (UAW-News International), Dtsch Aebl, 109, 35-36, 3. September 2012.

EMA: Review of domperidone started, EMA/140423/2013.

FDA Talk Paper: FDA Warns Against Women Using Unapproved Drug, Domperidone, to Increase Milk Production, June 7, 2004.

Mutschler, E. Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2012.

Thews G, Mutschler E, Vaupel P. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 6. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2007.


jb



DAZ 2013, Nr. 13, S. 80

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