Interpharm 2013

Ein Drittel der Apotheken hat Liquiditätsprobleme

(wes). Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, kurz AMNOG, von 2010 war und ist eingebettet in eine große schwarz-gelbe Arzneimittelmarkt-Reform. Daran erinnerte Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, zu Beginn seines Rückblicks auf die Auswirkungen des AMNOG auf die Apotheken. Das AMNOG selbst habe die Apotheken in einem Kaskadeneffekt gleich mehrfach getroffen.

Auf der obersten Stufe dieser "Treppe" seien die pharmazeutischen Hersteller durch Zwangsrabatt, Preismoratorium und Nutzenbewertung durch die schwarz-gelben Arzneimittelmarkt-Reformen betroffen gewesen. Diese Einsparungen seien an die "darunterliegende Treppenstufe", den Großhandel, weitergegeben worden. Diese Stufe habe aber, selbst von Einsparbemühungen durch das neue Kombimodell der Großhandelshonorierung betroffen, die Auswirkungen an die nächst tiefere Stufe, die Apotheke, weitergegeben. "Auf der untersten Stufe ist dann nicht mehr zu identifizieren, ob der Staub von der obersten oder der zweituntersten Stufe kommt", so Diener. Neben dieser "pharmapolitischen Kaskade" nannte Diener noch vier weitere zentrale Auswirkungen des AMNOG auf die Apotheken:


Dr. Frank Diener betonte, dass eine differenzierte Betrachtung der wirtschaftlichen individuellen Situation nach Apothekentyp enorm wichtig ist.

Neue Konditionenwelt

Das AMNOG habe zu einer von den Apotheken erwarteten Welle an Kürzungen der Großhandelskonditionen zum Jahresanfang 2011 geführt. Weitgehend unerwartet sei dagegen eine zweite Welle zum Jahresbeginn 2012 gewesen. Vor allem aber seien die Großhandelskonditionen sehr viel komplexer geworden. Es gebe jetzt Umsatzstaffeln, Mengenziele und Bonus-Malus-Modelle. Diese würden untereinander kombiniert und mit Gebühren, Ausschlüssen und Skonti ergänzt. Seit November 2012 sei aber ein neu entbrannter Kampf der Großhändler um interessante Kunden zu beobachten. Da von diesem Wettbewerb aber nur bestimmte Apotheken profitieren könnten, sei mit einer weiteren Marktspreizung zu rechnen.

Chaos um den Abschlag

Chaotisch nannte Diener die Situation um den Kassenabschlag. Da dieser für die Jahre 2009 und 2010 immer noch nicht endgültig feststeht, wüssten die Apotheken bei rund 1 Mrd. abgegebener Packungen immer noch nicht, welches Honorar sie letztendlich erhalten. Bei durchschnittlich 50.000 Packungen pro Apotheke geht es im Schnitt immerhin um 25.000 Euro pro Apotheke. Diener fordert hier von der Schiedsstelle eine Paketlösung, die den Abschlag für die Jahre 2009, 2010, 2013 und 2014 gemeinsam festlegt und von beiden Seiten akzeptiert wird. Dafür dürfe diese Lösung keine Verlierer kennen und müsse Planungssicherheit bieten. Nach Dieners Meinung müsse der Abschlag eigentlich unter 1,75 Euro sinken: Die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für das Apothekenhonorar gingen nur bis zum Jahr 2010. Für die Jahre 2011 und 2012 wurde nur eine Inflation eingerechnet, die Kostensteigerungen durch Mehraufwand blieben aber unberücksichtigt. Der schlimmste Fall sei eine höchstrichterliche Entscheidung in ferner Zukunft, dass die Schiedsstelle ihre Befugnisse überschritten habe und der Kassenabschlag deshalb nachträglich auf den Status quo ante von 2,30 Euro festgesetzt werden könnte. Deshalb sei hier Planungssicherheit wichtiger als der letzte Cent in der Abschlags-Höhe.

Zusätzliche Kosten, latente Gefahren

Auf die Apotheken seien durch die Gesetzesänderungen dieser Regierung verschiedenste Kostenerhöhungen zugekommen, so Diener. Das Handling in der Apotheke habe sich durch Änderungen in der Aut-idem-Regelung und zur Kostenerstattung erhöht, auch die neue ApBetrO bedeute große Kosten für die Apotheken. Diener nannte beispielhaft die geforderte Barrierefreiheit, erweiterte Dokumentationspflichten, geforderte Diskretion, Rezepturen und Defekturen.

Eine große latente Gefahr sieht Diener in der geplanten Änderung der Normgrößenpackungsverordnung. Würden die Normpackungen wie geplant tatsächlich von Stückzahlen auf Laufzeiten umgestellt, implodiere die Vergütung. Die "neue" N3 soll für eine 100-Tage-Therapie ausgelegt sein, bei dann eventuell 600 statt heute 100 Tabletten pro Packung. Durch das packungsbezogene Honorar und ernsten Liquiditätsproblemen schon heute in rund einem Drittel der Apotheken stelle das ein Fundamentalrisiko dar, warnte Diener.

Folgen für die "typische Apotheke"

Die ganz konkreten Folgen des AMNOG zeigte Diener an der "typischen" Apotheke mit einem Umsatz von rund 1,3 Mio. Euro. Während 2010 das Betriebsergebnis vor Steuern noch bei 75.000 Euro oder rund 5,8 Prozent des Umsatzes lag, sank es bis 2012 auf 67.000 Euro oder 5,1 Prozent ab. Dadurch sank der Verfügungsbetrag des Inhabers von 39.000 auf 34.000 Euro ab. Selbst dieses Ergebnis sei nur dadurch zustande gekommen, dass die Kosten in den Apotheken stabil geblieben seien – was aber nur durch eine zunehmende Selbstausbeutung der Apothekenleiter möglich gewesen sei.

Zentrale Erkenntnis aus dem AMNOG ist für Diener, dass eine differenzierte Betrachtung der wirtschaftlichen Situation nach Apothekentyp immer wichtiger sei. Ein Apothekeninhaber dürfe sich heute nicht mehr mit Apotheken des gleichen Umsatzes vergleichen, sondern mit dem gleichen Apothekentyp – also Lage, Standort, Kundentypen und andere Kriterien, natürlich auch den Umsatz, berücksichtigen.



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